2 Mai 2020 – 12,50 EUR (D) – www.plattform-lifesciences.de Plattform Life Sciences Technologie – Finanzierung – Investment Smarte Medizin Wie die digitale Transformation die Medizin der Zukunft prägt (2. Jahrgang) KI oder KO? Innovative Wirkstoffe Medizinische digitale Wie COVID-19 ihre Anwendungen Bedeutung hervorhebt Wirklich sicher? Je schneller, desto besser? Digital Therapeutics Kommerzieller Nutzen Patienten haben zunehmend Beschleunigte Zukunft oder schon COVID-19 als Katalysator Angst vor Cyberattacken Marktzugänge Realität? für Healthcarefirmen

Editorial Planänderung Editorial Holger Garbs, Redakteur Life Sciences Liebe Leserinnen und Leser, wenige Tage vor Drucklegung dieser Ausgabe wurde redaktionsintern noch schnell darüber beraten, ob man DAS aktuelle Thema – COVID-19/Corona – nicht publikumswirksam durch optische Effekte auf dem Cover hervorheben sollte. Wir haben uns dagegen entschieden; vielmehr wollen wir die Leserinnen und Leser unserer aktuellen Ausgabe „Smarte Medizin“ durch Inhalte überzeugen. (Auch die spontane Idee, das Foto des zuständigen Redakteurs mit einem Mund-Nase-Schutz zu verzieren, kam zu Recht nicht über das Anfangsstadium hinaus.) Als im vergangenen Jahr die Planungen zu dieser Ausgabe begannen, war Corona hierzulande noch kein Thema. Es sollten die aktuellen Trends und Entwicklungen im Bereich der digitalen Gesundheit und deren Auswirkungen für Forscher und Entwickler, Hersteller und Investoren sowie für Krankenkassen und Entscheider in der Politik näher beleuchtet werden. Als es dann in diesem Jahr an die konkrete Umsetzung ging, führte auch für uns kein Weg mehr an Corona vorbei. Innerhalb weniger Wochen hatte sich das Leben der Menschen grundlegend verändert. Und den kürzlich eingeführten Lockerungen zum Trotz muss man sagen: Ende offen. Vor diesem Hintergrund fragen wir uns nicht nur gemeinsam mit unseren Gastautoren, wie Patienten oder Anleger von Innovationen der smarten Medizin profitieren können, welche Bedingungen Politiker mit ihren Gesetzen erfüllen müssen, ob sie dies bereits getan haben oder welche neuen technischen Errungenschaften es auf dem Feld der Gesundheits-IT gibt. Weitaus mehr als ursprünglich angedacht zieht sich die derzeit weltweit grassierende Pandemie auch durch dieses Heft. Welche App kann wirklich helfen? Welche Initiativen gibt es, um Wirkstoffe gegen Corona zu erforschen? Wie funktioniert die richtige Diagnostik? Und wie groß ist der kommerzielle Nutzen? Die Antworten finden Sie auf den folgenden Seiten. Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen garbs@goingpublic.de 02-2020 „Smarte Medizin“ ls 3

Finanzierung Kapitalmarkt & Investment 36 Smarte Medizin – quo vadis, Europa? COVID-19 – Herausforderungen und Chancen Ute Mercker, IBB Beteiligungsgesellschaft 38 Datenerhebung von höchster Relevanz Integrated Care: Die Zukunft von Digital Health sind inte- grierte, datengetriebene Online- offline-Modelle Dr. Johannes Keienburg, Heartbeat Labs 40 Digitale Gesundheits- lösungen im Aufschwung InsurTech Hub Munich und dmac/Digital Health Hub Nürnberg/Erlangen starten branchenübergreifendes Kooperationsprogramm H + 42 Turbobooster für Innovationen Eine Kolumne von Dr. Hubert Birner, Managing Partner, TVM Capital Life Science 44 Wie groß ist der kommer- zielle Nutzen? COVID-19 ist ein Katalysator für Healthcarefirmen 46 Im Fokus Die Biotechbranche steht als Entwickler von Therapien und Impfstoffen zur Eindämmung des Virus im Mittelpunkt der Corona-Pandemie Dr. Daniel Koller, Bellevue Asset Management 48 Der Wettlauf um den Corona-Impfstoff Nur mit der erfolgreichen Entwicklung eines Impfstoffs kann die Corona-Pandemie gestoppt werden Dr. Markus Manns, Union Investment Service 50 Partner der Ausgabe im Portrait 52 Eventkalender 54 Impressum/Unternehmens- index Plattform Life Sciences Kompetenz in Life Sciences. Seit 1999. Eine Initiative von Die Plattform Life Sciences ist offizielles Organ der Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland e.V. Inhalt Smarte Medizin – quo vadis, Europa? Ute Mercker, IBB Beteiligungsgesellschaft Seiten 36–37 Datenerhebung von höchster Relevanz Dr. Johannes Keienburg, Heartbeat Labs Seiten 38–39 Der Wettlauf um den Corona-Impfstoff Dr. Markus Manns, Union Investment Seiten 48–49 02-2020 „Smarte Medizin“ ls 5

elektronische Systeme werden die Rolle von Assistenten einnehmen und so die Entscheidungsfindung maßgeblich beein- flussen. Nicht jedem gefällt das, und so gehen Maßnahmen der künstlichen Intel- ligenz oder die Verwendung immenser Datenpakete auch weiterhin mit ethischen Fragen einher, allen voran jenen des Daten-, aber auch des Patentschutzes. Mit Apps und Algorithmen werden Patienten- profile erstellt; der Weg über die elektro- nische Patientenakte kann hier nur ein Zwischenschritt sein. In den vier klassischen Einsatzfeldern Diagnostik, Wirkstoffentwicklung, perso- nalisierte Behandlung und Genomedi- tierung ist der Einsatz von KI/Machine Learning schon heute selbstverständlich. Allein die Möglichkeit, klinische Studien zielorientierter und vor allem schneller durchzuführen, kann die Entwicklung neuer Wirkstoffe und Therapiemöglich- keiten fundamental verändern. Aber auch in der Diagnostik, vor allem in Bild- gebungsverfahren, ist der Einsatz selbst- lernender Algorithmen inzwischen weit Allein die Möglichkeit, klinische Studien zielori- entierter und vor allem schneller durchzuführen, kann die Entwicklung neuer Wirkstoffe und Therapiemöglich keiten fundamental verändern. verbreitet. Die sogenannten Deep-Lear- ning-Systeme finden in der Radiologie und Pathologie ebenso Anwendung wie in der Dermatologie oder Augenheilkunde. In der Patientenversorgung sowie in der Verwaltung lassen sich Abläufe optimie- ren und Kosten einsparen – für die heutige Generation von Ärzten und Medizinern, aber auch von Verwaltungsangestellten Einführung und für politische Entscheider häufig noch ein „Learning by doing“, für die nach- kommende Generation vielleicht schon fester Bestandteil von Studium, Ausbil- dung und alltäglicher Arbeit. Fazit Letztlich wird die „smarte“, „stratifizierte“ oder „personalisierte“ Medizin kommen. Allerdings wird dies nicht dazu führen, dass in absehbarer Zeit herkömmliche Behandlungsmethoden, Blockbustermedi- kamente oder gar die Ärzteschaft von der Bildfläche verschwinden werden. Auch ökonomische Fragen werden eine wesent- liche Rolle spielen; kein Player der Szene- rie wird leichtfertig auf seine Pfründe ver- zichten. „Jedem seine eigene Pille“ – die heutige Generation wird diese Innovation nicht mehr erleben. Am Ende sollte man nicht über Begrifflichkeiten diskutieren, sondern bei aller Vorsicht (Stichwort: Datenschutz) die Möglichkeiten der smar- ten Medizin erkennen und umsetzen. Viele Dinge sind im Fluss, Patienten und Ange- hörigen kann es nur recht sein. ANZEIGE Personalisierte Medizin ist möglich.

DANKE* *) Die Ausgabe „Smarte Medizin“ entstand mit freundlicher Unterstützung von

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Plattform Life Sciences Mission: Medienübergreifende Verbindung der Lebenswissenschaften mit Wissen und Netzwerken aus Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt (E-)MAGAZIN – ONLINE – EVENT – NETZWERK Mai 2020 – 12,50 EUR (D) – www.plattform-lifesciences.de 2 Plattform Life Sciences Technologie – Finanzierung – Investment Smarte Medizin Smarte Meddizin Wie die digitale Transformation Wie die digitale Transfoormation die Medizin der Zukunftt prägtttttttttttttttttttttttggtgttggtggggggggggggg die Medizin der Zukunft prägt KI oder KO? Innovative Wirkstoffe Innovatovative Wi e W kstoffee ive Wi ve Wir Medizinische digitale Wie COVID-19 ihre Wie COV Wie COV IDIDD-19 ihre Anwendungen Bedeutung hervorhebt deutu Bedeutu Bedeutu ng hervorhebt d e Wirklich sicher? Je schneller, desto besser? beebeee be e JeJe schnelellerr, desesto beebesserererererrer rer ???????????? bebbbeebebbbbbbbb Patienten haben zunehmend Beschleunigte Beschle eschleuunignigtee rr Angst vor Cyberattacken Marktzugänge Marktzu arktzuggännge l ieller r rr rrrrrrrrrr r Digital Therapeutics Kommerzieller Nutzen NNNutzNutzNuNuNuttttNutzNutzzeenen Kommer ommerz rr NNuNNuuNuNutzNutzNutNuttNutzutztutzutzeutzetzenenn NuNuNNN tNuNuNutzezezen NNNNuNutttNutzzezeeen NNNutzNNNuutzzzzutzeee NNNuN ttzzzzzenee NNuutututttzzzzzzen Nuuuututttzutzzzzezee NNNuutzzzzzeen NNutzzzNNNuuuttzzzzenn KKKKKKKKKommerz Kommerz Kommerz Kommerz Kommerz Kommerz Kommemerz K mme Zukunft oder schon COVID-19 als Katalysator ttaatatatalllatalylatalys 9 als OVID-1D-19 a9 als CCOVID-1VID-1 orttttttorortotortorttttortttttoootortorrrrttttttotortortorrttttoororrtooorroorto OVID-1 OVID-1 OVID-1 OVID- OVID-1VID- OVID-1VID-1 KKKKKKKKKKKKKa KKKKKKKKKatatataatalysa atalysa atalysa atalys atalysa atalysa atalys talysa atalysa atatattaatalysaaa aaattata saaaaaa yysssasaa aaaatalyttatalysaaaaa aa a ssssaasaaaa aa a yyyssssaaysaaysa a lyyyyyssssaasa aa yyya yyyyssaayyyyyyy 9 9 a9 als9 a9 a9 als 9 als 9 als K 9 al KKal9 al KKKKKKKKK tattttatatatalylataly aaa Realität? für Healthcarefi rmen rmenenmemennnmenmen lthc earere lthlthlth re lthlthc lt lth re ltthlth at aaree t ath aaa eaa eeeeefifififififififififififififififififififififififirrrmmermrmrmmemrmrmenmen fffffffffffür Hea für Hea für Hea für Hea ür He ür Hea für Hea für Hea für Hür Hea für Hea für Hea fürr Hür He lthcar rrmrmermmemennnnmrmrmemeenmenmenn nnen rrmermeeeenmeenennneeeennn rmmmen rr Jahrespartner 2020 Jahrespartner im Netz: www.goingpublic.de/lifescience-jahrespartner LIFE SCIENCE VENTURE CAPITAL

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stärkt auch Medizintechnik und Diagnos- tika anbietet – ein Beispiel ist hier das Zuckermessgerät und der Insulin-Injekti- onspen bei Diabeteserkrankungen. Positiv ist, dass Digitalisierung verstärkt sektor- übergreifende Kooperationen befördert, wenn IT- und Techunternehmen stärker mit Pharma- oder Diagnostikfirmen zu- sammenarbeiten. Solche unternehmens- übergreifenden Kooperationen wollen wir durch unsere Netzwerkarbeit fördern und unterstützen – vor allem kleinen und mitt- leren Unternehmen helfen wir bei der Partnersuche. Positiv ist, dass Digitali- sierung verstärkt sektor- übergreifende Koopera- tionen befördert, wenn IT- und Techunternehmen stärker mit Pharma- oder Diagnostikfirmen zusam- menarbeiten. Welche weiteren Zukunftstrends kristal- lisieren sich schon heute heraus? Es besteht ein großes gesellschaftliches und politisches Interesse, den Patienten und seine Daten zu schützen. Aber wir benötigen auch Daten von gesunden Men- schen, um Krankheiten besser zu verste- hen. So tauscht sich das Land Hessen mit Vertretern von Wirtschaft und Wissen- schaft intensiv in der IGH aus, wenn es um das Thema „Datenspende“ oder die Bekämpfung von seltenen und auch ver- nachlässigten Krankheiten geht. Wir sehen, dass Kooperation und interdiszi- plinäre Forschung zu ganz wesentlichen Kriterien für Innovationen geworden sind. Ende 2019 haben wir zusammen mit der IGH eine Studie zur Entwicklung der hessi- Einführung schen Gesundheitsindustrie herausge- geben. Hessens Gesundheitsindustrie ist ein wichtiger Faktor für unseren Wirt- schaftsstandort und zeichnet sich beson- ders durch sehr forschungsstarke Unter- nehmen aus. Ein zusätzlicher Zukunfts- trend in der Gesundheit ist die weitere Individualisierung der Medizin. Wir wer- den sicherlich in den nächsten Jahren einen noch breiteren Einsatz von perso- nalisierten Medikamenten erleben, auch außerhalb der Onkologie im Bereich der Stoffwechselerkrankungen oder Erkran- kungen des zentralen Nerven systems. Künftig könnten personenspezifische Datensätze zu Vorerkrankungen und Lebensstilen mithilfe der Digitalisierung in die Wirkstoffentwicklung und Therapie- entwicklung einbezogen werden – viel- leicht irgendwann sogar bis hin zur wirk- lich personalisierten Pille für einen einzel- nen Patienten. Zum Schluss eine Frage mit aktuellem Bezug: Wie können Sie die Corona- Pandemie mithilfe von Digitalisierung bekämpfen? Natürlich haben wir in Hessen starke Pharmafirmen, die daran arbeiten, einen Wirkstoff gegen Corona zu entwickeln – teilweise in starken internationalen Part- nerschaften. Im Technologieland Hessen gibt es darüber hinaus Unternehmen, die sich im Bereich Bioinformatik und digita- len Datenbanken auch mit der Entwick- lung und Anwendung von KI auseinander- setzen und ihre Plattformen in einem Open-Science-Ansatz mit Forschenden tei- len. Das ist für die frühe Entwicklung oder Grundlagenforschung von besonderer Be- deutung. Sicherlich wird künstliche Intelli- genz einen Beitrag bei der Therapieent- wicklung oder der Evaluation von mögli- chen Kombinationstherapien auch im Kampf gegen Corona leisten. Frau Dr. Sameith, herzlichen Dank für das interessante Gespräch. Das Interview führte Holger Garbs. Die neue Broschüre „Personalisierte Medizin in Hessen“ ist ab sofort vorbestellbar: www.technologieland-hessen.de/publikationen Weiterführende Informationen: gesundheitsindustrie-hessen.de/oekonomische-kennzahlen www.technologieland-hessen.de/corona 02-2020 „Smarte Medizin“ ls 21 Künstliche Intelligenz wird in Zukunft diagnos- tische Methoden stark verändern. Innerhalb der personalisierten Medizin finden sich viele interessante Ansätze. Welche davon findet man im Technolo- gieland Hessen? An der TU Darmstadt wird u.a. im Bereich Cyber Security geforscht, in einem Segment, das bei der Sicherung sensibler Patientendaten eine große Rolle spielt. In Sachen personalisierte Medizin sind verschiedenste Forschungsinstitute sehr aktiv in Hessen: Am Georg-Speyer-Haus in Frankfurt ist das Frankfurt Cancer Institut angesiedelt. Interessant ist hier der inter- disziplinäre Ansatz: von der Grundlagen- forschung mit der Frage, wie Krebs eigent- lich entsteht, und dem Verständnis von Zell- und Molekularstrukturen bis hin zur Wirkstoffentwicklung klinischer Erforschung; das Paul-Ehrlich-Institut in Langen, das als oberste Arzneimittelzulas- sungsbehörde für Gentherapien und auch als starker Forschungsstandort maßgeb- lich die personalisierte Medizin voran- bringt. Mit dem Universitätsklinikum Gießen und Marburg haben wir einen weiteren sehr forschungsstarken Standort in Mittelhessen. Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung in Gießen bildet hier einen Forschungsschwerpunkt. Das Insti- tut für Virologie in Marburg mit seinen BSL4-Laboren bildet zusammen mit der Uniklinik in Frankfurt ein Kompetenz- zentrum zur Erforschung und Bekämp- fung der SARS-CoV-2-Pandemie. und Hessen ist traditionell ein starker Stand- ort im Bereich der Biopharmazie. Werden zuvor getrennte Industriezweige zuneh- mend miteinander verschmelzen? Natürlich besitzt jede Branche für sich ein sehr etabliertes Fachwissen und Wert- schöpfungsketten, und es ist wichtig, diese auch zu erhalten. Im Gesundheits- bereich sehen wir im Zuge der Digitali- sierung eine sektorale Verschmelzung, wenn beispielsweise ein internationales Pharmaunternehmen ver- zunehmende

wickelt und eingesetzt werden konnte. Heute können wir im Rahmen einer mole- kularen Tumoruntersuchung routine- mäßig eine Vielzahl von Genvarianten feststellen. So gibt es beispielsweise nicht mehr „den einen Typ“ Lungenkrebs, son- dern viele Subtypen, die alle unterschied- lich behandelt werden können. Deshalb müssen und können wir heute im Bereich der Onkologie viele verschiedene moleku- lare Mechanismen untersuchen, um „state- of-the-art“ behandeln zu können, was z.B. bei fortgeschrittenem Lungenkrebs zu einer erheblichen Verlängerung des Gesamtüberlebens führen kann. Und diese Entwicklung wird mit zunehmenden Erkenntnisgewinnen ständig weitergehen. Wie sieht in Zukunft eine Versorgung aus, die den Fortschritten im Bereich der Genvariantenanalysen Rechnung trägt? Stichwort: Präzisionsmedizin. Um es pointiert auszudrücken: Eine zeit- gemäße und gute Medizin kann es nur geben, wenn auch molekulare Daten syste- matisch in medizinische Entscheidungs- prozesse eingebunden werden. In der Onkologie ist dies bei einer Reihe von Tumorbehandlungen bereits Standard. Andere Bereiche in der Medizin sind in dieser Entwicklung noch zurück, doch auch dort wird es zu dieser Entwicklung keine Alternative geben, wenn es präzisere und bessere Behandlungen und sogar Heilung für bisher schwer behandelbare Erkrankungen geben soll. Was benötigt die Medizin, um diese Entwicklung zugunsten der Versorgung von Patienten einzusetzen? Vor allem eine entsprechende Infrastruk- tur, ein neues Mindset und natürlich die nötige Unterstützung für Ärzte und dieje- nigen, die therapeutische Entscheidungen fällen und unterstützen. Die Infrastruktur muss die ständig mehr und komplexer werdenden nötigen Daten zur Verfügung stellen können. Gleichzeitig müssen diese Daten so verarbeitet und aufbereitet wer- den, dass Ärzte auch in der täglichen Rou- tine gut mit ihnen arbeiten können. Bei einer umfassenden Analyse des Tumor- genoms durch Next Generation Sequencing entstehen riesige Datenmengen. MH Guide kann diese Daten derart interpretieren, dass Ärzte die Ergebnisse für die Behand- lung ihrer Patienten schnell direkt nutzen können. Ärzte erhalten Informationen über die vorhandenen Tumorvarianten und Antworten auf beispielsweise folgende Fragen: Ist ein Wirkstoff gegen diese Gen- variante verfügbar? Welche Arzneimittel- therapien kommen für diesen Tumor infrage? Gibt es Medikamente, die diese Variante angreifen können, die aber vielleicht nicht in dieser Indikation zugelassen sind? Und laufen derzeit klinische Studien, die auf ein Medikament in dieser Indikation zielen und die für den Patienten geeignet wären? Provokant gefragt: Wird vorhandenes Potenzial nicht ausgeschöpft? Das Potenzial wird im Moment sicher nicht ausreichend ausgeschöpft. Es dau- ert leider in Deutschland relativ lange, bis echte Innovationen und Fortschritte in der Medizin nicht nur an Universitäten und Spitzenzentren, sondern auch in der gesamten Breite der Patientenversorgung, ambulant wie stationär, auf dem Land genauso wie in Großstädten eingesetzt werden. Dabei können heute schon alle onkologisch tätigen Ärzte eine Sequenz- analyse des Tumors bei bestehender medizinischer Indikation anfordern. Es gibt in Deutschland derzeit ca. 45 Labore, die solche Untersuchungen durchführen. Wie profitieren Molekularpathologen oder Onkologen von einer Lösung wie MH Guide? Für Molekularpathologen liefert die Ver- wendung von MH Guide die beste Datenqualität bei der Identifizierung und Bewertung der Genvarianten des Tumors. Für den Onkologen bedeutet der Analyse- report von MH Guide, dass er individuali- sierte, umfassende und evidenzbasierte In- formationen zu Therapieoptionen und kli- nischen Studien für seine Patienten erhält. Und welche Potenziale birgt die automa- tisierte Datenanalyse mit Lösungen wie MH Guide darüber hinaus, z.B. in der Wirkstoffentwicklung? In der Zukunft kann MH Guide die Ent- wicklung neuer Arzneimittel und die Pati- entenversorgung eng zusammenbringen. Angenommen, eine umfassende Tumor- sequenzierung und eine MH-Guide-Inter- pretation würden in einer größeren Popu- lation in Deutschland, einem Bundesland oder auch nur einer Region bei allen Krebspatienten in der Routineversorgung eingesetzt werden, dann könnte man auch seltene Tumorvarianten finden und inter- Märkte & Technologien pretieren. Man könnte dann diesen Patien- ten, die diese seltenen Tumorvarianten tragen, schon in der Routineversorgung klinische Studien anbieten und auf diese Weise auch für seltene Tumorvarianten wirksame Arzneimittel entwickeln. Dies würde verhindern, dass diese Arzneimittel exorbitante Kosten verursachen müssten, weil ein guter Teil der teuren Phase-III-Stu- dien im Rahmen der Routineversorgung stattfinden könnte und man nicht extra für klinische Studien Tausende von Patienten sequenzieren müsste, um die ganz weni- gen Patienten mit den seltenen Mutatio- nen zu identifizieren. So könnte man quasi nebenbei die Anforderungen an Phase-III- Studien der Regulierungsbehörden erfül- len, und es wäre für Firmen attraktiver, neue Wirkstoffe auch für eine kleine Gruppe von Patienten zu entwickeln, weil die Kosten vertretbar blieben. Gleichzeitig könnten damit auch die Kosten, die Kran- kenkassen für Arzneimittel gegen seltene Tumorvarianten aufwenden müssen, er- heblich gesenkt werden. Also eine Win- win-Situation für alle – zuallererst für die Patienten, aber auch für die Versicherun- gen, für forschende Arzneimittelhersteller und letztlich die Gesellschaft. Es wäre heute schon möglich, so etwas mithilfe von MH Guide umzusetzen. Welche Rolle werden da noch die Ärzte spielen? Die zentrale Rolle der Ärzte wird auch in der Medizin von morgen definitiv nicht ersetzt. Pathologen oder Onkologen wer- den mitnichten verschwinden. Im Gegen- teil: Ärzte werden mit diesen neuen tech- nischen Lösungen unterstützt. Sie werden bessere Daten und eine bessere Basis zur Verfügung haben, um ihre Entscheidun- gen zu treffen. Das bedeutet auch, dass Mediziner lernen müssen, mit diesen Neu- erungen und Systemen umzugehen. Für die nachkommende Generation ist dies aber schon heute selbstverständlich, und wir sehen, dass auch die Kollegen, die heute die Patientenversorgung sicherstel- len, Tools wie MH Guide – gerade auch, wenn sie benutzerfreundlich und schnell sind – heute schon als Bereicherung empfinden. Herr Dr. Meisel, haben Sie herz lichen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Holger Garbs. 02-2020 „Smarte Medizin“ ls 23

Märkte & Technologien gebunden. Es bedarf also einer alterna- tiven Nukleinsäureamplifikation, die mit weniger apparativem und personellem Einsatz auskommt. Auch hier liefert Soft- ware die Lösung, indem durch eine – idealerweise vollständige – Mikroautoma- tisierung der Nachweis direkt vor Ort durchgeführt werden kann, und zwar schneller, als PCR-Verfahren dies derzeit erlauben. sowohl COVID-19-Innovationen – nur in Verbünden umsetzbar Für die Entwicklung einer validen COVID- 19-Diagnostik, die für das Pandemiemanagement als auch für die Impfstoff- und Therapieentwicklung von hohem Nutzen ist, bedarf es der Kompe- tenz verschiedener Partner aus Medizin und Diagnostik, aus Wissenschaft und Wirtschaft: der akademischen Kompetenz aus Virologie und Epidemiologie, For- schungspartnern zur Etablierung tech- nologischer Plattformen, Diagnostikher- stellern und -zulieferern und eben der Experten aus dem breiten Spektrum der IT. Dieser Weg kann nur in einem struktu- rierten Konsortium beschritten werden, das die gesamte Wertschöpfungskette umfasst und neben den genannten Ent- wicklungspartnern auch die diagnos- tischen Anwender in den Laboren, Gesundheitsämtern etc. im Boot hat. Das DiagnostikNet-BB kann hier auf einige Erfolge verweisen: Das BMBF-unterstützte Zwanzig20-Forum „Initiative für persona- lisierte Diagnostik und Medizin (PARME- NIDes)“ als auch das durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) geförderte und 2019 durch das BMWi mit dem Titel „Netzwerk des Jahres“ ausge- zeichnete Companion Diagnostics Net- work haben hier im Bereich Technologie- transfer hervorragende Arbeit geleistet. EU-MDR wird verschoben – die EU-IVDR muss nachziehen Nicht vergessen darf man an dieser Stelle, dass die Diagnostik- und die Medizintech- nikbranche hohen regulatorischen Auf- lagen unterliegen. Die Corona-Krise verschiebt Prioritäten, auch bei der EU- Kommission. Diese plant, die Frist für die EU-MDR um ein Jahr zu verschieben, um eine reibungslose Lieferung dringend benötigter Medizinprodukte nicht zu gefährden. Auch die Diagnostikfirmen kennen derzeit nur ein Thema: Sie widmen sich wirtschaftlich dringlichen Maßnah- men, die mit dem Coronavirus zusammen- hängen. Folgerichtig fehlt auch ihnen Zeit für eine detaillierte Vorbereitung auf die für das Jahr 2022 umzusetzende EU-IVDR. Das DiagnostikNet-BB fordert daher, die Übergangsfrist bis ins Jahr 2024 auszu- dehnen. Eine zweijährige Verlängerung gibt Unternehmen, benannten Stellen und allen anderen Beteiligten die benötigte Zeit, die Anforderungen zu gestalten und umzusetzen. Es ist zudem absolut essen- ziell, die benannten Stellen mit Kapazitäten auszustatten, die für die Sicherung von Terminen und beherrschbare Kosten sorgen. Gleichzeitig sollte – zumindest temporär – das Pars-pro-toto-Verfahren Anwendung finden. So können In-vitro- Diagnostika gruppiert werden, um den Prüfaufwand zu bewäl tigen. ANZEIGE Plattform Life Sciences Finance Days im Rahmenprogramm der analytica 2020 20. Oktober 2020: Auftaktsession zu den Finance Days 21. Oktober 2020: Wachstums- und Kapitalmarktfinanzierung für Life Sciences Unternehmen 22. Oktober 2020: Personalisierte Medizin – Digitalisierung – Erstattung m o c . e b o d a . k c o t s – l e o p e n a w S n a h o J ; x e A © l : o t o h P NEU! „Start-up Hour“ Unternehmens-Pitch, Q&A, Gründertipps von Experten Messe München Forum Biotech in der Halle A3 20. Oktober bis 22. Oktober 2020 Wo: Wann: Kontakt: Karin Hofelich, Verlagsleitung Life Sciences, Tel.: +49 (0)89- 2000-339-54, hofelich@goingpublic.de Nicole Unger, Business Development, Tel.: +49 (0)89- 2000-339-53, unger@goingpublic.de Sponsoren www.goingpublic.de/finance-days-2020 Start-up Arena zu Sonderkonditionen! Pitch + Stand Jetzt bewerben! Jetzt Sponsoring Exklusive Werbemöglichkeiten auf Anfrage! Finance Area Ausstellungsfläche Sonderkonditionen! für alle zu Jetzt buchen!

Märkte & Technologien dann, wenn man sie nahtlos in den Ver- sorgungsprozess einbringt. Ausblick und nächste Schritte Die erste ePA-Version mag nicht perfekt sein, verfügt aber erst mal über die „nor- mative Kraft des Faktischen“. Bedingt durch den konsequenten Ansatz des Gesundheitsministeriums glaubt kaum noch einer daran, dass die elektronische Patientenakte nicht kommen wird; damit wird dieser Vorstoß unumkehrbar sein. Der weitere Erfolg hängt aber in erster Linie von der Akzeptanz und somit der Nutzung durch den Anwender ab. Es gibt drei Erfolgsfaktoren: Erstens: deutlicher Mehrwert Die Daten müssen „fließen“. Erst durch die Verknüpfung und Weiterverarbeitung von Daten ergeben sich Mehrwerte. Es liegen genügend ausgereifte Ideen von Mehr- wertdiensten, User Journeys, Use Cases in der Schublade bzw. sind „lokal“ bereits vorbereitet. Die ePA muss integraler Bestandteil werden. Der Austausch der Daten muss in den nächsten ePA-Versio- nen am besten auf Basis von Standards möglich werden – also weg vom Dokumen- tenfokus, hin zum prozessualen und damit integralen Versorgungsprozess, und dies mit einfacher Bedienbarkeit. Zweitens: einfache Bedienung Einen komplexen Versorgungsprozess ab- bilden zu können, erfordert eine (komple- xe) Berechtigungssteuerung. Der Sicher- heitsaspekt muss weiterhin einen hohen Stellenwert haben, aber das Ganze muss für den Anwender handhabbar sein. Die- sem Dilemma gilt es Rechnung zu tragen, und es darf nicht als Ausrede gelten, nichts zu tun. Entscheidend für eine einfa- che Bedienung ist eine gute Verknüpfung und Vernetzung im Gesundheitswesen und deren vorhandenen und neuen Appli- kationen. Drittens: Geschwindigkeit Bei allen Aufgaben ist auch die Geschwin- digkeit der weiteren Umsetzungen ent- scheidend. Trotz oder gerade wegen des sport- lichen Zeitplans für die Einführung müs- sen alle Aspekte konstruktiv hinterfragt werden, z.B. Prozessvereinfachungen bei der Zulassung, Reduktion der Gematik- Spezifikationsänderungen, Nutzung von Standards und bestehenden Lösungs- ansätzen. Fazit Nun gilt es, endlich durchzustarten, die hier besprochenen drei Aspekte im „Dreiklang“ anzugehen und unter Berücksich tigung ihrer gegenseitigen Abhängigkeit zu lösen. Sollte dies nicht gelingen, wird sich die „Schwarmintelli- genz“ Google, Amazon, Apple usw. zu- wenden. Datenschutz hin oder her. Die ersten Schritte stimmen zuversichtlich, denn gerade die Corona-Krise hat deut- lich gezeigt, dass es ohne Digitalisierung nicht geht, und im Gesundheitswesen wäre man gerne schon weiter gewesen. Dies sollte gerade unserer Branche ei- nen ordentlichen, nachhaltigen Schub geben. ANZEIGE L B S IFE CIENCES IOÖKONOMIE & Technologieland Hessen Im unterstützen wir die Entwicklung, Anwendung und Vermarktung wichtiger Schlüsseltechno- logien. Wir vernetzen bei Veranstaltungen, unterstützen Messeauftritte, bieten Publikationen und sind Ihr kompetenter Ansprechpartner für den Bereich Pharma- und Diagnostik- industrie sowie Biotechnologie und Bioökonomie in Hessen. www.technologieland-hessen.de J e t z t d i e N e u a u fl a g e d e r B r o s c h ü r e i n H e s s e n “ i s i e r t e M e d i z i n l e n ! „ P e r s o n a l v o r b e s t e l Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen Wirtschaftsförderer für Hessen Projektträger:

Märkte & Technologien den. Durch dieses Teilen und den Aus- tausch von Informationen können auch kleinere Häuser sowie niedergelassene Ärzte an der Expertise ihrer größeren Pendants und der Universitätskliniken teilhaben. Das alles nutzt den Patienten und trägt maßgeblich dazu bei, an struk- turellen Schwächen des Gesundheits- systems, etwa an der medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen, zu arbeiten und medizinisches Expertenwis- sen auch dorthin zu bringen. Insofern ist das Smart Hospital auch ein wesentlicher Treiber von Strukturveränderungen in der deutschen Gesundheitslandschaft. Kernstück elektronische Patientenakte Heute sind mehr als nur die Konturen des Smart Hospital erkennbar. Zahlreiche konkrete Projekte sind beispielsweise an der Universitätsmedizin Essen seit 2015 bereits umgesetzt worden oder befinden sich auf dem Weg. Ein Kernstück ist die elektronische Patientenakte, die Patien- teninformationen in digitaler Form doku- mentiert und nicht nur zum Austausch innerhalb der Klinik, sondern auch zur Interaktion mit niedergelassenen Ärzten, Rehabilitationseinrichtungen und ande- ren Akteuren bereithält. Ein weiteres konkretes Beispiel ist die 2018 eröffnete digitalisierte Zentrale Notaufnahme (ZNA), die durch Vernetzung wesentliche Diag- nostik- und Behandlungspotenziale er- schließt und für die Patienten wertvolle Zeit gewinnt. Auch künstliche Intelligenz wird zunehmend eine wichtige Rolle im Rahmen des Smart Hospital spielen. Aktu- elle konkrete Anwendungen sind etwa die radiologische Bestimmung des Knochen- alters, die Vorhersage des Metastasie- rungsausmaßes, die Diagnostik bestimmter Lungenerkrankungen, eine KI-unterstützte Bewertung des Augenhintergrundes oder der Einsatz von KI zur Erkennung seltener Krankheiten. Virtual Reality im Einsatz Weiterhin setzen wir ein außergewöhn- liches Virtual-Reality-Projekt mit einem Anbieter von 3D-Druck-Technologie und Avataren um. Verschiedene Ärzte, aber auch Mitarbeiter aus anderen Funk- tionsbereichen werden mittels Scan- programm als personalisierte Avatare dargestellt und zur Kommunikation im virtuellen Raum befähigt. Damit können wir Patienten eine lange Anfahrt, belas- tende Wartezeiten und stressige Kurz- beratungen ersparen sowie Spezialisten auch aus der Entfernung einbinden. Zudem wird ein erster Eindruck vermit- telt, wie die Abläufe im Krankenhaus funktionieren. Künftig wird es möglich sein, sich Behandlungsräume oder Beratungszimmer vorab anzuschauen, in der virtuellen Welt an Konferenzen teilzunehmen oder sich als Mitar- beiterin oder Mitarbeiter weiterzu- bilden. Die Universitätsmedizin Essen als Haus der Spitzenmedizin hat den Auftrag, häufig schwer oder mehrfach erkrankten Men- schen zu helfen und im besten Fall voll- ständig zu heilen. Das Smart Hospital wird uns helfen, diese Aufgabe noch besser zu erfüllen. ANZEIGE I6. bis I8. Juni 2020 #DMEAinJune kostenlos auf dmea-sparks.de

sondern können auch für regelbasierte Routinetätigkeiten, wie Datenerfassung, genutzt werden. Robotic Process Automa- tion (RPA) entlastet Mitarbeiter und gewährleistet auch bei hoher Wieder- holungsanzahl identischer Arbeitsschritte eine konsistente hohe Qualität. Außerdem führen herausfordernde und kreative Tätigkeiten, die einem klaren Zweck dienen, zu einer höheren Mitarbeiter- zufriedenheit, wie Daniel Pink1 in seiner Motivation-3.0-Theorie veranschaulicht. Künstliche Intelligenz Gezielter Einsatz von künstlicher Intelli- genz ermöglicht Prozessunterstützung auf einer Datenbasis, die ein einzelner Experte nicht erzielen kann. Dies kann z.B. bei der visuellen Kontrolle zum Einsatz kommen. Mitarbeiter können sich auf Auffälligkei- ten oder Ausnahmen fokussieren. Dieses „Review by Exception“ steigert zum einen die Produktivität und zum anderen die Motivation der Mitarbeiter, da repetitive Aufgaben zuverlässig automatisiert im Hintergrund ablaufen. Informationsaustausch, Smart Workplace bei der Rentschler Biopharma SE Bei der Rentschler Biopharma SE, einem Auftragsentwicklungs- und Produktions- unternehmen (CDMO) für Biopharma- zeutika, steht Smart Workplace für die Gesamtlösung des digitalen Arbeits- platzes. Entlang der gesamten Wertschöp- fungskette unterstützt er den internen und externen die Kommunikation und die Kollaboration. Digitales Arbeiten ermöglicht Rentschler Biopharma, den Kunden agile Lösungen für Prozessentwicklung, Produktion sowie damit verbundene Beratungsleistungen anzubieten – schnell und flexibel, mit hundertprozentiger Kundenorientierung. Der Smart Workplace basiert mit Microsoft Office 365 auf einer generalisti- schen Plattform, die mit einer großen Anzahl an Apps bereits zahlreiche Funkti- onen abdeckt. Ergänzt wird sie von Best- of-Breed-Applikationen zur Abbildung spezifischer Branchen- und Unterneh- mensanforderungen, wie einem Laborin- formations-(LIMS), Qualitätsmanage- ment- und Enterprise-Resource-Planning- (ERP-)System. Spezifische Anforderun- 1) Pink, D. H. (2019): Drive: Was Sie wirklich motiviert (Deutsch). Märkte & Technologien Abb. 1: Dimensionen des Smart Workplace Smart Workplace Kollaboration Prozessautomatisierung Quelle: Rentschler Biopharma SE in die gen, wie elektronische Signaturen, Über- setzungen oder Terminfindungsassisten- ten, werden über Mikroservices abge- deckt. Diese sind einfach zu nutzen und lassen sich gut IT-Landschaft integrieren. Durch die stete Veränderung von Anforderungen, das Aufkommen neuer Technologien und die Weiterentwicklung von Systemen unterliegt auch der Smart Workplace ständiger Veränderung und Weiterentwicklung. So wird aktuell bei- spielsweise evaluiert, wie die manuelle Erfassung umfangreicher Prüfaufträge in LIMS basierend auf strukturierten Prüf- mustern mit RPA automatisiert werden kann. Erfolgsfaktoren Bei Rentschler Biopharma hat sich eine agile, auf konkreten Anwendungsfällen basierende Einführungsmethodik mit akti- ver Benutzereinbeziehung als erfolgreich erwiesen. Während die agile Einführung ein zeitnahes Verproben von Konzepten und Nachsteuern durch die IT ermöglicht, liefert die Einbeziehung von Benutzern gleichzeitig wichtigen Input, schafft Multi- plikatoren für Roll-outs und steigert so die Benutzerakzeptanz. Leitfäden, wie eine Applikationsland- karte, liefern einen Überblick zu den zur Verfügung stehenden Applikationen und stellen dar, welche Anwendungsfälle diese abdecken. Lernpfade bieten passende Schulungen, abhängig vom individuellen Kenntnisstand. Fachbereiche stellen Lö- sungen vor und inspirieren und motivie- ren so andere Abteilungen, diese auf ihre eigenen Bereiche zu transferieren. Die Corona-Krise als Härtetest für den Smart Workplace Selten wurde Unternehmen ihr Digitalisie- rungsgrad so deutlich vor Augen geführt wie in der Corona-Krise. Während manche Unternehmen durch einen Wechsel ins Homeoffice die erforderliche Belegschaft vor Ort auf ein Minimum reduzieren und so den Produktionsbetrieb aufrechterhalten konnten, sahen sich andere durch fehlende Infrastruktur oder papierbasierte Prozesse mit unlösbaren Herausforderungen kon- frontiert. Dabei wurde deutlich, dass ein digitaler Arbeitsplatz nicht mit der Einfüh- rung eines Tools gelöst ist. Vielmehr müs- sen digitale Prozesse etabliert und Mitarbei- ter im effektiven Umgang mit den Applikati- onen geschult sein. Erst dann entfaltet der Smart Workplace sein volles Potenzial. 02-2020 „Smarte Medizin“ ls 31

Recht Im internationalen Vergleich scheint die nationale Lösung im Ergebnis dem Interes- senausgleich zu ent- sprechen, der auch in anderen Ländern vorgenommen wird. verlangt werden. Diese dürfte regelmäßig geringer sein als der Schadensersatz- anspruch, den z.B. ein Patentinhaber wegen einer Patentverletzung geltend machen kann. Der Entschädigungsan- spruch richtet sich letztlich gegen den Bund. Ein Anspruch auf vollständigen Schadensersatz dürfte hingegen nur be- stehen, wenn die Benutzungsanordnung rechtswidrig war. Betroffene Patentinhaber können sich auf unterschiedliche Weise mithilfe von Rechtsmitteln zur Wehr setzen. Eine Benutzungsanordnung kann grundsätz- lich vor einem Verwaltungsgericht ange- fochten werden. Wurde die Benutzungs- anordnung von der Bundesregierung oder einer obersten Bundesbehörde getroffen, ist eine Anfechtung allerdings nur vor dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht, dem Bundesverwaltungsgericht, zulässig. Sofern Streit über die Höhe der ange- messenen Vergütung besteht, ist indes der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet. Im Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass durch die jüngsten gesetzlichen Entwicklungen aktuell eine einschneidende Möglichkeit zur Nutzung von Patenten besteht. internationalen Vergleich scheint die nationale Lösung im Ergebnis allerdings dem Interessenausgleich zu entsprechen, der auch in anderen Län- dern vorgenommen wird. Im Vereinigten Königreich kann die dortige Regierung beispielsweise die sogenannte Crown-use- Regelung aktivieren, um vergleichbare Ergebnisse zu erreichen. 02-2020 „Smarte Medizin“ ls 33 für wenn die Nutzung eines Patents angeord- net würde, um einer zu geringen Zahl an Beatmungsgeräten an COVID-19 Erkrankte abzuhelfen. Bemerkenswert ist die Regelung des ISchG, weil auf Grund- lage des Patentgesetzes allenfalls die Bundesregierung und nicht ein einzelnes Ministerium eine Benutzungsanordnung „im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt“ erlassen darf. Noch dazu wurde das BMG durch das ISchG ermächtigt, eine nachge- ordnete Behörde, z.B. das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), mit der Anordnung einer Benut- zung zu beauftragen. Von dieser Ermäch- tigung wurde bislang indes (noch) kein Gebrauch gemacht. Benutzungsanordnungen dürfen zudem nur getroffen werden, wenn sie Erfindun- gen in Bezug auf Arzneimittel (inkl. Betäu- bungsmittel), die Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffe dafür, Medizinprodukte, Labor- diagnostik, Hilfsmittel, Gegenstände der persönlichen Schutzausrüstung und Des- infektionsmittel betreffen. Von den Regelungen werden nicht nur rein nationale Patente erfasst, sondern auch der deutsche Teil eines europä- ischen Patents. Erfasst werden dürften auch Gebrauchsmuster und die für Arznei- Eine Benutzungsanord- nung richtet sich regel- mäßig gegen einen Patentinhaber oder ggf. gegen den Inhaber einer ausschließlichen Lizenz. mittel besonders wichtigen ergänzenden Schutzzertifikate. Eine Benutzungsanordnung richtet sich regelmäßig gegen einen Patentinhaber oder ggf. gegen den Inhaber einer aus- schließlichen Lizenz. Angeordnet werden darf die unmittelbare Benutzung einer Erfindung durch die Bundesregierung oder eine Behörde. Möglich ist aber eben- falls die Anordnung einer Benutzung durch Dritte, und zwar auch, wenn es sich z.B. um Konkurrenten des Patentinhabers handelt. Entfallen die Voraus- setzungen einer Benut- zungsanordnung, haben die Betroffenen einen Rechts anspruch auf Auf- hebung der Anordnung. Entfallen die Voraussetzungen einer Benutzungsanordnung, weil z.B. das Inte- resse der öffentlichen Wohlfahrt entfallen ist, haben die Betroffenen einen Rechts- anspruch auf Aufhebung der Anordnung. Im ISchG ist vorgesehen, dass der Bundes- tag die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite wieder auf- heben muss, wenn die Voraussetzungen der Feststellung entfallen sind. Wann gilt das Recht auf Entschädigung? Die gesetzlichen Regelungen sehen einen Entschädigungsanspruch vor. Allerdings darf nur eine angemessene Vergütung

m o c . e b o d a . k c o t s – i n a v a T o o m o R l © : n o i t a r t s u l l I auf die Diagnostik und/oder Therapie der Erkrankung beziehen. Dies betrifft neben der wissenschaftlichen Beratung auch Anträge auf die Genehmigung klinischer Prüfungen. Einen Weg zur schnelleren Zulassung eines Arzneimittels oder Impf- stoffs gegen COVID-19 bieten die Behör- den im Einzelfall durch eine beschleunigte Unterlagenprüfung (Accelerated Procedure). BfArM und PEI akzeptieren derzeit die sukzessive Übersendung von zulassungs- relevanten Unterlagen, um die Antrags- prüfung zu beschleunigen. PRIME-Verfahren Im Jahr 2016 hat die EMA das Programm PRIority MEdicines (PRIME) als beschleu- nigtes Zulassungsverfahren für Arzneimit- tel eingeführt, für die ein ungedeckter medizinischer Bedarf besteht. Das PRIME- Verfahren kommt für Arzneimittel in Be- tracht, die der Therapie einer Erkrankung dienen, für die bisher noch keine Behand- lungsoption existiert, oder die gegenüber den bestehenden Behandlungsoptionen einen bedeutenden medizinischen Vorteil aufweisen. Es sieht eine Unterlagenprü- fung innerhalb von 150 Tagen vor. Mehrere Arzneimittel und Impfstoffe, die gegen COVID-19 eingesetzt werden sollen, befin- den sich derzeit im PRIME-Verfahren. Bedingte Zulassung In Ausnahmefällen ermöglicht die EMA die vorläufige bedingte Zulassung eines Arzneimittels. Diese kommt u.a. für Arz- neimittel in Betracht, die in einer durch die WHO oder EU festgestellten Krisen- situation gegen eine Bedrohung der öffent- lichen Gesundheit eingesetzt werden sol- len. Hier dürfte die COVID-19-Pandemie der künftige Lehrbuchfall sein. Die be- dingte Zulassung setzt für das betreffende Arzneimittel mindestens den Nachweis eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis- ses voraus. Sie gilt zunächst für ein Jahr, kann aber verlängert bzw. nach dem erfolgreichen Abschluss der klinischen Prüfung in eine unbedingte Zulassung überführt werden. Die EMA hat die be- dingte Zulassung seit deren Einführung bislang in mehr als 30 Fällen erteilt, im Recht Zusammenhang mit COVID-19 allerdings noch nicht. Fazit Für Arzneimittel und Impfstoffe, die gegen- wärtig zur Behandlung von COVID-19 ent- wickelt werden, existiert eine Reihe von rechtlichen und regulatorischen Mecha- nismen, die im Einzelfall einen schnelleren Marktzugang gewährleisten können. For- schende Unternehmen und Einrichtungen sollten sorgfältig untersuchen und aus- loten, ob im Hinblick auf ihre laufenden und geplanten klinischen Studien zu COVID-19 beschleunigte Prüf- und Zulas- sungsverfahren oder sonstige Verfahrens- erleichterungen in Betracht kommen. ANZEIGE Mehr gute Nachrichten? Wir arbeiten daran! www.bpi.de Die pharmazeutische Industrie versetzt Menschen in die Lage, mit Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Krebs ein weitgehend normales Leben zu führen. Sie forscht nach neuen Wirkstoffen, entwi- ckelt bekannte Wirkstoffe weiter, gestaltet deren Anwendung patien- tenorientierter und findet neue Therapien. Die pharma zeutische Industrie hat einen großen Anteil am gesundheitlichen Wohlergehen der Menschen. Für ihre Belange setzen wir uns in Politik und Gesellschaft ein.

nifikant entlastet. Mit intelligenten Algo- rithmen können prädiktive und präventive Informationen bzw. Prozesse auf mobilen Geräten am Patientenbett bereitgestellt werden. Durch die hohe Interoperabilität kann die Software zudem mit KIS-Syste- men, smarten Pflegetechnologien und Sensoren interagieren. Neben der stationären Versorgung im Krankenhaus verändert die Digitalisie- rung auch Arbeitsroutinen in Pflege- einrichtungen. Ein Beispiel stellt das von der Media4Care GmbH entwickelte tablet- basierte Assistenzsystem dar, das die Betreuung von Senioren in Pflegeeinrich- tungen erleichtert und dabei die Inter- aktion zugewandt gestaltet. Es besteht aus einem Unterhal- tungsprogramm mit seniorengerechten Kommunikationsfunktionen und kommt in mehr als 4.000 Pflegeeinrichtungen zum Einsatz. Familienmitglieder nutzen es ebenfalls, um mit ihren Angehörigen Videotelefonate zu führen und Fotos aus- zutauschen, wodurch in Zeiten von z.T. drastischen Kontaktsperren ein wesent- empathisch und Im deutschen Markt ist großes Interesse und Engagement bei der digi- talen Gesundheitsversor- gung zu beobachten. licher Beitrag für das Wohlergehen der Senioren geleistet wird. Netzwerke ermöglichen Marktzugang Erfreulicherweise ist im deutschen Markt großes Interesse und Engagement bei der digitalen Gesundheitsversorgung zu beobachten. So haben Pharmaunterneh- men wie Bayer den Accelerator „Grants-4- Apps“ oder Pfizer ihren „Healthcare Hub“ gestartet, um am Potenzial der digitalen Anwendungen der Start-ups zu partizipie- Finanzierung ren. Die Helios-Gruppe hat den „Helios Hub“ eingerichtet, der Gründern die Mög- lichkeit eröffnet, ihre Produkte in Rollouts auf Praxistauglichkeit und Relevanz zu testen; und das Gesundheitsministerium (BMG) hat den „Health Innovation Hub“ geschaffen, der Start-ups und Stake- holdern als Brücke dienen soll. So wurde eine Roadshow zu allen deutschen Gesundheitsclustern organisiert, um das im November 2019 verabschiedete Digitale- Versorgung-Gesetz (DVG) vorzustellen. Mit diesem hat Deutschland in Europa die Vorreiterrolle für einen klaren Weg zur Kostenerstattung von Apps übernommen. Last but not least kündigten die Berliner Inkubatoren Flying Health und Heartbeat Labs 2019 an, dass sie gemein- sam „heal capital“, einen von den privaten Krankenkassen finanzierten 100-Mio.- EUR-Fonds, verwalten werden. Derselbe wird sich auf Spätphaseninvestitionen in digitale Gesundheitsanwendungen, Tele- medizin sowie digitale Prävention konzen- trieren und schließt damit eine wichtige Lücke in der deutschen VC-Landschaft. ANZEIGE Biotechnologie 2020 (22. Jg.) GEDRUCKT + E-MAGAZIN + WEB Digitale Version: Erweitert um multimediale Inhalte und Funktionen – ideal zum mobilen Lesen! Erscheinungstermin 26. September 2020 September 2020 – 12,50 EUR (D) – www.plattform-lifesciences.de 3 Plattform Life Sciences Technologie – Finanzierung – Investment Anzeigenschluss 14. September 2020 Ansprechpartner Biotechnologie 2020 22. Jahrgang Paradigmenwechsel Experten-Talk Gentherapie als Chance auf Heilung Nationale Sichtweisen sind nicht hilfreich Vorschau Wird 2020 das Jahr der Bioökonomie? September 2020 – 12,50 EUR (D) – www.plattform-lifesciences.de 3 Plattform Life Sciences Technologie – Finanzierung – Investment Biotechnologie 2020 BBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBiioote ech 22. Jahrgang 2222222222222.222222222222222222222222 Jaahrgg gang Paradigmenwechsel Experten-Talk Gentherapie als Chance auf Heilung Nationale Sichtweisen sind nicht hilfreich Vorschau Wird 2020 das Jahr der Bioökonomie? m o c . e b o d a . k c o t s - r e h t a M © i : o t o F Karin Hofelich, Verlagsleiterin Life Sciences iences hofelich@goingpublic.de, Tel.: +49 (0) 89-2000 339-54 c Nicole Unger, Managerin Business Development NiNicocolele UUngngerer, MManag unger@goingpublic.de, Tel.: +49 (0) 89-2000 339-53 erin Vorbestellungen über www.goingpublic.de/ls-shop

wesens verfolgt nicht das Ziel, Mediziner oder Pflegepersonal zu ersetzen. Das Ziel ist vielmehr, Ärzten mithilfe digitaler Tools und Technologien mehr Zeit mit den Patienten zu ermöglichen. Die Zukunft der Gesundheitsversorgung werden also kombinierte Online-offline-Provider sein. Künftig heißt das: Ein Patient wird per digitaler Triage in das System aufgenom- men. Anschließend begleiten digitale Tools Arzt und Patienten entlang des Behandlungspfads, sammeln und bündeln (mit dem Einverständnis des Patienten) relevante Daten, schlagen direkt die Die Digitalisierung des Gesundheits wesens ver- folgt nicht das Ziel, Medi- ziner oder Pflegepersonal zu ersetzen. Brücke zu den Versicherungen und begleiten schließlich Medikation und Über wachung nach ambulanter oder statio närer Versor- gung. Offline-online-Player werden dabei sowohl digitale Lösungen nutzen, die direkt mit dem Patienten interagieren (B2B2C), als auch Tools mit Fokus auf Abläufe und Pro- zesse (B2B), wie z.B. KI-basierte Diagnose, medizinische Kommunikationstools, Praxis- software oder Bettenmanagement. Smarte Medizin ist datengetrieben Im Zuge dieser drei Trends ist die systema- tische Datenerhebung von allerhöchster Relevanz: Wenn Deutschland ein echter Vorreiter in Sachen Digital Health werden will, wird es erforderlich sein, einen balan- cierten Datenschutz zu definieren, der die Schutzrechte des Einzelnen gewährleistet und gleichzeitig datengetriebenen medizi- nischen Fortschritt erlaubt. Ein besonders akutes Beispiel: Stellen wir uns nur einmal vor, es gäbe schon heute systematisch auf- gebaute Datenbanken, die den Einfluss von Disposition, Verhaltensweisen und Medikation in Bezug auf COVID-19-Verläu- Finanzierung Das Ziel ist, Ärzten mit- hilfe digitaler Tools und Technologien mehr Zeit mit den Patienten zu ermöglichen. fe tracken und auswerten. Die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen gegen das Virus könnte auf Basis der in den Datenbanken gesammel- ten Informationen wesentlich schneller erfolgen. Allein dieses Beispiel verdeut- licht: Der medizinische Fortschritt durch eine wirklich datengetriebene und zu- gleich wertorientierte Gesundheitsversor- gung kommt einer kopernikanischen Wen- dung gleich. Aus gesellschaftlicher Sicht sind wir nicht nur dem Schutz der Persön- lichkeitsrechte, sondern auch dem Ermög- lichen dieser Wendung verpflichtet. ANZEIGE AKTUELL Am 16. Mai 2020 erscheint die neue Ausgabe der Plattform Life Sciences 2/20 "Smarte Medizin" und kann bereits zum Angebotspreis vorbestellt werden: zum Shop & Abonnement Liebe Leserinnen und Leser, es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis diese Einleitung inhaltlich und sprachlich ohne Corona auskommt. Auch in der aktuellen Ausgabe unseres Newsletter dreht sich vieles um die Pandemie. Zum Beispiel beleuchten Marc. L. Holtorf und Dr. Julia Traumann von der internationalen Kanzlei Pinsent Masons wichtige Rechtsfragen, die im Zusammenhang mit Corona neu gestellt und verhandelt werden. Ist etwa der Patentschutz in Gefahr? Unsere Kollegin Nicole Unger bringt Sie in unserem bekannten Corona-Update auf den neuesten Stand der Dinge. neuesten St Welche Ausw Welche Auswirkungen die geplanten Änderungen am Außenw am Außenwirtschaftsgesetz für die Bereiche Venture Capital und Biotechnologie in Venture Cap Deutschland haben werden, erklären Ulrike Deutschland Hinrichs, geschäftsführendes Vorstandsmitglied Hinrichs, ge des Bundesverbands Deutscher des Bundesv Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) und Dr. Kapitalbetei Viola Bronsema, Geschäftsführerin von BIO Viola Bronse Deutschland im Interview. Deutschland Derweil konnten deutsche Biotech-Unternehmen Derweil kon im vergangenen Jahr laut aktuellem im vergange Biotechnologie-Report von EY in Zusammenarbeit Biotechnolo mit BIO Deutschland insgesamt 856 Mio. EUR mit BIO Deu Der kostenfreie Newsletter von www.plattform-lifesciences.de informiert zweimal im Monat mit ◆ aktuellen News und Hintergrundberichten, ◆ Übersicht zu Finanzierungsrunden aus den Life Sciences, ◆ Event-Ankündigungen und exklusiven Rabatt-Codes, ◆ ausgewählten Stellenanzeigen, ◆ Hinweisen auf neue Life Sciences-Ausgaben ◆ und ganz neu dem Corona-Update zu den Fortschritten in Wissenschaft und den Initiativen zur Bekämpfung der Pandemie. Jetzt kostenlos anmelden! www.goingpublic.de/newsletter

Abb. 1: Kurzprofil Thryve mHealth Pioneers Thryve (zuvor: &gesund) Körtestraße 10 | 10967 Berlin Gründung 2016 aus dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung Gründer Friedrich Lämmel, Paul Burggraf und John Trimpop Anwendungsbereich datengestützte digitale Gesundheitsversorgung Teamgröße Kapital mehr als zehn Mitarbeiter Seedfinanzierung: einstellige Millionenhöhe (seed + speed Ventures mit Carsten Maschmeyer, Digital- Health-Investor Min-Sung Sean Kim, Grönemeyer- Gruppe, Aschendorff NEXT und Altgesellschafter building10) Quellen: Thryve (https://thryve.health) und mHealth Algorithmus zur Erkennung grippe- ähnlicher Symptome entwickelt, der dann proaktiv dem Robert-Koch-Institut (RKI) vorgestellt wurde. Die seit Anfang April erhältliche Anwendung wurde vom RKI gemeinsam mit Thryve und unter Einbe- ziehung des Bundesdatenschutzbeauf- tragten weiter ausgebaut und soll ergän- zende Informationen dazu liefern, wo und wie schnell sich das Coronavirus in Deutschland ausbreitet. Insgesamt zählt die App bereits mehr als 500.000 Nutzer und spendet so ihre Daten an die For- schung. Neuer branchenübergreifender Accelerator Ein weiterer de:hub ist der Digital Health Hub Nürnberg/Erlangen, der sich auf die Digitalisierung des Gesundheitssektors spezialisiert hat. In Zusammenarbeit mit dem Digital-Medizinischen Anwendungs- Centrum (dmac) Medical Valley Digital Health Application Center, Teil des Digital Health Hub Nürnberg/Erlangen, ruft der ITHM einen neuen branchenübergreifen- den Accelerator für das zweite Halbjahr 2020 ins Leben. Das Innovations programm „H +“ will Start-ups im Bereich der digita- len Gesundheit bei der Entwicklung ihres Geschäftsmodells sowie beim Zugang zum digitalen Gesundheitsmarkt in Deutsch- land unterstützen – ein Feld, dem nicht erst durch die Erfahrung mit dem Corona- virus, sondern auch durch das neue Digi- tale-Versorgung-Gesetz (DVG) zahlreiche neue Möglichkeiten offenstehen. Durch die Kooperationen der zwei bayerischen de:hubs sollen die Teilneh- mer einerseits von der medizinischen Expertise von dmac und Digital Health Hub im Gesundheitssektor profitieren sowie andererseits von den Erfahrungen des ITHM mit Innovationen in der Versiche- rungsbranche. „Wir ergänzen uns perfekt, sodass eine Win-win-Situation für alle Be- Teilnehmer am 1. Pitch Event des laufenden Innovation Programms 2020 Finanzierung Marco Wendel, CEO dmac, Medical Valley Digital Health Application Center teiligten entsteht“, stellt Marco Wendel, CEO des dmac, fest. Bis Ende Mai können sich interessierte Start-ups bewerben, um intensiv an der Skalierung ihres Geschäftsmodells zu arbeiten. Hierzu werden sie sowohl in München als auch in der Medi- cal Valley Europä- ische Metropolre- gion Nürnberg auf Mentoren, Investo- ren und Branchen- vertreter treffen. Nach der Aufnahme in das Programm soll den Start-ups ein fünfstufiger, über vier Monate laufender Lehrplan angeboten werden, der Unternehmergeist, Risiko- kenntnisse, Spezialwissen zu Zulassungs- verfahren und Erstattung sowie individu- ell zugeschnit tene Mentoring- und Netz- werkaktivitäten, Partnervalidierung und die Chance auf ein mögliches Investment umfasst und so die interdisziplinäre Zu- sammenarbeit sti- muliert. Ben Shaw, Director Program- me und Strategie des ITHM, sagt dazu: „Durch die Corona-Krise haben wir unser Angebot – sowohl Lehrin- halte als auch Ge- spräche mit Versi- cherern, Investo- ren und Mentoren – weitestgehend digitalisiert. Dadurch fällt internationalen Start-ups, die oft die Hälfte unseres Teilnehmerfeldes darstellen, die Partizipation sogar leichter als in der Ver- gangenheit.“ Shaw erklärt weiter: „Mit H + legen wir den Fokus auf ein Thema, das nicht nur für unsere Partner, die Kranken- oder Lebensversicherungen anbieten, von entscheidender Bedeutung ist, sondern für jeden Einzelnen von uns.“ Internationalität wird großgeschrieben, um die Ideen der Jungunternehmen aus al- ler Welt nach Deutschland zu holen und die Digitalisierung so weiter voranzutreiben. Die aus dem Silicon Valley stammende Platt- form Plug and Play Tech Center betreibt am Standort München – in Kooperation mit dem ITHM – bereits den europaweiten Insurtech Europe Accelerator. Ben Shaw, Director Programs & Strategy des InsurTech Hub Munich e.V. 02-2020 „Smarte Medizin“ ls 41 R E B U H H C A B P P L H P © I I : o t o F

ten angehen. Wichtig ist das auch hinsicht- lich der Wirksamkeit, wenn es in Zukunft zu Genmutationen beim Coronavirus kommen sollte“, so Mario Linimeier, Geschäftsführer und Fondsmanager bei Medical Strategy. Eine andere Art von Virenblockern gegen COVID-19 entwickelt die österrei- chische Biotechfirma APEIRON Biologics. Deren Präparat APN 01 imitiert das Enzym ACE2, das den SARS-Viren die sprichwört- lichen Türen in die Wirtszellen öffnet. Da- mit bindet es die Viren an sich und verhin- dert eine Infektion. Darüber hinaus soll der Wirkmechanismus eine schwere Ent- zündungsreaktion der Lunge verhindern, welche bei COVID-19 zu Multiorganver- sagen führen kann. APEIRON hat im April eine klinische Phase-II-Studie mit 200 Pati- enten in drei europäischen Ländern ge- startet. APN 01 könnte im Erfolgsfall für die stationäre Behandlung von Erkrankten infrage kommen, bei denen die Erkran- kung noch nicht zu einem lebensbedroh- lichen Zustand geführt hat. Dass APEIRON die Substanz 2019 vom Kooperationspart- ner GlaxoSmithKline einlizenzierte, könn- te sich als Glücksgriff erweisen. … und Impfstoffe als Dauerschutz Nur eine dauerhafte Immunität wird je- doch die Weltbevölkerung vor medizini- schen Schäden durch COVID-19 bewah- ren. Aktuell laufen weltweit rund 115 Impf- stoffprojekte gegen die Krankheit; zehn davon befinden sich in der klinischen Ent- wicklung. Die verschiedenen Ansätze rei- chen von Antikörpern über RNA-Vakzine bis zu Immunglobulinen. Bei der passiven Immunisierung erhalten die zu impfenden Personen Antikörperkonzentrate oder das Blutplasma von Personen, die als Genesene eine Immunität gegen die Virusinfektion entwickelt haben. Wie lange eine auf diese Weise aufgebaute Immunisierung gegen COVID-19 währt, ist noch ungeklärt. Als Vorreiter gelten Takeda Pharma, Regene- ron Pharma, WuXi Biologics und Vir Pharma. Die aktive Immunisierung soll bewir- ken, dass das menschliche Immunsystem nach dem Kontakt mit Fragmenten oder abgeschwächten Formen des Coronavirus Antikörper entwickelt. Medizinische Ex- perten gehen bei herkömmlichen Vakzinen von einem Zeitraum von mindestens zwölf bis 18 Monaten bis zur Zulassung aus. Zu den aussichtsreichsten Akteuren zählen hier die Pharmakonzerne Johnson & Johnson, Merck & Co. sowie Sanofi. Eine gegenüber herkömmlichen Verfah- ren kürzere Entwicklungszeit erhoffen sich die Firmen, die neuartige mRNA- basierte Impfstoffe entwickeln. Die RNA bildet die Schaltstelle für die Übersetzung von Genen in Eiweißstoffe. mRNA soll die Zellen des Immunsystems indirekt anre- gen, Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu bil- den. Die Mainzer Biotechfirma BioNTech, die im Oktober 2019 ihr Börsendebüt an der Nasdaq gefeiert hatte, hat im April mit der ersten klinischen Studie begonnen. Mit dem US-Pharmakonzern Pfizer und Fosun Pharma aus China hat BioNTech Entwicklungs- und Vermarktungspartner- schaften abgeschlossen. Sollte der mRNA- Impfstoff BNT162 noch im Herbst positive zulassungsrelevante Ergebnisse liefern, so die optimistische Einschätzung von Pfi- zer, könnte der Kandidat noch in diesem Jahr zugelassen werden. Auch die Oxford THERAPIEFORMEN Mit den verschiedenen Ansätzen wird versucht, in unterschiedliche Phasen des Krankheits- verlaufs einzugreifen. Notfallmedizin: Entzündungshemmer sollen schwerwiegende Lungenschäden und über- schießende Immunreaktionen verhindern. Virostatika unterbinden den Vermehrungsprozess der Viren, indem sie einzelne Enzyme oder Proteine blockieren oder per RNA-Interferenz die für diese Replikation zuständigen Gene ausschalten (drei oder mehr Monate bis Zulassung). Passive Immunisierung verwendet Antikörperkonzentrate oder Blutplasma von Personen, die eine Immunität gegen die Virusinfektion entwickelt haben. Wie lange eine auf diese Weise aufgebaute Immunisierung gegen COVID-19 anhält, ist noch ungeklärt (zwölf oder mehr Monate). Aktive Immunisierung gilt als das zuverlässigste Verfahren zur dauerhaften Verhinderung von Vireninfektionen. Die größte Zahl an Impfstoffen wird hier entwickelt. Biotechs for- schen an neuartigen RNA-Vakzinen und Technologien, die das Immunsystem stimulieren (18+ Monate). Kapitalmarkt & Investment University spricht davon, bereits im Sep- tember einen Impfstoff zur Verfügung zu haben. Dagegen will CureVac aus Tübin- gen in Kürze klinische Studien mit einem mRNA-Impfstoff starten. Am weitesten fortgeschritten mit der mRNA-Technologie ist jedoch eine US-Firma: Moderna hat im März mit der ersten klini- schen Studie zu Wirksamkeit und Verträg- lichkeit begonnen. Einen positiven Verlauf vorausgesetzt, soll noch im zweiten Quar- tal eine breiter angelegte Wirksamkeits- studie starten. Liegen bis zum Jahresende positive Ergebnisse vor, bilden sie die Basis für eine zeitnahe Zulassung. Damit könnten Risikogruppen bei einer zweiten Infektionswelle noch im Winter geimpft werden. Eine kürzlich abgeschlossene Kooperation mit dem Medikamentenher- steller Lonza, die auf zehn Jahre angelegt ist, sichert die jährliche Produktion von bis zu 1 Mrd. Impfstoffdosen. Angesichts der Notwendigkeit, Milliarden von Men- schen zu impfen, ist der Markt groß genug für mehrere Produkte. „Die Mehrheit der Impfstoffe zielt auf die Spike-Struktur des Coronavirus ab, keine größeren Differen- zierungsmöglichkeiten beim Großteil die- ser Kandidaten“, ist sich Branchenexperte Linimeier sicher. COVID-19 wird kein großer Renditetreiber So groß der Bedarf an wirkungsvollen COVID-19-Therapien, so unsicher ist der kommerzielle Nutzen für die Protagonis- ten. „Wir gehen davon aus, dass viele Fir- men mit spezifischen Produkten gegen COVID-19 kaum nachhaltige Geschäfts- modelle betreiben können. Wegen des poli- tischen und gesellschaftlichen Drucks wer- den viele Protagonisten die Produkte wahr- scheinlich mehr oder weniger zu Herstel- lungskosten verkaufen“, ist Dr. Daniel Koller, Leiter des Portfoliomanagements von BB Biotech, überzeugt. Ungeachtet dessen, welche Firmen und Forschungs- institute den Kampf gegen das Coronavirus prägen werden, ist eines gewiss: Die Suche nach schlagkräftigen Therapien ist eine Chance für die Medikamentenforschung, die öffentliche Meinung positiv zu beein- flussen. Ziel muss es sein, dass die biophar- mazeutische Industrie wieder verstärkt als Akteur wahrgenommen wird, der wertvolle Lösungen für medizinische Herausforde- rungen anbieten kann und nicht nur auf Gewinnmaximierung aus ist. 02-2020 „Smarte Medizin“ ls 45

attraktiven Bewertung versehen – dies hat sich nun im Verlauf der Korrektur noch weiter akzentuiert. Die aktuelle Sektor- bewertung befindet sich auf historisch niedrigen Niveaus. So kommen alle im NASDAQ Biotechnology Index enthaltenen profitablen Biotechgesellschaften auf ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhält- nis von 13 für das Jahr 2021. Small- und Mid Caps wurden vom Abwärtstrend stär- ker getroffen. Meist handelt es sich aber um einen unspezifischen Ausverkauf von Aktien, der wenig mit der fundamentalen Werthaltigkeit der Unternehmen zu tun hat. Sorgen bereiten die Fragen, ob sich kleinere Firmen weiter finanzieren können und ob die frühen klinischen Studien unterbrochen oder verzögert werden. Auch Unternehmen, welche in diesen Tagen Produkte lanciert haben, leiden unter dieser zusätzlichen Unsicherheit – der Fokus ist auf COVID-19 gerichtet. Wir sind überzeugt, dass es sich um eine kurz- fristige, durch das negative Sentiment der Investoren bedingte Bewegung handelt. Die Unternehmen in unserem Portfolio sind fundamental gut aufgestellt und verfügen in der Mehrheit über eine solide Finanzierungslage. Der Investment Case ist intakt, und wir erwarten von den Unter- nehmen ein großes Wachstumspotenzial, getrieben von der Innovationsstärke, die sich vor allem in den vielversprechenden neuen Technologien abzeichnet. Dazu gehört beispielweise auch die nun in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerückte mRNA-Technologie, auf der ein möglicher Impfstoff der US-Firma Moderna beruhen könnte. Dieser neuartige Ansatz erlaubt die Herstellung von Proteinen, die Patienten aufgrund genetischer Defekte im Erbgut nicht selbst herstellen können. Bei den mRNA-Therapien wird eine Boten- RNA extern eingespeist, um einzelne Pro- teine herzustellen. Hoffnungskandidat Moderna Der mRNA-Impfstoff (mRNA-1273) des Unternehmens wird gegen das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) im Rahmen der entsprechenden Phase-I-Studie erstmals an Menschen getestet. Bei mRNA-1273 handelt es sich um einen mRNA-Impfstoff, der eine präfusionsstabilisierte Form des Spike-Proteins (S) von SARS-CoV-2 codiert. Die Phase-I-Studie untersucht die klini- sche Sicherheit und Immunogenität von drei Dosierungen des Impfstoffs, wobei Kapitalmarkt & Investment BioNTech AG (WKN A2PSR2) Quelle: Tai-Pan die Probanden zwei Impfdosen im Ab- stand von 28 Tagen erhalten. Insgesamt nehmen 45 gesunde, erwachsene Proban- den an der Studie teil, die die Sicherheit eines Zwei-Dosen-Impfschemas und die Immunogenität gegen das S-Protein von SARS-CoV-2 untersucht. Die Gesellschaft hat im März mit klinischen Tests begon- nen und wird beobachten, ob diese Anti- körper gegen das Coronavirus bilden. Im Erfolgsfall kann im Sommer eine breiter angelegte Wirksamkeitsstudie mit dem allenfalls zweimal verabreichten Impfstoff folgen. Um die Zeitachse zu verkürzen, muss wohl die US-Zulassungsbehörde FDA auf gewisse regulatorische Kriterien verzichten, wie etwa auf den Vergleich der Infektionsverläufe bei Geimpften und Ungeimpften. Im Idealfall liegen die weite- ren Studienergebnisse im vierten Quartal dieses Jahres vor und bilden dann die Basis für eine schnelle Zulassung. Risiko- gruppen könnten somit bei einer eventuel- len zweiten Infektionswelle zeitnah ge- impft werden. Ein solcher Schritt ist zu- dem nur möglich, weil Moderna frühzeitig in Herstellungskapazitäten investiert hat. Die Firma wäre deshalb auf Sicht der nächsten sechs bis zwölf Monate in der Lage, 100 Mio. Dosen für 50 Mio. Personen zu liefern. Moderna hat inzwischen auch die Zusage der US-Regierung für 483 Mio. USD erhalten, um den Impfstoffkandidaten weiterzuentwickeln. Andere Biotechfirmen wie CureVac, BioNTech und Translation Bio befinden sich mit ihren Vakzinen auf der Basis von mRNA-Technologien noch in der präklini- schen Entwicklung. BB Biotech ist seit 2018 in Moderna investiert, überzeugt vom Erfolg der mRNA-Technologieplattform als Ganzes. Die weiteren laufenden Projekte gegen COVID-19 sind für BB Biotech kein Anlass, in diese Firmen zu investieren. Nach unse- rer Einschätzung werden zahlreiche Bio- techs mit spezifischen Produkten gegen das Coronavirus kaum nachhaltig ren- table Geschäftsmodelle realisieren. Ein wesentlicher Grund dafür besteht darin, dass die Therapien wegen des gesell- schaftlichen Drucks mehr oder weniger zu Herstellungskosten verkauft werden müs- sen. Auswirkungen der Corona-Krise auf Zulassungen Die Auswirkung des Virus auf die öffent- liche Verwaltung ist schwer einzuschät- zen. Wir rechnen sicherlich mit einer allgemeinen Verlangsamung der Prozesse, erwarten jedoch, dass mögliche Verzöge- rungen bei Behörden in diesen Monaten im weiteren Verlauf des Jahres wieder auf- holbar sind – die FDA hat beispielsweise allein im vierten Quartal des vergangenen Jahres 20 Medikamente zugelassen. Darü- ber hinaus kann die Krisensituation die Prozesse auch beschleunigen, wie das Beispiel Moderna zeigt. In diesem Fall ha- ben die Behörden Ausnahmen gemacht, sodass der Impfstoffkandidat in nur 40 Tagen Entwicklungszeit mit einer Phase I beginnen konnte. 02-2020 „Smarte Medizin“ ls 47

Erfolgsaussichten der Programme lassen sich daher noch nicht beurteilen. GlaxoSmithKline (WKN 940561) Kapitalmarkt & Investment Vektorbasierte Verfahren: Technologie bereits validiert Andere Unternehmen setzen auf adeno- virusbasierte Verfahren. Zwei Impfstoffe aus dieser Klasse werden in England und China klinisch erprobt. Der Vorteil: Der grundsätzliche Nachweis, dass diese Technologie funktioniert, ist bereits er- bracht. Die Oxford University erzielte damit bei der ebenfalls durch Coronaviren ausgelösten Lungenkrankheit MERS be- reits gute erste Ergebnisse. Zudem hat Johnson & Johnson vor einigen Monaten den europäischen Zulassungsantrag für seinen vektorbasierten Ebola-Impfstoff eingereicht. Rekombinante Impfstoffe: Kooperation zweier Giganten Einen weiteren Ansatz stellen rekombi- nante Impfstoffe dar, die ihren traditionel- len Pendants ähneln. Diese Technologie wird bereits zur Herstellung des Grippe- impfstoffs verwendet. Zur Entwicklung eines entsprechenden Präparats haben zwei der größten Impfstoffentwickler der Welt, Sanofi und GlaxoSmithKline, eine Allianz gebildet. Der Start klinischer Tests ist für die zweite Jahreshälfte geplant. Impfstoff möglicherweise schon zum Jahresende verfügbar Die Forschung läuft also auf Hochtouren – doch die Entwicklung eines Impfstoffs dauert im Normalfall rund zehn Jahre. In Quelle: Tai-Pan der Regel erfolgt nach der zweiten klini- schen Testphase eine groß angelegte Phase-III-Studie, um die Wirksamkeit und Sicherheit zu verifizieren. Inwieweit bei der Corona-Pandemie zur Zeitersparnis darauf verzichtet werden kann, ist derzeit noch unklar. Zur Beschleunigung des Testverfah- rens diskutieren Gesundheitsexperten auch über eine sogenannte Human-Chal- lenge-Studie. Hierbei würden gesunde Probanden bewusst im Labor dem Virus ausgesetzt werden, um die Wirksamkeit des Impfstoffs zu demonstrieren. Läuft bei dessen Entwicklung alles optimal, könnte zum Jahresende ein Prä- parat zur Verfügung stehen. Moderna und Tab. 1: Vielversprechende Covid-19 Impfstoffkandidaten Unternehmen Partner Technologie Beginn kli- nische Studie Validierte Technologie* Moderna BioNTech Curevac Lonza Pfizer, Fosun Pharma – Translate Bio Sanofi Inovio – mRNA mRNA mRNA mRNA DNA Oxford University Astra Zeneca, Serum Institute of India Adeno-Virus April April Sommer Jahresende April April Johnson & Johnson Emergent Biosolutions Adeno-Virus September CanSino Biologics – Adeno-Virus April Novavax Sanofi Sinovac Biotech Emergent Biosolutions Rekombinante Plattform Mai GSK – Rekombinante Plattform 2. Jahreshälfte Inaktiviertes Virus April Nein Nein Nein Nein Nein Nein Ja Ja Ja Ja Ja *) Zugelassener Impfstoff oder positive Phase-III-Studie Quelle: Union Investment, Unternehmensangaben JNJ haben mit erheblicher finanzieller Unterstützung der US-Regierung bereits mit dem Aufbau von Produktionskapazitä- ten begonnen, ohne zu wissen, ob ihr Impf- stoff funktioniert. Risiken und offene Fragen Verzögert werden könnte die Entwicklung durch Komplikationen. So bilden manche Impfstoffe infektionsverstärkende Anti- körper, die bei einer Infektion den Krank- heitsverlauf verschlimmern. Dies trat jüngst bei einem Dengue-Impfstoff von Sanofi auf und führte kurz nach der Zulas- sung zu einem Vertriebsverbot auf den Philippinen. Damit nicht genug der offenen Fragen: Wie lange hält die Immunantwort nach einer Impfung an? Muss wegen Virusmu- tationen jährlich ein neuer Impfstoff her- gestellt werden? Und: Fast alle Impfstoff- projekte zielen auf ein bestimmtes Ober- flächenprotein des Virus, das Spike- Protein – ist dies das richtige Ziel- molekül? Fazit Das Rennen um die erfolgreiche Entwick- lung eines Corona-Impfstoffs hat gerade erst begonnen. Noch lässt sich nicht abse- hen, wer Erfolg haben könnte. Zudem muss Geschwindigkeit nicht unbedingt auch mit größter Wirksamkeit überein- stimmen. Ausschlaggebend wird auch sein, wer ausreichende Mengen produzie- ren kann und wie der Impfstoff weltweit verteilt wird. 02-2020 „Smarte Medizin“ ls 49

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