Bildnachweis: Wolftank-Adisa Holding AG.
Im Zuge des European Green Deal werden allein für die Betankung mit Wasserstoff rund 15.000 zusätzliche Tankstellen benötigt. Gleichzeitig wird das bestehende Tanknetz teils saniert, teils abgebaut – ein großes Feld für Infrastrukturdienstleister wie die Wolftank Group, die sich vor und mit dem Börsengang 2019 mit Kapital gestärkt hat für diese kommenden Herausforderungen. GoingPublic im Gespräch mit CEO Dr. Peter Werth.
GoingPublic: Sie sind jetzt dreieinhalb Jahre an der Börse. Welche Erfahrungen haben Sie bisher sammeln können? Wie lautet Ihr Fazit?
Dr. Peter Werth: Wir haben grundsätzlich gute Erfahrungen gemacht. Die Erwartungshaltung war zwar beeinflusst durch manche Bedenken, ob ein KMU auch an der Börse gut aufgehoben ist und ob die Transparenz und Kommunikationserfordernisse das Unternehmen nicht überfordern würden. Im Nachgang ist klar ersichtlich, dass Transparenz dem Unternehmen guttut, einfach weil zeitnah auf externe und interne Einflüsse reagiert wird. Das Agieren durch die Kommunikation, sofern sie gut ist, rückt auch die Erwartungshaltung der internen und externen Stakeholder ins richtige Licht, damit erzeugt man maximale Unterstützung.
GoingPublic: Haben Sie auch negative Erfahrungen gemacht?
Dr. Peter Werth: Wenige. Zu erwähnen ist vielleicht punktuell speziell die hohe Arbeitslast in der Kommunikation, wenn externe Einflüsse pauschal über das Geschäftsmodell gelegt werden – hier verweise ich auf Pandemie, Gaspreise, Inflation, Lieferkettenverzögerungen. Aber auch das ist Teil der Börsenwelt.
GoingPublic: Gab es für Wolftank Alternativen zum Börsengang?
Dr. Peter Werth: Ja, natürlich. Wir hatten schon vor dem Listing einige Roadshows durchgeführt und Kapital eingesammelt. Dies hätte auch in dieser Form weiter funktioniert. Das Ziel ist aber, eine liquide Aktie zu haben, die in Zukunft auch öffentlich angeboten werden kann und wenn möglich bald auch Dividenden zahlt. Dies sollte im Vergleich zu einer nicht gehandelten Aktie dann für die Aktionäre einen Mehrwert bringen.
GoingPublic: Hat das IPO dem Unternehmen mehr Aufmerksamkeit gebracht?
Dr. Peter Werth: Auf jeden Fall, vor allem durch die stetig verbesserte und intensivierte Unternehmenskommunikation.
GoingPublic: Warum sind Sie in das neue Marktsegment „direct market plus“ der Börse Wien gegangen?
Dr. Peter Werth: Weil der sogenannte Dritte Markt oder MTF mit seinem Reglement für ein KMU geeigneter ist. Dies wurde uns vom Team der Wiener Börse auch so empfohlen. An dieser Stelle möchte ich die hervorragende Betreuung und Unterstützung der Wiener Börse loben; wir hatten uns einen so hohen Servicelevel nicht erwartet.
GoingPublic: Welche Chancen hat Ihnen das Listing geboten?
Dr. Peter Werth: Chancen sind einerseits die Sichtbarkeit bei institutionellen Investoren, die auch in Assetklassen investieren und uns somit Türen und Kontakte eröffnet haben, die wir auf anderen Vertriebswegen wohl schwerer erreicht hätten. Zudem konnten wir einfacher Kapital beschaffen für Zukunftsinvestitionen wie den Wasserstoffbetankungsbereich. Nicht zuletzt die Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung und deren Wert ist ein weiterer Vorteil. Es macht einen Unterschied für Kleinaktionäre, ob der Titel gehandelt wird oder einfach ein nicht liquider Unternehmensanteil ist.
GoingPublic: Gab oder gibt es auch Risiken durch das Being Public?
Dr. Peter Werth: Natürlich ist man den Marktstimmungen stärker ausgesetzt, und die erhöhten Transparenzforderungen bergen Risiken für die Organe, also den Vorstand und den Aufsichtsrat, aber ich sehe keine spezifischen Risiken für Wolftank durch das Listing.
GoingPublic: Wie sieht Ihr Geschäftsmodell genau aus?
Dr. Peter Werth: Wir sorgen seit 35 Jahren weltweit dafür, dass Fahrzeuge aller Art, vom Gabelstapler über den Pkw zum Lkw, Zug oder Schiff, sicher und umweltfreundlich betankt werden können. Wir engineeren und bauen die Infrastruktur zur Betankung. Im Bereich Wasserstoff werden allein zur Realisierung des European Green Deal weit über 15.000 Tankstellen nötig – es gibt heute keine 100 geeigneten. Wir können das schlüsselfertig und haben bereits über 100 Tankanlagen erfolgreich in Funktion gebracht. Im Bereich der flüssigen Kraftstoffe gilt es, von 135.000 Tankstellen allein in der EU innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte etwa 2.000 pro Jahr abzubauen und den Boden und das Grundwasser zu sanieren. Auch das können wir schlüsselfertig.
GoingPublic: Was passiert mit den Tankstellen, die nicht (gleich) abgebaut werden?
Dr. Peter Werth: Die verbleibenden Tankstellen müssen weiter funktionieren, da besteht teils großer Sanierungs- und Instandhaltungsbedarf. Unser Tanksanierungsprodukt DOPA mit hauseigenen Epoxy-Spezialharzen ist wohl die weltweit am meisten eingesetzte Tanksanierungsmethode, die gleichzeitig lückenlose Überwachung ermöglicht.
GoingPublic: Wie haben sich Ihre Geschäfte bisher entwickelt? Sind Sie damit zufrieden?
Dr. Peter Werth: Den Umständen entsprechend sind wir zufrieden. Der Markt in China ist in der Pandemie fast vollständig eingebrochen; hier warten wir immer noch sehnsüchtig auf echte Signale zur Reisefreiheit. Die Zeichen aus Nordamerika sind sehr ermutigend, und unser Unternehmen hat den asiatischen Umsatz durch verstärkte Aktivität im europäischen Inland überkompensieren können. Wir erwarten zudem stark verbesserte Ergebnisse aus der Geschäftstätigkeit anno 2023 und folgender Jahre.
GoingPublic: Welche Ziele wollen Sie in den nächsten Jahren erreichen?
Dr. Peter Werth: Wir wollen einen Marktanteil im Bereich der Wasserstoffbetankungsanlagen von mehr als 20% erreichen, dazu eine jährliche Wachstumsrate, die sogenannte CAGR, von über 15% in den Segmenten Umweltdienstleistungen und Industriebeschichtungen.
GoingPublic: Wo sehen Sie die Stärken Ihres Unternehmens?
Dr. Peter Werth: Die Stärken liegen ganz klar in der eigenen Umsetzungskompetenz ohne benötigte Technologielieferanten, denn wir haben das notwendige Know-how im Haus. In den Bereichen Wasserstoffanlagenbau, „Leben verlängern“ von existierender Infrastruktur und Umweltsanierung haben wir jeweils wettbewerbsfähige Produkte.
GoingPublic: Wie schätzen Sie momentan die Energiesicherheit Österreichs und Deutschlands ein?
Dr. Peter Werth: Eine politische Frage, eine politische Antwort: Europa ist hervorragend aufgestellt. Wenn eine gemeinsame Strategie gefunden wird, mache ich mir keine Sorgen. Wenn jedes Land allein versucht, besser als die anderen zu sein, dann haben wir als Ergebnis der verzerrten Nachfrage etwa nach Gas überproportional hohe Preise verglichen mit dem Rest der Welt – und dementsprechend Inflation und daraus folgende Probleme. Sie merken, ich bin ein überzeugter Europäer.
GoingPublic: Und in Zentraleuropa?
Dr. Peter Werth: Siehe oben, es sei denn, Sie meinen Tirol (lacht). Da sind wir mit Wasserkraft entsprechend am allerbesten versorgt.
GoingPublic: Was wünschen Sie sich für die Kapitalmarktregulierung?
Dr. Peter Werth: Da wünsche ich mir eigentlich nicht viel, wir lernen ja noch und versuchen einfach, mit kompetenter Hilfe alles richtig zu machen. Bisher sollte uns das gut gelungen sein.
GoingPublic: Wie sollten heimische KMU am Kapitalmarkt gefördert werden?
Dr. Peter Werth: Ganz ehrlich: KMU können sich vor allem an der Wiener Börse direkt alles holen, was sie brauchen. Sie müssen es nur wollen; die Unternehmen sollten keine Angst vor der Börse haben.
Das klingt ermutigend, Herr Dr. Werth, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Thomas Müncher.
Autor/Autorin
Thomas Müncher
Thomas Müncher ist Wirtschafts- und Finanzjournalist und freier Autor beim GoingPublic Magazin.