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Im Mai erstellte die Plattform Life Sciences ihren Biotech & Co. Basket aus 30 im In- und Ausland börsennotierten Gesellschaften und ermittelte zum Start Ende April einen kumulierten Börsenwert in Höhe von 54,9 Mrd. EUR. Wie hoch ist der Wert der deutschen Biotechnologie zum 31. August? Wer waren die besten Performer und welche Nachrichten haben die deutschen Biotechbörsianer am meisten bewegt? Ein Zwischenstand.
Der von der Plattform Life Sciences zusammen mit AfU Research Ende April 2022 erstmals präsentierte Korb von 30 Aktien soll regelmäßig Vielfalt und Wert der börsennotierten deutschen Biotechnologie darstellen. Neben 24 als „Core Biotech“ einzustufenden Unternehmen sind sechs weitere enthalten. Eine Aktie (Marinomed) stammt aus Österreich, wird aber auch an deutschen Handelsplätzen rege gehandelt. Einige Ergebnisse vom Stand Ende April:
- Der Börsenwert des Biotech & Co. Basket belief sich Ende April 2022 auf
54,9 Mrd. EUR. Allein 32,5 Mrd. EUR entfielen auf Deutschlands Vorzeigewert BioNTech, der seit 2019 an der US-Technologiebörse Nasdaq notiert. - Die vier größten Unternehmen (BioNTech, QIAGEN, CureVac und Evotec) vereinigten 90,7% des gesamten Basket-Werts aufeinander.
- 34,7% Kursrückgang bedeuteten einen gegenüber dem Jahresende 2021 um 29,2 Mrd. EUR geminderten Börsenwert, während der DAX trotz Ukrainekrise „nur“ 11,3 % verloren hatte.
- Lediglich vier Unternehmen (Mainz Biomed, Formycon, Heidelberg Pharma und Medigene) zeigten eine positive Kursentwicklung 2022, 26 lagen im Minus.
Genau 50% der Unternehmen notieren im Ausland bzw. hatten hier ihr Primärlisting. Führend ist hier die Nasdaq mit elf Listings, gefolgt von der Euronext (2) und der London Stock Exchange (1). - 17 Unternehmen sind weniger als zehn Jahre an der Börse gelistet. Davon ging nur der White-Biotech-Spezialist BRAIN 2016 im Heimatmarkt Deutschland an den Kapitalmarkt.
Die Rechtsformen zeigen bereits die Internationalität: 14 Aktiengesellschaften („AG“) und zwei in der Rechtsform des europäischen Pendants „SE“ stehen neun niederländische „N.V.“, drei amerikanische „Inc.“, eine „PLC“ sowie eine „BV“ gegenüber.
Aktienperformance: 10x Plus, 20x Minus
Von Mai bis August legten entgegen der allgemeinen Börsenstimmung (DAX: -9,0%) zehn Aktien unseres Baskets zu. Die fünf Top-Performer dabei waren die Nasdaq-Werte Immatics (+72,3%) und InflaRx (+38,6%) sowie 4SC (+23,9%), Biofrontera (+23,2%) und Formycon (+15,1%). Die Verliererliste führt Magforce an, die nach dem Insolvenzantrag am 27. Juli rund 95% ihres Werts einbüßte und aktuell nur noch ein Penny-Stock-Dasein führt (Kurstaxe aktuell bei ca. 12 Cent). Mehr als 40% ihres Werts verloren auch CO.DON (-55,9%), CENTOGENE (-54,9%) und Pieris (-45,7%). Viel zu berichten gab es auch bei Noxxon, die seit 15. Juli unter ihrem neuen Namen „TME Pharma“ firmiert und einen „Reverse Share Split“ im Verhältnis 100 zu eins durchführte. „TME“ steht im Übrigen für „Tumor Microenvironment“, um dem heutigen Kernthema des an der Euronext notierten Unternehmens auch im Namen Rechnung zu tragen.
YTD: Formycon vorne
Beim Blick auf die Year-to-date-(YTD-)Performance 2022 liegen nunmehr mit Formycon (+28,0%), Heidelberg Pharma (+16,0%) und – neu – Immatics (+13,3%) nur noch drei Werte im Plus, Mainz Biomed (-5,1 %) und Medigene (- 18,1 %) liegen im Vergleich zum 29. Dezember inzwischen im Minus. Bei Formycon war auch der größte Newsflow zu verzeichnen. Zwischen 29. März und 6. September gab es neben fünf Ad-hoc-Mitteilungen weitere 13 Corporate News (!). Das alles überstrahlende Ereignis war wohl der Abschluss der strategischen Kooperation im Bereich Biosimilars mit der ATHOS KG, Family Office der Brüder Strüngmann. Gegen Sachkapitalerhöhung wurden durch ATHOS die Biosimilar-Kandidaten FYB202 (Ustekinumab) und FYB201 (Ranibizumab, zu 50%) sowie die operative Entwicklungseinheit bioeq GmbH in die Gesellschaft eingebracht. Dadurch wurde die ATHOS KG mit 26,6% mittelbar zum größten Anteilseigner der Formycon AG. Zum 1. Juli wurde der Vorstand erweitert um zwei erfahrene Pharmamanager und Dr. Stefan Glombitza, zuvor COO, zum CEO berufen. In der Hauptversammlung am 30. Juni wurde dann noch Dr. Thomas Strüngmann in den Aufsichtsrat gewählt. Aussichtsreiche Meldungen von der „Zulassungsfront“ rundeten den Newsflow in den letzten Wochen ab.
Gestiegener Börsenwert
Die kumulierte Market Cap legte von Mai bis August um 3,00 Mrd. auf 57,9 Mrd. EUR zu. Den größten Wertzuwachs verbuchten BioNTech (+4,0 Mrd. EUR), Formycon (+416 Mio. EUR), Immatics (+336 Mio. EUR) und QIAGEN (+279 Mio. EUR). Die größte Wertvernichtung fand bei CureVac statt, die satte 1,19 Mrd. EUR an Börsenwert einbüßte (Aktienkurs -39,2%), aber auch Evotec (-237,1 Mio. EUR, Aktie -5,8%) und Affimed (-128,5 Mio. EUR, Aktie -24,2%) verloren im dreistelligen Mio.-EUR-Bereich an Börsenwert. Der Anteil von BioNTech am gesamten Basket-Börsenwert (63,0%) hat gegenüber Ende April (59,2%) noch einmal zugenommen. Bei den Top Four (BioNTech, QIAGEN, Evotec, CureVac) sind beinahe unverändert rund 91% der kumulierten Marktkapitalisierung konzentriert (90,9% zum 31. August ggü. 90,7% zum 29. April).
Fazit
Von +72 % bis -95% Aktienkursentwicklung in nur vier Monaten: Die deutschen Biotechunternehmen zeigen sich einmal mehr von ihrer volatilen Seite. Während der DAX von Mai bis August rund 9% verlor, kamen gerade einmal sieben von unseren 30 Aktien des Biotech & Co. Basket mit einer Schwankungsbreite von weniger als 10% aus. Positiv: Insgesamt legte der kumulierte Börsenwert um 3 Mrd. auf rund 58 Mrd. EUR (+5,5%) zu. Die Dominanz der BioNTech-Aktie (63% der Market Cap) wurde allerdings noch einmal größer. Unterlegt war die turbulente Entwicklung bei vielen Aktien durch umfangreichen Newsflow mit Formycon an der Spitze, die inzwischen beim Börsenwert als fünftes deutsches Unternehmen den Sprung über die Mrd.-EUR-Grenze schaffte.
Autor/Autorin
Markus Rieger ist Gründer und Vorstand der GoingPublic Media AG. Als „Brückenbauer“ zwischen Unternehmen und Investoren ist er gelegentlich auch als Autor von Analysen und Beiträgen tätig.