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Der Koalitionsvertrag mit dem Titel „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ der Ampelregierung möchte nicht nur die Chancen biotechnologischer Verfahren nutzen, sondern hält auch einige finanz- und steuerpolitische Versprechungen bereit, wie das gelingen kann. 

Der Biotechnologie kommt nicht nur durch ihren wirtschaftlichen Wert für den Standort Deutschland eine besondere Bedeutung zu. Es gibt kaum ein aktuelles Problem in den Feldern Gesundheit, Nahrung, Umwelt, Klima und Energie, zu dessen Lösung sie keinen nachhaltigen Beitrag leisten kann. Ob Chemie, Pharma, Energie, Werkstoffe und Material – die ­bedeutende Rolle, welche die Biotechno­logiebranche bei der Eindämmung der ­Coronapandemie gespielt hat und noch spielt, hat sich tatsächlich im Regierungsvertrag niedergeschlagen. Immerhin an fünf Stellen wird das Wort „Biotechnologie“ oder „biotechnologisch“ genannt (wenn auch einmal im Zusammenhang mit Biowaffen). Zudem finden sich viele ­Willensbekundungen und Absichtserklärungen zu verschiedensten Themen, die unsere Branche betreffen, u.a. Techno­logietransfer, Innovation und Unternehmertum, Forschung, Bioökonomie und ­Gesundheitspolitik sowie Finanzen und Steuern.

Bei der Betrachtung der Standortbedingungen, die für eine vitale Biotechnologiebranche in Deutschland unerlässlich sind, wird deutlich, dass nach wie vor ­erhebliches Verbesserungspotenzial besteht. Deutsche Biotechnologieunternehmen sind dringend auf ein funktionierendes Finanzökosystem angewiesen, das ­ihnen den Zugang zu frischem Kapital für Wachstum und die Innovationsfinanzierung ermöglicht. Neben den notwendigen Investitionen ist zudem auch eine direkte Stärkung des Cashflows in den Unternehmen selbst unerlässlich.

Bereitstellung von Kapital

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Die Bundesregierung hatte bereits in der 18. und 19. Legislaturperiode einige ­Maßnahmen ergriffen, die speziell auf die Förderung von Wagniskapitalinvesti­tionen ausgelegt waren. Hoffnungen liegen beispielsweise auf dem neu aufgelegten Zukunftsfonds. Er soll darauf abzielen, neues Kapital insbesondere für großvolumige Finanzierungsrunden in der Wachstumsphase zu gewinnen. Neben der ­Reduzierung der Abhängigkeit deutscher Unternehmen bei sehr hohen Finanzierungen durch US-amerikanische Fonds sollte er durch Finanzierungsrunden von mehr als 20 Mio. EUR Start-ups die Möglich­keiten geben, sich länger unabhängig zu entwickeln, und damit das Potenzial erhöhen, dass diese zukünftig verstärkt einen nachhaltigen Beitrag zur Volkswirtschaft am Standort Deutschland leisten können (standortbezogene Wertschöpfung). Besonders bedeutend ist der Dachfonds im Zukunftsfonds, da er das größte Potenzial hat, als Maßnahme neues Kapital zu ­gewinnen, welches bisher nur in andere Assetklassen investiert. Die angekündigten Maßnahmen stärken die Hoffnungen in der Biotechbranche, das sogenannte Tal des Todes, nämlich zu wenige Finanzierungsrunden ab 30 Mio. EUR bis zum Exit oder einer Weiterfinanzierung durch andere Investoren (z.B. via IPO oder strategische Kooperationen), zu überwinden. Für die deutsche Biotechnologie stellt sich allerdings die Frage, ob die Maßnahmen hinreichend stark zugeschnitten werden können, wo der Markt aktuell extrem schwach ist. Hier ist zu überlegen, ob für die Finanzierung der deutschen Biotechnologie nicht weitere Maßnahmen, etwa ein spezieller Innovationsfonds für die Biotechnologie aufgrund ihrer Geschäftsmodelle, zusätzlich notwendig sind, um von den guten Hebelwirkungen des ­Zukunftsfonds profitieren zu können.

Steuerliche Anreize für Investitionen

Um die Bereitstellung privaten Kapitals für innovative KMU durch konstruktive Rahmenbedingungen zu motivieren, ­bieten sich verschiedene steuerliche ­Instrumente an.

  • Investoren sollten von der Kapital­ertragsteuer bzgl. Investitionen in innovative KMU befreit werden. Dabei sollten KMU dann als innovativ eingestuft werden, wenn ihre F&E-Kosten mindestens 25% der Gesamtkosten ausmachen. Damit könnte zudem die derzeitige ­Diskriminierung von Eigenkapital für Biotechunternehmen, hervorgerufen durch die Änderungen körperschaftssteuerlicher Regelungen 2009, adressiert werden.
  • Die Zuweisung von Anlaufverlusten und Verrechenbarkeit mit anderen ­Einkünften sollten möglich werden. Eine unmittelbare Verlustverrechnung würde es attraktiv machen, privates Kapital in Deutschland innovativen KMU zur Verfügung zu stellen und die Umsetzung neuer Konzepte durch bessere Kapitalverfügbarkeit zu ermög­lichen. Voraussetzung wäre eine entsprechende Innovations-KMU-Klausel in § 15b EStG im Zuge der ohnehin im Rahmen einer grundlegenden Steuer­reform laut Koalitionsvertrag geplanten Weiterentwicklung.
  • Der INVEST-Zuschuss sollte ausge­weitet werden. Die bisherige Regelung bezieht sich lediglich auf Business ­Angels. Eine Ausweitung könnte die ­Investments von Privatpersonen in Venture-Capital-Fonds umfassen, um auch größere Finanzierungsrunden zu stärken und dem einzelnen Investor eine Diversifikation zu erlauben.
  • Zudem muss es gelingen, Kapitalsammelstellen, z.B. über den Zukunftsfonds, zu schaffen, die das anlage­suchende Kapital in die Innovations­finanzierung lenken können.
  • Es ist reichlich Vermögen und Kapital in Deutschland und Europa vorhanden, welches Anlagemöglichkeiten sucht. Versicherungen, Pensionsfonds und Privatpersonen können durch umfassende Kapitalbereitstellung zur Inno­vationskraft beitragen.

Direkte Stärkung des Cashflows

Neben der Bereitstellung von ausreichend Kapital für die Finanzierung von Innova­tionen ist auch die Stärkung des Kapitalflusses in den Unternehmen hilfreich. Sehr zu begrüßen ist insofern die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung in Deutschland in der letzten Legislaturperiode. Allerdings wird es entscheidend darauf ankommen, dass forschende Unternehmen auch wirklich Zugang zur steuer­lichen Forschungsförderung haben. Hierbei ist auf Sonderprobleme biotechnologischer Geschäfts- und Finanzierungsmodelle hinzuweisen. „Unternehmen in Schwierigkeiten“ mit zu geringer Kapitaldecke sind von der steuerlichen Forschungsförderung ausgeschlossen und über gemeinsame ­Investoren nur virtuell „verbundene“ ­Unternehmen werden wie Konzerne behandelt. Zudem sind eine höhere Quote der steuerlichen Forschungszulage für KMU sowie eine breitere Bemessungsgrundlage über die Lohnkosten hinaus für KMU sachgerecht, damit diese das volle Fördervolumen besser ausschöpfen ­können.

Die nächsten dreieinhalb Jahre

Die Ampel „will mehr Innovation“ und sagt, sie brauche dafür „ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“. Dies weckt die Hoffnung, dass in den nächsten drei­einhalb Jahren noch an wichtigen Stellschrauben gedreht wird, damit unsere Branche besser wachsen kann. So will die Regierung – etwas konkreter – „ermög­lichen, dass privates Kapital institutioneller Anleger, wie Versicherungen und Pensions­kassen, für die Start-up-Finanzierung ­mobilisiert werden kann“. Zudem „werden sie den Zugang von KMU zum Kapitalmarkt erleichtern“ und „Anreize für private Investoren und Raum für unternehmerisches Wagnis schaffen“. Das hört sich zumindest auf dem Papier vielversprechend an.

Wir verstehen, dass die Ampel wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine und der noch nicht überstandenen Pandemie ­vielerlei andere Aufgaben prioritär zu ­bewältigen hat, die auch unvorhergesehene und hohe Ausgaben nach sich ziehen.

Allerdings zeigen diese Krisen und ­Bedrohungen auch, wie wichtig technologische Souveränität und Unabhängigkeit sind. Das sollten wir nicht vergessen – sonst unterhalten wir uns bei Konflikten in der Zukunft über ungewollte und dann sehr schmerzhafte Abhängigkeiten von anderen Staaten und Regionen, die dem Thema Biotechnologie eine deutlich höhere Priorität eingeräumt haben.

 

Autor/Autorin

Oliver Schacht, Ph.D.

Oliver Schacht, Ph.D., ist CEO der OpGen Inc., Geschäftsführer der Curetis GmbH und
Vorstandsvorsitzender von BIO Deutschland.