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Nach wie vor keine Entspannungssignale vom US-IPO-Markt: Sowohl Anzahl als auch Emissionsvolumen der IPOs sind historisch gering. Seit bald einem Jahr besonders auffällig ist dabei die große Anzahl an Börsengängen mit einer hohen Diskrepanz zwischen dem Zeichnungsgewinn und der längerfristigen Performance.

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Es läuft weiterhin nicht rund, auch bei den US-Börsengängen. Sowohl Anzahl als auch Volumen sind vor allem verglichen mit den letzten drei Jahren als rudimentär zu betrachten. So wurden bis Ende August bei insgesamt 57 IPOs erst 4,6 Mrd. USD emittiert. Im Vorjahr war zu diesem Zeitpunkt bereits ein Emissionsvolumen (EV) von über 94 Mrd. USD generiert.

Tab. 1: IPO Scoreboard 2022. Stand 14.09.2022. Quelle: GoingPublic Research

Entsprechend sanken auch die durchschnittlichen EVs auf 80 Mio. USD – der niedrigste Wert seit Beginn unserer Aufzeichnungen im Jahr 2004. Anno 2021 wurden noch 350 Mio. USD erreicht. Einen Wert von unter 100 Mio. USD gab es erst einmal: 2008 waren es 98 Mio. USD.

Auffällig bleiben auch die trügerisch hohen Werte an Zeichnungsgewinnen (ZGs) nach dem ersten Handelstag: Bis Ende August beliefen sie sich im Durchschnitt auf 154%! Ebenso ein absoluter Rekordwert. Die Performance aller IPOs in diesem Zeitraum weist dabei lediglich knapp über 8% aus – für den „verwöhnten“ US-IPO-Markt eine verheerende Bilanz. Zudem hievten nur wenige positive Ausreißer die Performance überhaupt in den positiven Bereich.

Nur vier Börsengänge im Juni

Nachdem im April/Mai mit 16 IPOs zumindest eine kleine Hoffnung auf eine mögliche Wende bestand, sackte die IPO-Aktivität im Juni wieder auf vier Börsengänge zusammen. Mit einem EV von 170 Mio. USD war das vom Bergbaumilliardär Robert Friedland gegründete kanadische Minenunternehmen Ivanhoe Electric das mit Abstand größte IPO.

Abb. 1: IPO-Anzahl der letzten zwölf Monate. Stand 01.09.2022, Quelle: GoingPublic Research

Hinzu gesellten sich der E-Auto-Bauer Phoenix Motor, der indische Streaming­anbieter Lytus Technologies Holdings und der Onlinebroker Zhong Yang Financial Group (Hongkong). Lytus ist exemplarisch eines dieser vielen IPOs mit hohen ZGs und jähem Absturz hernach, in diesem Fall um 260% nach dem ersten Tag, aktuell -60%. Demgegenüber hat Zhong Yang Financial einen ZG von 240%, steht aber noch mit 120% im Plus. Eine seltene Ausnahme derzeit.

AMTD Digital sticht im Juli hervor

Mit sieben Börsengängen leicht verbessert zeigte sich der Juli; erneut generierte mit AMTD Digital aber nur ein IPO mit 125 Mio. USD ein „normales“ EV. Der chinesische Finanzdienstleister stach aber auch bei der Performance heraus: Es ist das bislang einzige IPO im Jahr 2022, das seinen überproportional hohen ZG von 257% sogar noch ausbauen konnte. Aktuell liegt die Aktie mit 490% im Plus.

Abb. 2: Monatliche Zeichnungsgewinne im Durchschnitt, ab Januar Median (definiert als Differenz zwischen Schlusskurs des ersten Handelstages und Emissionspreis), Quelle: GoingPublic Research

Die restlichen IPOs notieren aktuell ­allesamt weit im roten Bereich und brachten zusammen gerade einmal 90 Mio. USD auf. Hervorzuheben wären hier angesichts der enormen Gewinne nach dem ersten Handelstag insbesondere die chinesische ­E-Commerce-Plattform WeTrade Group (ZG: 397%), der Produzent von Testkits gegen eine Reihe von Virenkrankheiten Virax Biolabs Group (264%) sowie die E-Sport-Plattform Mobile Global Esports (225%).

Ausschließlich Mikro-IPOs im August

Für den bisherigen Jahresverlauf sehen zwölf Börsengänge im August ganz gut aus, jedoch vereinen alle „nur“ ein EV von 195 Mio. USD auf sich, somit lediglich 16 Mio. USD pro IPO.

Vier Unternehmen reihten sich dabei besonders in das gegenwärtige Bild immens hoher ZGs ein, darunter Treasure Global (346%) und Starbox Group Holdings (285%), jeweils Anbieter einer Zahlungs-App aus Malaysia, was eine äußerst seltene Koinzidenz innerhalb eines Monats darstellt. Hinzu kommen die chinesische Bildungsplattform Jianzhi Education Technology Group (275%) sowie der chinesische Textilproduzent und Logistikanbieter Addentax Group (500%). Aktuell notieren alle deutlich negativ.

Die beiden einzigen IPOs im grünen ­Bereich sind die E-Commerce-Plattform GigaCloud Technology mit einem ZG von 292% (aktuell: 48%) und der aus Hongkong stammende Finanzdienstleister Magic Empire Global mit seinem 20-Mio.-USD-IPO. Das Unternehmen liegt zwar mit 30% auch noch im Plus, startete aber mit ­einem phänomenalen ZG von 2.350%! Da blieb selbst hartgesottenen US-Beobachtern die Spucke weg.

Von den bislang 57 IPOs in diesem Jahr haben nun 20 einen ZG von mindestens 100% (und teils weit darüber hinaus) zu Buche stehen. Bemerkenswert ist auch, dass sich nach einer längeren Flaute in den letzten Monaten wieder stark vermehrt asiatische/chinesische IPOs für den US-Markt entschieden haben.

September bislang ebenfalls mau

Auch der aktuelle Monat ist bis dato zum Abhaken. Genau zwei IPOs sind bis Redaktionsschluss offiziell: die in Kalifornien operierende japanische Restaurantkette Yoshiharu Global sowie die Regionalbank LINKBANCORP mit einem EV von zusammen 50 Mio. USD.

In den Startlöchern stehen dazu noch das auf Entzündungskrankheiten spezialisierte Biotech Third Harmonic Bio mit ­einem für die Branche relativ hohen EV von 153 Mio. USD und das AIG-Spin-off Core­bridge Financial (Versicherer). Dieses IPO ist mit einem EV von 1,8 Mrd. USD taxiert, wäre also erst der zweite Börsengang in diesem Jahr mit einem EV jenseits von 1 Mrd. USD nach dem Assetmanager TPG im Januar.

Ausblick: Die Pipeline bleibt prall gefüllt

Gegebenenfalls könnte Corebridge Finan­cial eine Art Initialzündung darstellen, die Liste prominenter IPO-Kandidaten ist jedenfalls lang. Dazu zählen u.a.: Impossible Foods (vegetarischer Fleischersatz), Airtable (Cloud-Software), Reddit (soziales Netzwerk), Discord (Onlinedienst für Instant Messaging und Videokonferenzen), Instacart (Lebensmittel-Onlinelieferant), Chime (Finanzdienstleister), Databricks (Managementsoftware), Mobileye (autonomes Fahren), VinFast (Automotive) oder auch Stripe (Zahlungsdienstleister).

Natürlich reichen prominente Namen allein zur Marktwiederbelebung nicht aus – aber die zuletzt rückläufigen Inflationsdaten in den USA könnten einen kleinen Hoffnungsschimmer darstellen. In jedem Fall bleibt die Anspannung vorerst hoch.

Autor/Autorin

Ike Nünchert

Ike Nünchert ist freier Autor für das GoingPublic Magazin sowie für GoingPublic Online.