Nur noch schnell die Welt retten? Dazu braucht es dringend umfangreiche private Investitionen. Nur so kann die Entwicklung, Erprobung und Skalierung effizienter und umweltverträglicher Technologien beschleunigt und ihre Kommerzialisierung vorangetrieben werden. Die EU-Taxonomie-­Verordnung stellt zweifellos einen positiven Schritt in die richtige Richtung dar, aber ihre Reichweite ist begrenzt. Um mehr Wagniskapital zu aktivieren, kann und muss mehr geschehen. Von Alexander von Preysing

Innovationen erfolgen häufig in jungen Unternehmen, doch gerade sie erhalten nur schwer Zugang zu institutionellem Eigenkapital oder Fremdkapital. Sie bräuchten dringend Wagniskapital, doch der Zugang hierzu ist gerade in Deutschland noch immer sehr beschwerlich. Um das zu ändern, hatte die Juncker-Administra­tion 2015 die Kapitalmarkt­union angestoßen, mit dem Ziel, kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) den ­Zugang zu Kapital zu erleichtern. Bei der Umsetzung hapert es jedoch bis heute; ­zumindest ist noch keine spürbare Wirkung bei der Mobilisierung privaten Risiko­kapitals zu verzeichnen. Dabei ist der ­Bedarf enorm.

Nachhaltigkeit ist der Megatrend bei Investoren

Besonders in frühen Phasen ist es für viele Unternehmen schwierig, Risikokapital zu akquirieren. Venture Capitalisten (VCs) ­fokussieren sich zum Großteil auf Series-A- und -B-Runden von Unternehmen mit schnell skalierbaren ­Geschäftsmodellen. Das sind in der Regel keine technischen ­Innovationen im engeren Sinne, sondern Entwicklungen, die sich bestehende Technologien zunutze machen. Techunternehmen haben längere Entwicklungszyklen, bilden jedoch die Grundlage für einen ­Umbau unserer ­Industrie.

Allein FunderNation hat als digitale Plattform zur Finanzierung von technologieorientierten Start-ups im vergangenen Jahr Finanzierungsanfragen von 526 ­Unternehmen erhalten. Die meisten der kapitalsuchenden Unternehmen, nämlich rund 53%, hatten einen Finanzierungs­bedarf bis 500.000 EUR, 33% suchten 500.000 bis 1 Mio. EUR.

Geschäftsführer Holger Hanisch präsentiert Wankel SuperTech vor dem Business Angel-Netzwerk von FunderNation. Foto: © FunderNation GmbH

Aktivster Investor bleibt der Staat: Der High-Tech Gründerfonds (HTGF) hat seit 2005 lediglich 700 Start-ups finanziert, der zuletzt aufgesetzte vierte Fonds verfügt über 1,4 Mrd. EUR Kapital – angesichts von rund 3.000 Start-up-Gründungen im Jahr nicht viel. Zum Vergleich: In Israel mit ­seinen neun Millionen Einwohnern werden ­jedes Jahr etwa 1.500 neue Techunternehmen gegründet. Als wesentlicher Treiber dafür galt ein in den 1990er-Jahren ent­wickeltes Finanzierungsmodell, das private Start-up-Investitionen massiv unterstützte und bei dem der Staat auch am Erfolg ­beteiligt wurde.

Das Interesse an Investments in innovative Unternehmen ist auch bei privaten Anlegern durchaus vorhanden und im Steigen begriffen. So haben Start-ups über die FunderNation-Plattform im vergangenen Jahr rund 11 Mio. EUR an Wachstumskapital eingesammelt – doppelt so viel wie im Vorjahr. 95% der Investitionen von Business Angels und privaten Anlegern entfielen dabei auf Unternehmen aus den Bereichen Nachhaltigkeit, Medizintechnik und Healthcare. Angesichts der notwendigen Investitionen ist das natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wie könnte hier noch mehr aktiviert werden?

Es braucht Anreize für Investoren

Hierzulande besteht nach wie vor das ­Problem, dass der volkswirtschaftliche Nutzen solcher Risikoinvestitionen nicht ausreichend gewürdigt wird. Firmen­beteiligungen und Wagniskapital gelten noch immer als ­etwas, das Profis und ­Multimillionären vorbehalten ist. Private Anleger werden stattdessen in grün ­gefärbte Finanzprodukte großer Finanz­institute getrieben. Ein direkter Impact wird dadurch nicht ­erzielt, da das Geld nicht als Kapital gezielt in Projekte fließt, die an positiven Veränderungen der oben genannten Probleme arbeiten. Hier kann es zu einer Fehlallo­kation von Mitteln kommen.

NEXXOIL-Geschäftsführer Thorsten Dunker finanziert im Dreiklang aus Business Angels, Crowd und Fördermitteln. Foto: © FunderNation GmbH

Damit Europa tatsächlich der von den Regierungen angestrebte Innovations­standort wird, braucht es mehr Anreize. Die Möglichkeiten sind vielfältig: Sie reichen von harmonisierten, verlässlichen und unkomplizierteren rechtlichen Grundlagen für öffentliche Angebote – auch grenzüberschreitend in Europa – über ­Investitionszuschüsse bis hin zu steuer­lichen Erleichterungen. Ansätze gibt es, aber es bleibt erheblicher Raum für ­Verbesserungen.

Gut gemeint heißt nicht gut ­gemacht

Dass der Gesetzgeber das nicht aus­reichend im Blick hat, zeigte sich einmal mehr bei der Neuregelung des INVEST-­Zuschusses zur Förderung von Business Angels, die auf die Förderung sogenannter Virgin Angels, also neue, noch unerfahrene Investoren verengt worden ist. Das erklärte Ziel, insbesondere Virgin Angels zu fördern, wird außerdem nicht erreicht, wenn die Förderfähigkeit auf Eigenkapital, Wandel­darlehen und Genossenschaften beschränkt ist. Um Investoren mit Mindestinvesti­tionsbeträgen von 10.000 EUR an den Markt heranzuführen, müssten entweder die mit solchen Beteiligungsformen verbundenen bürokratischen Anforderungen (sprich: Kosten) gesenkt oder die Förderung auf flexiblere Konstruktionen wie Zweckgesellschaften und Nachrangdar­lehen ausgedehnt werden. Es braucht mehr Mut und nachhaltige Entschlossenheit, um mit mehr Kapital Innovationen und den Umbau unserer Wirtschaft zu ­beschleunigen.

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe Finanzieren & Investieren 2_23 erschienen, die Sie hier herunterladen können.

Autor/Autorin

Alexander von Preysing
Head of Investment Management at FunderNation GmbH | Website

Alexander von Preysingist Invest­ment­manager der digitalen Finanzierungs­plattformFunderNationund Triangle Venture Capital Group. Zuvor war er über 20 Jahre für die Deutsche Börse im Bereich Kapitalmarkt/IPO tätig und gehörte u.a. zum Gründungsteam des Technologie­segments „Neuer Markt“.