Dezember 2020 – 12,50 EUR (D) – www.goingpublic.de Dez Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen Das Kapitalmarktmagazin GoingPublic Magazin Kommt nach der Ebbe die IPO-Flut? Von der deutschen IPO-Flaute 2020, Gewinnern und Verlierern der Krise und der Hoffnung auf ein Hoch 2021 Mittelstand goes grün Hauptversammlung goes online Real Estate goes digital Studie zur Nachhaltigkeit Aktionäre sollten entscheiden Industrie macht sich auf in die Zukunft

Always look on the bright side Liebe Leserinnen und Leser, Lockdown als Anfang November als Antwort auf die steigende Zahl an Corona-Infektionen ein neuer verhängt wurde, brachte es eine kleine fatalistische Aus- sage zum Internet-Hit. Die ging so: „Also kurz: Es ist wieder alles verboten außer der Arbeit. Kann ich mir merken.“ Das Meme wurde tausendfach geteilt – weil es den Punkt trifft. Die Regierung fährt im Kampf gegen die Pandemie zum zweiten Mal das gesellschaftliche Leben herun- ter. Und anders als der eine oder andere Verschwörungstheoretiker das heraus- schreit, ist der Lockdown 2.0 alternativ- los. Das heißt aber nicht, dass er uns nichts kostet – die Einschränkungen kosten uns Geselligkeit und Austausch. Sie kosten uns aber auch Wirtschaftskraft, Innova- tion und Geld. 2020 war ein Jahr negati- ver Superlative: historischer Wirtschafts- einbruch, globale Rezession, steigende Arbeitslosenzahlen. Sogar der sonst eher spröde Finanzminister Olaf Scholz sah sich zu kriegerischer Sprache veranlasst und holte „die Bazooka“ heraus. An den Börsen brachte 2020 zunächst ebenfalls einen Bärenmarkt. Neuemissio- nen gab es zudem kaum, obwohl die Pipeline an Kandidaten gut gefüllt war und ist. Zahlreiche Unternehmen ver- schoben ihren Gang aufs Parkett. Aber: Der Kapitalmarkt hat sich deutlich schneller erholt als die Realwirtschaft. Zwar herrscht weiter Volatilität – das versetzt die Anleger aber eher in Aktivität. Es wird gehandelt, was das Zeug hält. Und auch im Alltag ist ein Ende der Aus- nahmesituation zumindest entfernt in Sicht. Mehrere Unternehmen gehen in Sachen Impfstoff auf die Zielgerade. Läuft alles nach Plan, wird spätestens im Januar auch hierzulande geimpft. Damit steht fest: Corona wird uns noch eine Weile begleiten, aber wir haben eben auch bald eine Handhabe gegen den Störenfried. Wir finden: Damit gibt es begründete Hoffnung auf die lang ersehnte Wende. Es ist der Zeitpunkt gekommen, 2020 abzu- schließen und nach vorne zu sehen – wie könnte man das besser als mit einem Faktencheck zum vergangenen Kapital- marktjahr und einem Ausblick auf 2021. In unserer Titelgeschichte ab Seite 20 schauen mein Kollege Falko Bozicevic und ich auf die letzten Monate zurück: Wir beleuchten die Auswirkungen des Virus auf den Kapitalmarkt, ordnen Prog- nosen für das Börsenjahr 2021 ein und erklären, wer die möglichen IPO- Hoff nun- gen sind. Zudem werten wir selbstver- ständlich wieder die IPO-Umfrage des letzten Jahres aus: Wer sind die Top- Tipper? Und vor allem: Sicherte sich Prof. Dr. Schiereck den Titel als bester Tipper der Dekade? Außerdem beschäftigen wir uns in unse- rem Schwerpunkt mit einer Branche, der augenscheinlich nicht einmal Corona etwas anhaben konnte: Immobilien sind so teuer wie eh und je, der Mietmarkt lässt keine Abkühlung erkennen und auch sonst gibt es kaum Hürden zu überwinden – oder? Lesen Sie mehr ab Seite 40. Editorial Isabella-Alessa Bauer, Redaktionsleitung Kapitalmarktmedien 2020 hat uns einiges gekostet, unbestrit- ten. Und ja, aktuell ist nichts erlaubt außer dem Job. Aber wenn sich Scholz im Krisenjahr schwer bewaffnet und sogar zum Kanzlerkandidaten küren lässt – na dann schaffen wir es auch, uns die Lebensfreude zu bewahren. Um es mit Monty Python zu sagen: „Always look on the bright side of life.“ In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und ein besseres Jahr 2021. Eine spannende Lektüre wünscht Dezember 2020 3

58 Carve-outs in der Praxis Investor-Relations-Arbeit im Mittelstand Ralf Pfennig, Dennis Bröcker, KPMG 80 Serie: Familienunternehmen an der Börse Teil 75: Wacker Neuson: Coronaschatten auch in der Baubranche 62 Corona als Katalysator 82 Ritzenhoff AG: Studie zur Nachhaltigkeit im börsennotierten Mittelstand 2020 Manuel Hoelzle, Marita Conzelmann, GBC Gläserne Manufaktur Teil 114 der Serie Hidden Champions: Unternehmen, die sich der Kapitalmarkt wünscht 66 Zur Zukunft der erneuerbaren Energien in Deutschland 40% sind erst der Anfang Dr. Dierk Paskert, ENCAVIS 68 „Infrastruktur ist fit für die Einspeisung größerer Wasserstoffmengen“ Interview mit Karsten Pierschke, Leiter Investor Relations und Kommunikation, PSI Software 70 Glaubwürdige Nachhaltig- keits berichterstattung Ergebnisse des Corporate Reporting Monitor 2020 Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann, Center for Research in Financial Communication Going Abroad 84 IPO-Markt USA NASDAQ & NYSE im Highspeedmodus Initiativ & kontrovers 86 Standpunkt Kapitalmarktausblick 2021 – wirtschaftliche Erholung und Liquiditätsflut Carsten Mumm, Privatbank Donner & Reuschel 72 „E-Stream ist Netzwerk kapitalmarkt fähig“ Interview mit Thomas Krämer, Geschäftsführer, E-Stream Energy Management 74 „2021 wird das beste Jahr unserer Firmengeschichte werden“ Interview mit Dr. Stefan Knoll, CEO, Deutsche Familien- versicherung 76 wallstreet:online – hochmargig smart Größter verlagsunabhängiger Finanzportalbetreiber mit Fintech-Flavour 78 „Wir werden der Volks- Broker sein“ Interview mit Frank Niehage, CEO, flatexDEGIRO 87 Schnappschüsse Investora, CIRA-Jahreskonferenz 2020, M&A Insurance Summer Forum 2020, Finance Day, HV DIALOG Service 88 Eventkalender Auswahl an Webinaren und digitalen Events 88 Literaturhinweise 90 Unternehmensindex/ Impressum Inhalt Unternehmen sind aktuell mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Wie kann ein guter Umgang mit Digitalisierung und Nachhaltigkeit gelingen? Ralf Pfennig, Dennis Bröcker, KPMG Seiten 58–60 Die Deutsche Familienversicherung feierte im Dezember zweijähriges Börsenjubiläum: Zeit für eine Zwischenbilanz. Dr. Stefan Knoll, Deutsche Familienversicherung Seiten 74–75 Carsten Mumm erklärt im Stand punkt, was er von 2021 erwartet. Der Chef- volkswirt von Donner & Reuschel ist positiv gestimmt. Carsten Mumm, Privatbank Donner & Reuschel Seite 86 Dezember 2020 5

Namen & Nachrichten Grafik des Monats: Frauenanteil im Top-Management im internationalen Vergleich DAX-Konzerne 14,2% Frauen im DAX-Vorstand verdienen mehr als Männer Weibliche Vorstandsmitglieder von DAX- Konzernen verdienen im Durchschnitt 2,93 Mio. EUR; die männlichen Kollegen kommen auf 2,90 Mio. EUR. Zufrieden zurücklehnen können sich die Damen allerdings nicht, obwohl sie mehr verdie- nen: In den Vorständen der DAX-Unter- nehmen gibt es weiterhin erhebliche Ungleichheiten. Das geht aus einer Info- grafik von Kryptoszene.de hervor (siehe Grafik des Monats). Der Frauenanteil im Top-Management beträgt traurige 14,2%. Zum Vergleich: In Groß britannien liegt der Wert bei 24,5%, in den USA sind es sogar 28,6%. Großbritannien Schweden USA Quelle: Kryptoszene 24,5% 25,0% 28,6% m o c . e b o d a . k c o t s – s s i e h T . N © : n o i t a r t s u l l I in der kommenden Änderungen sollen Woche beschlossen und anschließend im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Ab Veröffentlichung ist eine einmonatige Über- gangsfrist vorgesehen. Virtuelle Hauptversammlung: Änderungen bei Frage- und Antragsrechten Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben sich kurzfristig auf Änderungen bei Frage- und Antragsrechten von Aktionären bei virtuellen Hauptversammlungen im Rahmen der COVID-Gesetzgebung geeinigt. Diese sollen bereits Anfang nächsten Jahres in Kraft treten. Wie die CDU/CSU-Fraktion mitteilte, sollen im Rahmen des Gesetzes zur Verkür- zung der Restschuldbefreiung auch Regelun- gen zur virtuellen Hauptversammlung geändert werden. Diese Änderungen, die die Frage- und Antragsmöglichkeiten betreffen, sollen bereits zu Beginn des Jahres 2021 gelten. Die Regierungsparteien planen, dass aus der im COVID-Gesetz vorgesehenen Frage- möglichkeit der Aktionäre ein Fragerecht werden soll. Fragen sollen statt bisher zwei Tage bis zu einem Tag vor der Hauptver- sammlung eingereicht werden können. Dem Vernehmen nach soll zudem für Anträge eine Antragsfiktion gelten, das heißt eingereichte Anträge werden als gestellt betrachtet. Die Börsensegen Joe Biden? US-Aktien gewinnen unter demokratischen Präsidenten Unter demokratischer Präsidentschaft klettern US-Aktien pro Jahr durchschnitt- lich um 14,7% nach oben. Bei republikani- schen Präsidenten liegt der Anstieg bei l ediglich 9,8%. Das geht aus einer Infografik von Block-Builders.de hervor. Der Sieg Joe Bidens könnte sich für Börsianer also in vielerlei Hinsicht positiv auswirken. Der jährliche Durchschnittsanstieg speist sich aus Betrachtungen der Daten seit dem Jahr 1932. Es zeigt sich, dass die Kursanstiege keineswegs geradlinig ver- laufen. Der mit Abstand größte Zugewinn des S&P 500 fällt auf die Ägide von Roose- velt und Truman – beide Demokraten. Die Notierung erhöhte sich in jenen Jahren um 348%. Unter Barack Obama stieg die Notie- rung des S&P 500 um 167%, wohingegen der Index während der US-Präsidentschaft Donald Trumps lediglich um 51% stieg. Durchschnittlicher Anstieg von US-Aktien (seit 1932) Demokratischer Präsident 14,7% Republikanischer Präsident 9,8% Quelle: Block-Builders.de Allerdings: Obama war zwei Amtszeiten US-amerikanischer Präsident. Auch der Sieg Joe Bidens könnte sich als Segen für die Börsen erweisen. In der Woche nach seiner Wahl stieg die Notie- rung der Tech-Börse Nasdaq um 9% – es war die beste Woche seit 1932. Vier Bran- chen sind es, die laut Experten von einer Präsidentschaft Bidens besonders profitie- ren könnten: Technologie, Gesundheit, grüne Energie und Cannabis. Zumindest vom 3. auf den 11. November stiegen diese Bereiche. Der Global Clean Energy ETF kletterte beispielsweise um 8% nach oben und der Rize Medical Cannabis ETF legte um immerhin 5,3% an Wert zu. Dezember 2020 7

Going Public Abgeschlossene IPOs und Listings 2018–2020 von A-Z Unternehmen Erster Handelstag Markt- seg- ment* Emissions- preis Platzierungs- volumen (Mio. EUR) Kurs aktuell % ggü. Vormonat MarketCap (Mio. EUR) Performance zum Emis- sionspreis Wertpa- pierpros- pekt Konsortialführer 2,69 6,10 -15,3% 101,7 18,80 +6,9% 52,1 5,34 +97,0% 24,0 122,2 34,7 -24,7% -44,7% -77,8% 1.973,5 39,48 -13,7% 7.938,3 +50,4% ja ja ja ja Baader Bank Hauck & Aufhäuser Hauck & Aufhäuser Goldman Sachs, Morgan Stanley 23,60 +19,5% 255,7 +101,7% nein Renell Wertpapierhandelsbank 1.387,2 22,18 +22,5% 11.090,0 -17,9% ja Citigroup, Dt. Bank, Goldman Sachs, J.P. Morgan +333,3% nein Bankhaus Scheich -95,6% +21,2% ja ja ACON Actienbank Berenberg, Citigroup +33,3% k.A. k.A. MEDIAN +6,4% MEDIAN- 19,4% MEDIAN +4,0% MEDIAN +3,5% ANZEIGE SpVgg Unterhaching 30.07.19 m:access Stemmer Imaging STS Group 27.02.18 01.06.18 Scale** Prime TeamViewer 25.09.19 Prime The Social Chain Group 25.06.18 FV DÜS TRATON TubeSolar Tuff Group Westwing Group aifinyo 28.06.19 Prime 14.02.20 26.03.19 09.10.18 19.12.18 FV DÜS GS Prime m:access Gesamt (2018): 27 12(-)/15(+) Gesamt (2019): 12 Gesamt (2020): 9 8(-)/4(+) 2(-)/7(+) Gesamt 2018-20 (48 Werte) 22(-)/26(+) 8,10 34,00 24,00 26,25 11,70 27,00 1,80 4,50 26,00 24,00 7,80 0,20 +18,2% -49,0% 122,5 31,50 +128,0% 32,00 -3,0% 11.636,2 3.609,5 1.130,6 16.376,3 78,0 8,0 656,6 108,3 81.863,4 21.871,8 21.874,7 125.609,8 +3,0% -1,9% +61,4% +12,7% IPOs blau markiert; seit der letzten Ausgabe neu hinzugekommene IPOs und Listings sind grün markiert; Delisted: rot markiert; Quelle: Deutsche Börse Kurse vom 11.12.2020, Xetra bzw. liquidester Handelsplatz; bereinigt um Aktiensplits *) Zum Zeitpunkt der Erstnotiz; **) Scale ersetzt seit dem 1.3.2017 den Entry Standard für Aktien und Unternehmensanleihen der Deutschen Börse AG; ***) Kein Wertpapierprospekt, dafür ein Datenblatt und ein Wertpapierinformationsblatt Ansprechpartner: GoingPublic Redaktion, Michael Fuchs (fuchs@goingpublic.de), Falko Bozicevic (fb@goingpublic.de) m:access – die Börse für den Mittelstand Fachkonferenzen 2021* 3. – 4. Mai m:access Forum im Rahmen der MKK 10. Juni Immobilien 14. – 15. Juli Beteiligungsgesellschaften & Consumer | Leisure 13. – 14. Oktober Finanzdienstleistungen & Technologie 10. – 11. November Software | IT & Branchenmix 7. – 8. Dezember m:access Forum im Rahmen der MKK * Änderungen vorbehalten

Kapital. Markt. Partnerschaft. (E-)MAGAZIN – ONLINE – EVENT – NETZWERK Die Wirtschaft braucht einen starken Kapitalmarkt als Schlüssel zu Inno- vation und Wachstum. Wir sind ein starkes Netzwerk. Wir stehen für Aktienkultur und die Altersvorsorge mit Aktien. Wir stehen für einen leben- digen, weltoffenen und wachsenden Kapitalmarkt. Wir tragen bei zu mehr Börsengängen und Listings. Mit Fokus auf den DACH-Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz). Und einem ständigen Blick in die globalisierte Welt. Kapitalmarktpartner 2020 Kapitalmarktpartner im Netz: www.goingpublic.de/kapitalmarktpartner

Aktie betrug 49 EUR. Er lag damit am unte- ren Ende der ursprünglichen Preisspanne, die auf 44 bis 59 EUR lautete. Der Börsenstart verlief denn auch in einem schwachen Gesamtmarkt holprig. Die Aktie eröffnete in Frankfurt mit 44 EUR und damit rund 10% unter dem Ausgabe- preis. Danach zog die Notierung aber wieder etwas an. Immerhin wurden wie ge- plant knapp 1,7 Mio. Papiere losgeschlagen. l o e p m o C © : o t o F Foreign IPOs Rekordquartal auf dem weltweiten IPO-Markt Weltweit boomt nach einem schwachen ersten Halbjahr der IPO-Markt mit 447 Börsengängen und einem Emissionsvolu- men von insgesamt 95,0 Mrd. USD – das stärkste dritte Quartal seit 20 Jahren. Das ergibt die „Analyse zur globalen IPO- Aktivität“ von EY. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg die Zahl der IPOs um 78%, das Emissionsvolumen hat sich sogar mehr als verdoppelt (plus 138%). Angetrieben wurde das IPO-Geschehen von großen und prominenten Trans- aktionen in der Technologie- und der Globale IPO-Aktivität (2016 bis Q3 2020) IPO activity 1,800 1,600 1,400 1,200 1,000 800 600 400 200 0 $250 $200 $150 $100 $50 $0 2016 2017 2018 2019 YTD 2020 Number of IPOs Proceeds US$b Quelle: EY Going Public b n b r i A © : o t o F Gesundheitsbranche: 38% des weltweiten Emissionsvolumens – das entspricht 36 Mrd. USD – entfielen auf Technologie- Börsengänge, 18% (17 Mrd. USD) auf Healthcare-Unternehmen. In China (einschließlich Hongkong) wuchs das Emissionsvolumen um 139% auf 46,4 Mrd. USD, die Zahl der Trans- aktionen kletterte von 86 auf 217 – ein Anstieg um 15%. In den USA hat sich die Zahl der IPOs im Vergleich zum Vorjahres- zeitraum von 38 auf 85 mehr als verdop- pelt, das Emissionsvolumen hat sich von 11,7 auf 33,1 Mrd. USD sogar fast verdrei- facht. Auch in Europa stieg die Zahl der Börsengänge – allerdings weniger stark als in den anderen wichtigen IPO-Märk- ten: Das Emissionsvolumen kletterte um 51% auf 6,2 Mrd. USD, die Zahl der IPOs wuchs um 56% auf 39. im dritten Quartal sechs Börsenneulinge gezählt: Vier Unternehmen – Siemens Energy, Hensoldt, Knaus Tabbert und Brockhaus Capital Management – wählten den Prime Standard der Deutschen Börse für ihre Erstnotiz. Gemessen am Emissions- volumen war der Hensoldt-Börsengang mit 460 Mio. EUR die größte Transaktion; bezogen auf die Marktkapitalisierung zur Erstnotiz lag Siemens Energy mit 16 Mrd. EUR vorn. Hinzu kommen zwei deutsche Unternehmen, die den Sprung aufs Parkett an eine US-Börse gewagt haben: Das Biotech-Unternehmen CureVac erlöste bei seinem Börsendebut an der Nasdaq 245 Mio. USD, der Display-Produzent VIA optronics erhielt bei seinem Börsengang an der NYSE 94 Mio. USD. In Deutschland wurden Airbnb – US-Plattform wagt sich trotz Corona an die Börse Ungeachtet der Corona-Krise ist die US- amerikanische Zimmervermittlungsplatt- form Airbnb in den USA an die Börse ge- gangen. Es ist ein beeindruckendes Debüt: Der Mietplattform gelingt das größte US- IPO des Jahres. Die Aktie des Unter- nehmens legte zum Handelsstart an der Nasdaq um 115% Prozent zu – auf fast 146 USD. Der Wert der Firma stieg auf über 100 Mrd. USD. Airbnb ist damit mehr wert als Marriott und Expedia zusammen. Ant Financial: größtes IPO der Welt gestoppt Der mit Spannung erwartete Börsengang von Ant Financial wurde in letzter Sekun- de abgesagt. Nachdem der Kurs am Vor- tag noch gestiegen war, da die Nachfrage nach den Alibaba-Papieren bereits vor dem offiziellen Handelsstart das Angebot weit übertraf, hat die Börse Shanghai die Börsenpläne zum größten IPO der Welt am 3. November gestoppt. Der überraschen- de Schritt wurde damit begründet, dass sich das „aufsichtsrechtliche Umfeld“ be- deutend geändert habe. Der chinesische Finanzdienstleister erfülle die Offenle- gungspflichten nicht. Das geplante Dop- pel-Listing in Shanghai und Hongkong mit einem Emissionsvolumen von rund 37 Mrd. USD ist bis auf Weiteres vertagt. Ant Financial wurde zuletzt mit über 200 Mrd. USD bewertet und ist damit das teuerste Fintech der Welt. Die Konzernmutter Ali- baba geriet nach den überraschenden Neuigkeiten unter Druck: Das Papier ver- lor noch am 3. November rund 7%. ■ Dezember 2020 13

Börsenkandidaten 2020 ff. (Stand: 17.12.2020) Emittent Primepulse Proteros reBuy Scope Semper idem Underberg SeniVita Social Estate SHS-Beteiligungsgesellschaft-Tochter Signa Sports SIRION Biotech Smava Springer Nature stylefruits Styrolution Summiq SUSE Swarovski Swyx SYNLAB Syntellix Takko Telekom Spinoff TF Bank ThyssenKrupp-Aufzugssparte Trelleborg-Vibracoustic Unendo Energia Veganz Weclapp Wintershall DEA Zeithorizont jeweils geschätzt Quelle: GoingPublic Research Branche Beteiligungsholding Biotech Onlineshop Ratingagentur Spirituosenhersteller Pflegeimmobilien MedTech/Life Sciences Sporthandel Biotech Kreditvermittler/FinTech Wissenschaftsverlag Onlineshop Kunststoffe Green Energy Software Schmuckhersteller Telekommunikation Laborausrüster LifeSciences Modediscounter Mobilfunk Fintech Industrie Antivibrationssysteme Energie Lebensmittel Cloud-Software Öl- und Gasförderung Konsortialbanken Deutsche Bank, Hauck & Aufhäuser, Mainfirst Bank k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. M.M.Warburg k. A. k.A. k.A. k. A. k.A. k.A. k.A. ICF, MM Wbrg, DZ Bk k.A. k.A. k.A. k.A. k. A. Going Public Termin 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021 ff. 2021ff 2021ff 2021 ff. 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021ff 2021 ff. ANZEIGE Bei DEFAMA bringt Ihnen jeder Einkauf Gewinn!* DEFAMA Deutsche Fachmarkt AG ISIN: DE000A13SUL5 * Erster Kurs am 13.07.2016: 4,13 € Allzeithoch am 16.11.2020: 20,40 € Nähere Informationen: www.defama.de

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zweistelligen Zuwachs Aktie hohen verzeichnet. Zudem hat die Gesellschaft neues Kapital von rund 1 Mrd. EUR auf- genommen, unter anderem für weitere Akquisitionen. Der Technologie-Investor Brockhaus wiederum entschied sich im Juli dieses Jahres für eine sogenannte Privatplatzie- rung. Wie unterscheidet sich diese Variante vom klassischen IPO? Bei einer Privatplatzierung, oder auch Private Placement, werden die Wertpa- piere nicht öffentlich angeboten, sondern nur einem ausgewählten Investorenkreis zugänglich gemacht. Im Fall von Brockhaus Capital Management (BCM) beteiligten sich Vorstands- und Aufsichtsrats mit glie- der, Mitarbeiter von BCM sowie Mitglieder der Geschäftsführung der Tochter gesell- schaften mit insgesamt 1 Mio. EUR an der Kapitalerhöhung. Eine solche Privatplat- zierung unterliegt nicht der Prospekt- pflicht, wenn der Verkauf der Aktien aus- schließlich an professionelle Anleger wie etwa Fonds erfolgt und es weniger als 100 Anleger sind. Die Aktien stammen in die- sem Fall entweder von den Altaktionären oder aus einer Kapital erhöhung. Für Emittenten eröffnet die Privatplat- zierung die Möglichkeit, ihr Unternehmen mit den neu eingeworbenen Mitteln weiter entwickeln zu können, ohne zwingend auf einen unmittelbaren Gang an den Kapital- markt angewiesen zu sein. Zudem kann man so die Transaktionssicherheit für das IPO erhöhen. Beteiligen sich bekannte Investoren im Vorfeld des IPO an der Gesellschaft, ist dies ein starkes positives Signal für die IPO-Vermarktung. Blicken wir in die USA: Dort erfreuen sich Direct Listings zunehmender Beliebt- heit. Werden wir in Deutschland auch bald mehr Direktplatzierungen sehen? Direct Listings sind ein Trend, der hierzu- lande erst am Anfang steht. Grundsätzlich steht dem Vorhaben nichts im Wege: Die technischen und rechtlichen Möglichkei- ten sind auch bei uns vorhanden. Aktuelle Beispiele sind iQ International oder FCR Immobilien. Im Grunde verfolgen IPO und Direct Listing das gleiche Ziel: Ein privates Unternehmen wird zum öffentlichen Han- del an der Börse eingeführt und gelistet. Dadurch verändert sich die Eigentümer- struktur, und durch die Kapitalaufnahme vergrößert sich auch der Aktionärskreis. Going Public G A e s r ö B e h c s t u e D © : o t o F Neben dem IPO führen auch noch weitere Wege auf das Börsenparkett. Im Unterschied zum klassischen IPO werden beim Direct Listing lediglich bestehende Aktien des Unternehmens zum Börsenhandel zugelassen. Vor der Börseneinführung findet kein Bookbuil- ding-Verfahren statt, was den Listing-Pro- zess flexibler macht und die Kosten senkt. Einen vorab festgelegten Preis für den Erwerb der Aktien gibt es daher nicht und somit auch nicht das Risiko von Preis- und Bewertungsabschlägen. Der Preis wird am ersten Handelstag durch Angebot und Nachfrage ermittelt. Zudem werden die Anteile der Gründer und Altaktionäre nicht verwässert, da keine neuen Aktien ausgegeben werden. Ein anderer großer Trend in den USA sind SPACs. In diesem Jahr sind in New York sogar mehr SPACs als klassische Unternehmen an die Börse gegangen. Was sind SPACs genau? SPAC steht für Special Purpose Acquisition Company. Es handelt sich dabei um eine Mantelgesellschaft, die zunächst Kapital über einen Börsengang einsammelt, um das Kapital anschließend für die Über- nahme eines noch nicht identifizierten, operativ tätigen Unternehmens zu ver- wenden – das wiederum nicht an der Börse notiert. Geldgeber und Manage- mentteam definieren vorab einen Zeit- raum zur geplanten Umsetzung. Kommt es dann nicht zum Vollzug, wird die SPAC liquidiert und die Investoren erhalten ihr Kapital inklusive Zinsen zurück. SPACs eröffnen Retail-Investoren so die Möglich- keit, an der Entwicklung von nicht börsen- notierten Unternehmen zu partizipieren. Zudem erweisen sich SPACs als resisten- ter gegenüber Marktvolatilitäten, da sie nicht an ein enges Zeitfenster gebunden sind. Das Interesse an SPACS steigt auch in Deutschland. Die Frankfurter Börse hat die Rahmenbedingungen für Unternehmen geschaffen – einem SPAC-Listing steht also auch in Deutschland nichts im Wege. In Deutschland las man zuletzt häufiger von sogenannten Spin-offs oder auch Carve-outs. Wann eignet sich diese Variante für den Börsengang? Ein Spin-off oder ein Carve-out kann für Unternehmen im Zuge einer Neuausrich- tung interessant sein. Beim Spin-off wird aus einem Unternehmen bzw. einem Konzernverbund ein Tochterunterneh- men oder eine Sparte ausgegliedert – und es entsteht ein neues, eigenständiges Unternehmen. Bei einer solchen Ausgrün- dung verteilt die Muttergesellschaft die Anteile der ausgegliederten Tochtergesell- schaft anteilig an ihre bisherigen Aktio- näre in Form einer Sonderdividende. Mit der Abspaltung der Siemens Energy vom Siemens-Konzern fand vor Kurzem in Frankfurt einer der größten Spin-offs in Europa statt. Eine ähnliche Variante bietet der Carve-out. Anders als beim Spin-off eines Tochterunternehmens behält die Mutter- gesellschaft jedoch die Mehrheit am Unternehmen. Der Carve-out dient also primär der Kapitalbeschaffung, ohne eine komplette Abspaltung des Geschäfts- bereichs anzustreben. Erfolgreiche Bei- spiele dafür sind die Abspaltung der DWS Group von der Deutschen Bank oder die Abspaltung von LANXESS von Bayer. Frau Bandov, vielen Dank für das Gespräch. ■ Das Interview führte Isabella-Alessa Bauer. Dezember 2020 19

H ierzulande steht seit einigen Wochen einmal mehr alles still: Lockdown 2.0. Aus ‚light‘ wurde zum 16. Dezember ‚core‘. Börsenambitionen sind so ziemlich das Letzte, an das Unter- nehmer gerade denken. Damit setzt sich ein Trend fort, der sich bereits durch das ganze Jahr 2020 gezogen hat – an den deut- sche Börsen herrscht in Sachen IPOs Ebbe. In den USA indes werden selbst jetzt, kurz vor Weihnachten, noch Börsengänge bekannter Konzerne bejubelt. Airbnb schaffte noch im Dezember das größte IPO des Jahres in den USA. Am ersten Handelstag legte die Aktie der Mietplatt- form zwischenzeitlich um 115% zu. Airbnb war über 100 Mrd. USD wert – und damit mehr als Marriott und Expedia zusammen. Und: Das Jahr 2020 war in den USA auch allgemein reich an erfolgreichen IPOs. Dort ist von Ebbe keine Spur zu erken- nen. Die IPO-Anzahl liegt ein Viertel über dem Vorjahr – und 2019 war ein Jahr, in dem es praktisch keinerlei Störfeuer gab, von Noch-Präsident Trump und seinen üblichen Unwägbarkeiten einmal abge- sehen. Doch nicht nur das: Börsendebü- tanten machten an NASDAQ und NYSE auch Werbung in eigener Sache mit monat- lichen Zeichnungsgewinnen von 15% – die Ausnahme – bis hin zu 50%. Auch für deutsche Unternehmen sind die US-Börsen zunehmend 2020 entschieden sich mit den Biotechs Cure- Vac und Immatics sowie VIA optronics drei Firmen für einen Börsengang in den USA. Letztere zwei gingen über eine SPAC aufs interessant. Allein BioNTech SE (ISIN: US09075V1026) Quelle: Tai-Pan Titelthema Kapitalmarkt 2020/2021 Abb. 1: IPO-Entwicklung in Deutschland seit 1996 153 139 180 160 140 120 100 80 60 40 20 12 71 27 0 67 44 23 21 6 0 5 15 13 10 10 14 5 11 6 5 3 19 5 6 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Quelle: GoingPublic Research Parkett. Erst 2019 hatte mit BioNTech ein weiteres deutsches Biotech erfolgreich sein Debüt an der Nasdaq gefeiert. CureVac und BioNTech stehen aktuell mit möglichen Impfstoffen in der öffent- lichen Wahrnehmung. Aber auch bei ihnen sei gewarnt: Der frühe Vogel pickt nicht unbedingt den Wurm. Impfstoffe, die hand- habbarer sind, also bei -70° Grad gelagert und transportiert werden können, werden à la longue höchstwahrscheinlich obsie- gen. Die Frage nach dem Impfstoff und damit die weitere Entwicklung der wirt- schaftlichen Erholung scheinen kaum prognostizierbar. Daher lässt sich auch nur schwer beantworten, wie 2021 sich entwickeln wird. Die Kardinalfrage lautet: Wird 2020 als ein außerordent liches Jahr den Wachstumstrend des letzten Jahr- zehnts nur unterbrochen haben oder hat der Coronacrash grundsätzlich etwas zer- stört, das so schnell nicht mehr zu kitten ist? Was kommt nach der Ebbe? Die Kapi- talmärkte haben schon seit Mai die Ant- wort auf diese Frage mehr oder minder geliefert – sie befinden sich in einer anhal- tenden Hausse und liefern Allzeithochs. Bleibt allein die Frage: Irren sie? Verschie dene Beobachtungen können fest- gehalten werden, die eine Antwort auf diese Frage zumindest skizzieren. Eine davon: die Outperformance von Wachs- tums- gegenüber Substanztiteln. Dieser Performance-Unterschied weitet sich schon seit etwa fünf Jahren aus und geht darauf zurück, dass Sektoren wie Energie und Finan zen überproportional hinterher- hinken, während neuzeitliche Unterneh- men, unter anderem Google, Amazon oder Facebook, ungeahnte Bewertungen erklim- men. Irgendwie scheint ohnehin nur noch die Frage relevant, wohin das günstige Geld fließt, das die Zentralbanken bereitstellen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat wieder einmal geliefert und setzt in ihrer Rekalibrierung der Geldpolitik auf die bewährten Instrumente: Anleihekäufe durch das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) und gezielte Langfrist- Tender. Hinzu kommen eine längere Reinvestitionsphase beim PEPP und die Bereitschaft, die geldpolitischen Instru- mente bei Bedarf „anzupassen“. Dezember 2020 21

. e s i e r p / e d e w e c r e t n u n e n o i t a m r o f n I e r e t i e W . e t s i l s i e r P ß ä m e g ) d n e l l a f n a g n u o h b a a l l i l i F i e b h c u a . f g g ( n e t s o k d n a s r e V . l g z z d n u . t S w M . l k n i h c i s n e h e t s r e v e s i e r P e l l A l g r u b n e d O 3 3 1 6 2 , 2 3 - 0 3 g e w r e e M , A a G K . o C & g n u t f i t S E W E C : r e t e b n A i . i s i e r P n e r e h ö h n e n e t a h t k u d o r P e t e d l i b e g b a s a D . l g n u h e f p m e s i e r P e h c i l i d n b r e v n U * ab 7,95 €* Titelthema Kapitalmarkt 2020/2021 letzten Jahr auf seinem sonst so angestammten Treppen- plätzchen zurück – und da bleibt er auch aufs Neue. Aber der Reihe nach. 2020 ist ganz bestimmt nicht verlaufen wie erwartet. Das hat auch in Sachen IPOs einiges durcheinandergebracht. Das eine oder andere Unternehmen hat sich aufgrund von Corona sehr schnell entschieden, den Börsengang doch lieber abzublasen bzw. zu verschieben, oder milde aus- gedrückt: sich zunächst etwas bedeckt zu halten. Am Ende stehen sechs IPOs zu Buche (Achtung: Listings sind keine IPOs, eingerechnet sind nicht jene IPOs in den USA, die ein- gangs erwähnt wurden). Hat irgendeiner unserer Tipper schon im Vorfeld eine solche Bilanz erwartet, speziell da es im Schönwetterjahr 2018 schließlich derer 19 gegeben hatte? 2019 dann ja fünf an der Zahl. Einige haben das. Wie sollte es auch anders sein? Prof. Dr. Schiereck hatte fünf IPOs für 2020 prognos- tiziert. Auch Claus-Peter Schrack von UBS hatte auf fünf getippt. Noch exakter: Uwe Nespethal von Blättchen Finan- cial Advisory und Jakob Fichtner von BondWelt, die beide auf genau sechs IPOs gesetzt hatten. Das Emissionsvolumen lag bei rund 1,02 Mrd. EUR. Mit diesem doch sehr geringen Wert hatten naheliegenderweise nur wenige unserer Tipper gerechnet. Prof. Dr. Schiereck tippte auf 1,1 Mrd. EUR. Man achte auf die angegebene Nach- kommastelle, mit der er offenbar platzierungstechnisch vor- zubeugen gedacht hatte. Platz zwei teilen sich Uwe Nespethal und Dr. Thorsten Kuthe von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Beide hatten sich auf 2 Mrd. EUR Emissionsvolumen festge- legt. Das liegt zwar fast beim Doppelten, stellt bei der 2020er- Prognose allerdings schon die zweitnächste Antwort dar. DAX: Nullsummenspiel unter dem Strich Wie sieht es beim DAX-Tipp aus? Bei Auswertung zum Redak- tionsschluss Mitte Dezember steht der deutsche Leitindex bei 13.100 Punkten. Am nächsten dran ist Prof. Dr. Schier- eck, der einen Wert von 13.000 Punkten vorhergesagt hatte. Gleich drei Tipper teilen sich den zweiten Platz: Mit einer Prognose von 13.500 Punkten sind auch Dr. Christine Borten länger vom Deutschen Aktieninstitut (DAI), Fabian Kirchmann von IR.on und Klaus-Karl Becker von BBG rela- tiv nah dran. Platz drei belegt Henryk Deter von cometis mit einem Tipp von 13.700 Punkten. Schwieriger sollte eine genaue Prognose der Anleiheemis- sionen im Mittelstand gefallen sein: Die BondGuide-Daten- bank verzeichnet rund 30 Emissionen im laufenden Jahr. Top-Tipper in dieser Kategorie sind Fabian Kirchmann und m o c . e b o d a . k c o t s – s a m o h T © : o t o F Dezember 2020 25 cewe.de

Live aus den Grünebaum-Studios in Berlin-Charlottenburg: Praxisseminar 2021 Update Kapitalmarktrecht DIE STREAMINGSHOW 18. Folge! Zur Volljährigkeit lernt das Praxisseminar „Update Kapitalmarktrecht“ streamen: Vorhang auf für die erste deutsche Streamingshow rund um aktuelle Themen der Hauptversammlung und des Kapitalmarkts. WETTEN, DASS ... with special guests … IHNEN NICHT LANGWEILIG WIRD? Wir präsentieren die Themen, die HV-Verantwortliche im Jahr 2021 bewegen. … SIE SO VIELE PRAKTISCHE TIPPS NOCH NIE BEKOMMEN HABEN? Referenten Bernhard Orlik Link Market Services Dr. Christian Dohm SOLEOS Rechtsanwälte Dr. Sebastian Schwalme und Dr. Dirk Besse Morrison & Foerster ... AUCH SIE ZU WORT KOMMEN? Das Seminar ist keine Einbahnstraße, sondern wie bei der echten Online-HV setzen wir auf Interaktion. … SIE ALLE INFORMATIONEN IM NETZ FINDEN? Programm, Anmeldung, Kosten, weiterführende Informationen unter www.update-kapitalmarktrecht.de Topp, die Wette gilt! WANN 19. Januar 2021, 15.00 bis 18.00 Uhr WO Bequem online bei Ihnen zu Hause oder im Büro – aber in jedem Fall in unserem Seminarportal www.update-kapitalmarktrecht.de Eine Gemeinschaftsproduktion von

Titelthema Kapitalmarkt 2020/2021 Tab. 6: Anleiheemissionen 2021 Tab. 7: Welches Unicorn wagt als Nächstes ein IPO? IBOs Baader Bank BankM Bankhaus Scheich BBG Better Orange Blättchen Financial CFO cometis DZ Bank GS&P Heuking Kühn Lüer Wojtek Kirchhoff Schiereck Durchschnitt Baader Bank BankM Unicorn Celonis - Bankhaus Scheich FlixBus BBG N26 Better Orange Blättchen Financial CFO cometis DZ Bank GS&P Heuking Kirchhoff Schiereck - - - - - - ABOUT YOU AUTO1 30 40 25 32 30 20 40 33 25 25 30 32 30 30,2 Fazit Die Spreu trennt sich vom Weizen. In einem Jahr wie 2018 schwimmen alle Boote oben. Ein Jahr wie 2020 hingegen zeigt, welche IPO-Kandidaten auch im schwierigen Umfeld reüssieren können – entweder weil sie wie CureVac ein Hoffnungsträger im Kampf ge- gen das Virus sind und damit ein absolut gefragtes Geschäftsmodell haben oder weil sie wie Airbnb in der Lage sind, die m o c . e b o d a . k c o t s – l a o M e L r e i v i l O © : o t o F Erwartungen der Investoren auch in einem Problemjahr so hoch zu halten, dass das IPO eine freudige Überraschung wird. Wie Churchill einst sagte: Bei Ebbe erst sieht man, wer ohne Badehose unterwegs war. 2021 bleibt schwierig zu prognostizieren. Fest steht allerdings: Die Ebbe hat 2020 nur in Sachen IPOs angehalten. An den Kapital- märkten flutet das Geld längst zurück. Das lässt hoffen, dass auch bei den Börsengän- gen ein Aufschwung im Anmarsch ist. ■ ANZEIGE Stabile Dividenden aus Versorgungsimmobilien des täglichen Bedarfs Mehr Information unter www.deutsche-konsum.de

Titelthema Kapitalmarkt 2020/2021 „Geschäftsmodell auf dem Prüfstand“ Andreas John, Leiter Vertrieb institutionelle Kunden, DZ BANK GoingPublic: Welche Folgen hat die Pandemie für börsen- notierte Unternehmen? John: Pauschal kann man diese Frage nicht beantworten, da jede Branche sehr unterschiedlich unter dem harten Lockdown Anfang 2020 gelitten hat bzw. weiterhin unter den Beschränkun- gen leidet. Alle Unternehmen verbindet aber, dass das eigene Geschäftsmodell auf den Prüfstand gestellt werden muss. Der Blumenstrauß der Aktivitäten ist dabei so vielfältig, dass wir die ökonomischen Anpassungen nach Corona noch mehrere Jahre sehen und spüren werden. Ein Großteil der Unternehmen hat bei diesem Anpassungs- prozess schon viel getan und erreicht, auch auf der Kostenseite. Diese Aktivitäten und positiven Zukunftserwartungen honoriert die Börse mit steigen- den Kursen und setzt stark auf eine zügige Erholung der Gesamtwirtschaft – es bleiben aber trotzdem im Einzelfall Fragezeichen und ungelöste Herausforderungen. Unklar ist z.B., wie der Wegfall der staatlichen Coronahilfen und das Auslaufen des Kurzarbeiter- geldes sich im Einzelfall auf die Bilanzen auswirken wird. Andreas John „Dynamisierung längst überfälliger Digitalisierung“ Thomas Stewens, Corporate Strategy & Communication, BankM GoingPublic: Wie hat das Virus die Börsen verändert? Stewens: COVID-19 hat im Kapitalmarkt als Katalysator für die Dynamisierung längst überfälliger Digitalisierungsmaßnahmen gewirkt. Dieser Trend wird nachhaltig bleiben. Im Bereich der Gesundheitsdienstleister ist im nächsten Jahr mit einem Selek- tionsprozess zu rechnen: Nicht alle Hoffnungen werden sich erfüllen, und es ist kaum vorhersehbar, welche Impfungen, Wirkstoffe und Schutzmaßnahmen langfristig notwendig und erfolgreich sein werden. Beim Thema Nachhaltigkeit erwarten wir ebenfalls eine Fortsetzung des derzeitigen Trends – durch Politik und Inves- toren gleichermaßen getrieben. Allerdings ist bisher noch nicht klar, was wirklich nachhaltig ist und wie groß die Anwendungsgebiete für als nachhaltig eingestufte Technologien in Zukunft tatsächlich werden. Thomas Stewens G A e s r ö B e h c s t u e D © : o t o F mie hat in gut geführten Unternehmen Verkrustungen aufgebrochen und Verän- derungen ermöglicht, die es in dieser Geschwindigkeit und in diesem Ausmaß sonst nicht gegeben hätte“, freut sich Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wert- papierbesitz. Börsennotierte Unter- nehmen, die sich den Veränderungen durch Corona nicht stellen, werden in den nächsten Jahren ins Hintertreffen geraten. „Wer die Themen jetzt aktiv angeht, wird nach der Krise stärker und resilienter aufgestellt sein“, prophezeit Tüngler. Wie erfolgreich sind Impfungen? Nach wie vor bestehen einige Unsicherhei- ten, die für die weitere Entwicklung, auch am Kapitalmarkt, eine wichtige Rolle können und ihre Geschäftsmodelle anpassen“, erklärt Dr. Leven. Außerdem haben sich auch die Bondmärkte als krisenbeständig erwiesen und Unterneh- men in der Hochphase des Lockdowns Kredite zur Finanzierung im Rekordvolu- men zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus haben in der Krise vor allem junge Anleger den Weg zu Aktien gefunden. „Und nicht zuletzt hat die Digitalisierung einen deutlichen Schub erhalten“, so Dr. Leven. Krise kann Unternehmen stärken COVID-19 stellt die Flexibilität zahlreicher Unternehmen auf die Probe. „Die Pande- „Mehr IPOs in der Breite“ Bastian Schiedat, Leiter ECM-Syndikat für Kontinentaleuropa, Berenberg GoingPublic: Was hat sich durch Corona für IPOs geändert? Schiedat: Die Vermarktung von Börsengängen hat sich durch die Reiserestriktionen grundlegend geändert und erfolgt jetzt auch auf virtueller Ebene. So können mehr Meetings an einem Tag durchgeführt werden, Investoren aus verschiedenen Städten und Ländern nacheinander sprechen, Flug- und Hotelkosten gespart werden, man ist immer nahe am eigentlichen Tagesgeschäft. So ist auch ein schneller IPO-Prozess möglich, wie bereits viele Börsengänge dieses Jahr gezeigt haben. Bastian Schiedat Dezember 2020 31

CAPITAL MARKETS Wir begleiten Sie auf Ihrem Weg an den Kapitalmarkt! Seit vielen Jahren begleiten wir erfolgreiche Unternehmen beim Gang an die Börse. Neben der Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS unterstützen wir beim Aufbau der notwendigen GRC Strukturen wie zum Beispiel dem Aufbau eines effi zienten internen Kontrollsystems und Risikomanagementsystems. Ephraim Hofsäß, Director External Reporting Hilde Neumeyer, CFO www.fas.ag Financial Reporting • Finance Optimization • Transaction Advisory • Digital Architects Vielen Dank an die FAS für die tolle Zusammenarbeit und den maßgeblichen Beitrag zu unserem erfolgreichen Börsengang! Georg Griesemann, Co-CEO und CFO Mit der Unterstützung der FAS im Rahmen unseres NASDAQ- Listings waren wir sehr zufrieden. Besonders geschätzt haben wir die hohe Flexibilität und das tiefe IFRS Know-how. Mit der fachlich hervorragenden Unterstützung der FAS haben wir unsere Kapitalmarktfähigkeit auf den Punkt erreicht!

Titelthema Kapitalmarkt 2020/2021 n e h c n ü M e s r ö B © : o t o F Rückenwind fehlt Nun kann man über die fehlenden Börsen- gänge in Deutschland lamentieren und nach Gründen für die Abstinenz suchen. Allein an den Regularien kann es nicht lie- gen, denn die gibt es in anderen Ländern auch – und das Regelwerk von m:access ist beispielsweise ausgesprochen schmal. An Unternehmen, die sich Börse zutrauen, fehlt es auch nicht – das beweisen Gesell- schaften wie CureVac oder VIA optronics in diesem und der Hoffnungsbringer BioNTech im letzten Jahr, die in den USA an die NYSE beziehungsweise die NASDAQ gegangen waren. Denn in den USA herrscht ein positives Kapitalmarktumfeld: Hier haben Investoren tiefe Taschen und ein anderes Verständnis von Chancen und Risiken. Dies führt zu einer höheren Bewertung der Unternehmen. Nicht zuletzt finden hier Gesellschaften ihre Peergroup als Benchmark und Ansporn. Was in Deutschland immer noch fehlt, ist eine vergleichbare Aktienkultur und die Bereitschaft, auch Risiken einzugehen, die gerade in den Zukunftsbranchen Biotech, Life Sciences und digitale Tech- nologie hoch sein können. Dies wird sich auch nicht von einem auf den anderen Tag ändern, sondern braucht Zeit – aber viel- leicht setzt auch hier die Pandemie einen Beschleunigungsprozess in Gang. Denn Kapital, das geeignete Investments sucht, ist ausreichend vorhanden und der Bedarf der Unternehmen, sich mit Eigenkapital zu finanzieren, ist groß, da die Banken sich höheren Risiken in ihren Kreditgeschäften ausgesetzt sehen und alternative Anlagen kaum Renditen bringen – es schlägt die Stunde des Kapitalmarkts, man muss den Ton nur hören. Die Politik kann einen Beitrag zu einem besseren Investitionsklima leisten, indem sie die Aktienanlage fördert – und nicht durch Steuerankündigungen verunsichert –, institutionellen Investoren einen größeren Spielraum bei der Aktienanlage einräumt und die private Altersvorsorge über Wert- papiere forciert. Noch immer wird in Europa nur etwa ein Drittel der finanziellen Mittel der Unternehmen über den Kapitalmarkt finanziert und zwei Drittel über Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken, während es in den USA genau umgekehrt ist: 73% fließen aus den Kapitalmärkten und nur 27% über Bankenfinanzierung zu. Auf Sicht muss sich Europa hier an die USA annähern, um langfristig international wett- bewerbsfähig zu bleiben – nicht nur bei den Produkten, sondern auch bei den Investoren. Potenzial wäre ausreichend vorhanden Allein im Mittelstand zählt Deutschland schätzungsweise etwa 1.250 kapitalmarkt- fähige Unternehmen, die an die Börse gehen könnten, weil sie über die organi- satorischen Voraussetzungen und das notwendige Wachstumspotenzial verfügen: Potenzial für Investoren und Potenzial für verstärktes Wachstum. Derzeit sind in Deutschland rund 750 heimische Unter- nehmen börsennotiert, und es werden eher weniger als mehr. Wir verfügen in Deutschland also über ausreichend börsenfähige Unternehmen, über eine ausgezeichnete Expertise in vielen Branchen und über fähige Unter- nehmer, gerade auch im Mittelstand. Wir verfügen über erfahrene Emissionsbeglei- ter aus der Finanzbranche und über Börsen, die die Türe aufs Parkett weit offenhalten. Viele Börsengänge des Jahres 2020 wurden verschoben und nicht aufge- hoben, weitere stehen in den Startlöchern. Internationales Kapital nach interessanten Anlagen. So bleibt zu hof- fen, dass auf das „Jahr der Gegensätze 2020“ das „Jahr des Kapitalmarktes 2021“ folgt – und so in die Geschichtsbücher eingeht. Die Börse München ist hierfür bestens vorbereitet. ■ sucht Dezember 2020 35

Titelthema Kapitalmarkt 2020/2021 ein Fiskal programm über 2 Mrd. USD oder mehr stehen nicht ins Haus. Eine Inflationsgefahr sehen die Exper- ten noch nicht. Notenbanken haben eine nochmalige Ausweitung der expansiven Geldpolitik in Aussicht gestellt – Anleger sorgen sich daher zunehmend, dass es zu einer deutlichen Trendwende bei der Infla- tion kommt. Schneider: „Für 2021 ist das aber noch kein Thema.“ Anleihekurse könnten kurzfristig stärker nachgeben In diesem Umfeld gilt es, sich bestmög- lich zu positionieren. „Für Anleger wird 2021 ein Jahr mit Chancen, die gesucht und gefunden werden müssen“, sagt Dr. Stephan. Turbulenzen erwartet der Anlagestratege vor allem an den Renten- märkten. „In den vergangenen beiden Jahren ist das Geld vor allem in Anleihen geflossen und raus aus Aktien.“ Setze jetzt mit der wirtschaftlichen Erholung eine Normalisierung ein und schichte- Investoren wieder um, könnten ten die Anleihekurse nach Dr. Stephans Meinung kurzfristig stärker nachgeben und deren Renditen dementsprechend steigen. Chancen finden Anleger denn auch vor allem an den Aktienmärkten, so die Deut- sche Bank. Die Erwartungen der Unter- nehmensgewinne haben sich für zah- lreiche Firmen stabilisiert, dürften sich für 2021 sogar positiver entwickeln, erklärt Dr. Stephan. Werte, die heuer besonders gelitten haben, werden sich seiner Ansicht nach besonders stark erholen: preiswerte zyklische Aktien der Branchen Tourismus, Industrie, Automobile sowie Metall- und Bergbau. Sie profitieren am meisten von der zu erwartenden Konjunkturauf- hellung. „Die Verlierer der Krise werden aufholen. Die Bewertungsunterschiede zwischen Wachstumstiteln und Value- Aktien sind zu groß geworden, um sie zu ignorieren.“ Weitere Chancen sieht Dr. Stephan wenig überraschend bei Gesund- heitsaktien. Auch bei Technologiewerten stimme der langfristige Trend – „kurzfris- tig könnte es aber aufgrund der hohen Bewertungen sein, dass sie sich in den kommenden Monaten schlechter ent- wickeln als die Titel anderer Branchen“. Das mache Europa als Anlageregion inte- ressanter als die USA, wo IT- und Internet- werte rund 40% des Aktienmarkts aus- machen. Nachhaltigkeit als Chance Es wartet laut Dr. Stephan eine weitere Chance auf Anleger: Nachhaltigkeit. Mit ESG-Investitionen lasse sich Geld ver- dienen, betont der Anlagestratege. Beson- ders deutsche Industrieunternehmen seien in diesem Bereich stark. „Anleger sollten das Thema nicht außer Acht las- sen, auch um ein besseres Chance-Risiko- Profil zu erzielen und damit die Risiken im Portfolio breiter zu streuen.“ Insgesamt, da ist sich die Deutsche Bank sicher, ist 2021 ein chancenreiches Jahr. Impfstoffentwickler dürften am Aktienmarkt weiter gute Nachrichten bringen und für Rückenwind sorgen. Dr. Stephan: „Die Börsen dürften das honorie- ren und auf eine beschleunigte wirtschaft- liche Erholung setzen.“ ■ ANZEIGE Drei Buchstaben, ein Trend. Nachhaltigkeit etabliert sich am Kapitalmarkt. Mit einer überzeugenden Strategie und einer transparenten Kommunikation eröffnen sich neue, nachhaltige Kapitalquellen. Seit über 25 Jahren beraten wir Unternehmen in der Finanz- und Unter- nehmenskommunikation sowie der Nachhaltigkeit. Wir entwickeln Konzepte, beraten zum Inhalt, gestalten und setzen um. Wir schaffen nachhaltige Werte für unsere Kunden. Designing Sustainable Value. WWW.KIRCHHOFF.DE ESG Sparring auf Augenhöhe WIR BRINGEN SIE WEITER

Schwerpunktthema Immobilien die Immobilieneigentümer ihrerseits auf die Beine gestellt haben, um überhaupt investieren zu können? Die Änderung der kalkulatorischen Kosten kann desaströs sein für viele, die in der Erwartung stabi- ler Rahmenbedingungen einst anlegten. Sozialistisch geprägte Klientelpolitik ist da durchaus der korrekte Begriff. Ansteckungsgefahr aus Berlin? Wenn das Berliner Modell bundesweit Schule macht, wäre der Weg in eine sozia- listische Planwirtschaft geebnet: Willkür, Klientelentscheidungen, Investitionsun- wirtlichkeit. Tantzen wirft darüber hinaus die Frage auf, ob diese Vorgehensweise künftig auch andere Wirtschaftsbereiche treffen könnte. Geboomt indes hat 2020 der Markt für Ferienimmobilien. Das klingt zunächst etwas überdenkenswert – wer konnte in investieren Bürger Immobilien, die verlässliche Rahmenbedingungen für ihr Eigentum vorfinden. Hat jemand in der Regierung an die Finanzierungen gedacht, Abb. 1: Google-Nachfrage Suchbegriffspaar „Ferienhaus kaufen“ 2004-2020 Quelle: Google m o c . e b o d a . k c o t s – o n r a x p © i Ferienhäuser – begehrte Geldanlage : o t o F Dezember 2020 39 m o c . e b o d a . k c o t s – i k s i w e n s e l © : o t o F In Frankfurt ist kein Ende des Baubooms abzusehen. ist Nun jedoch auch der Immobili- enhimmel nicht gänzlich blau: Zu- nehmend und wie- derholt mischt sich die Politik in die eigentlich freie Marktwirtschaft ein. Oder wie Theodor J. Tantzen von der Prinz von Preus- sen Grundbesitz AG kürzlich treffend formulierte: „Sozialis- tische Wohnungspolitik erschüttert die freie Marktwirtschaft.“ Theodor J. Tantzen, Preussen Grundbesitz AG Aus der Geschichte lernen Was den namhaften Autor so echauffierte: ein Vorgang, den es so in der über 70-jäh- rigen Geschichte der gesamten Bundes- republik noch niemals zuvor gegeben hat. Für einen gewichtigen Teil des Immobi- liensektors in der fast vier Millionen Bürger beherbergenden Metropole Berlin sei die im Grundgesetz verbriefte freie Marktwirtschaft schlichtweg abgeschafft worden: In Berlin trat der sogenannte Mietendeckel nun auch für Bestands- wohnungen in Kraft, zuvor schon für Neuvermietungen. Für einige Mieter, so Tantzen, bedeute dies schlimmstenfalls eine Halbierung ihrer Monatsmieten. Dieser Eingriff in bestehende (!) Miet- verträge ist sicherlich höchst fragwürdig. Die Regierung in der Hauptstadt ist Rot- Rot-Grün – und dies das Ergebnis. Selbst in besten Berliner Lagen dürfen jetzt aktuell maximal 11,54 EUR pro Quadrat- meter verlangt werden. So sozial es auch gedacht gewesen sein mag: Nur diejenigen

Schwerpunktthema Immobilien m o c . e b o d a . k c o t s – r o g I © : o t o F Front wegfallen werden – der eine oder andere Mitarbeiter wird sich lediglich seine paar extra Tage Heimarbeit pflegen für die Zukunft. Teamarbeit und Net working werden sicher- lich immer ihren Stellenwert behalten. Ganz ohne Kontakte geht es eben sicher auch nicht – man muss Objekte doch mal vor Ort unter die Lupe nehmen, oder nicht? Auch hierbei musste notgedrungen in diesem Jahr etwas improvisiert werden. Und wissen Sie was? Es ging. Etwas abgrenzen muss man den privaten Wohnungskauf, wo Emotionen und Behagen vor Ort eine bedeutende Rolle spielen. Auch ausländische Investoren können Makro- und Mikrolagen im Internet recherchieren, daran wird nichts scheitern. Wer nicht vor Ort besichtigen möchte oder kann, schickt einen Gutachter seiner Wahl durch die Räume: Fotobeschreibung, Videodokumentation, Mängelliste – das geht durchaus im institutionellen Bereich. Ganz klar ist das nicht so gut wie ein persönliches Kennenlernen mit seinem Gegenüber, aber so doch wenigstens ohne große Abstriche umsetzbar. Eine grundsätzliche Frage: Was lässt sich denn eigentlich alles digitaler machen in der Immobilienwirtschaft? Ich meine, hier hat sich in den vergangenen, sagen wir, drei Jahren viel getan. Es werden immer mehr Daten in der Marktbeobachtung gesammelt und ausgewertet. Für sensible Dokumente gibt es Cloudlösungen. Eines sollte man natür- lich stets versuchen zu hinterfragen oder in Erfahrung zu bringen: Welche Analysealgorithmen laufen da im Hintergrund, machen mir als Investor Vorschläge, wie funktionieren die genau? Jeder Investor hat seine eigenen Schwerpunkte, auf die er Wert legt – daher ist wichtig zu wissen, nicht nur was, sondern wie etwas analysiert und interpretiert wird. Muss beim Baurecht etwas verändert werden? Nun – wenigstens das hat Corona ja mal ganz deutlich gezeigt! Viele Bauämter sind einfach zu oder schotten sich ab. Digitale Bebauungspläne sind vielerorts noch komplette Fehlanzeige bei Ämtern. Was also tun, wenn die Behörde pandemiebedingt geschlossen bleiben muss? An Pläne älterer Grundstücke und Immobilien zu kommen, dauert aktuell mitunter viele Wochen. Das ist ein ziemliches Problem, wenn eine Investitionsentscheidung innerhalb von Tagen getroffen werden soll. Da gibt es also durchaus noch etwas Puffer nach oben in puncto Digitalisierung. Herr Knedel, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und die interessanten Einblicke in das Metier. ■ Das Interview führte Falko Bozicevic. 1 % p.a. Setzen Sie Akzente für Ihre Geldanlage. Bei Kauf oder Übertrag von Wertpapieren ab 25.000 € für 6 Monate Festgeld in gleicher Höhe. Angebot freibleibend. Dezember 2020 43 089 59 99 80 www.merkur-privatbank.de

Schwerpunktthema Immobilien G A n e i l i b o m m I R C F © : o t o F Fachmarktzentrum Jüterbog Umfeld. So können wir durchschnittliche Anfangsrenditen von 9% bis 10% erzielen, wobei wir zuletzt einige Objekte am obe- ren Ende der Spanne, also mit mehr als 11% Rendite, erwerben konnten. Kombi- niert mit den günstigen Kapitalmarkt- zinsen bedeutet das natürlich vom Start weg eine sehr attraktive Verzinsung des Eigenkapitals. Aber Sie haben natürlich recht: Im Einkauf liegt der Gewinn. dem sollte betrachtet werden, dass wir auf Objektebene jeweils eine Bankfinanzie- rung mit einbinden, die meistens um die 80% des Investitionsvolumens abdeckt. Ich frage mal zusammen für EK- und FK-Geber an dieser Stelle: Wie sehen denn 2020 aktuelle wichtige Kennzahlen wie EBIT-Zinsdeckung oder Nettover- schuldung zu EBITDA aus? Nach den Neunmonatszahlen 2020 konn- ten wir ein EBIT von 12,3 Mio. EUR auswei- sen; unsere Finanzaufwendungen lagen bei 5,6 Mio. EUR, woraus ein Zins- deckungsgrad von 2,2 resultiert. Ende 2021 können wir die nächste Anleihe zu- rückbezahlen, was den Zinsdeckungsgrad natürlich erheblich verbessern wird. Das klingt so, als wären Sie mit dem Geschäftsjahr 2020 und den weiteren Perspektiven der FCR Immobilien AG sehr zufrieden. 2020 war natürlich ein sehr herausfor- derndes Jahr, aber unser Geschäftsmodell hat sich gerade in diesem Umfeld bewährt. Hier machen sich auch unsere Investi- tionen in künstliche Intelligenz positiv bemerkbar, wodurch wir gerade beim Assetmanagement sehr erfolgreich sind. Ich bin also für den weiteren profitablen Wachstumskurs der FCR Immobilien AG sehr positiv gestimmt. Herr Raudies, einmal mehr ganz herz- lichen Dank für Ihre Zeit und die interes- santen Einblicke. ■ Das Interview führte Falko Bozicevic. Die zunächst vertagte Kapitalerhöhung wird sicherlich früher oder später neu adressiert. Wie weit kommt die FCR mit einem angestrebten Erlös von rund 10 Mio. bis 15 Mio. EUR in Bezug auf die Entwicklungspipeline? Die Kapitalerhöhung haben wir nicht nur im Hinblick auf einen Mittelzufluss geplant – hier haben wir glücklicherweise mehrere Möglichkeiten und überhaupt keinen Zeit- druck, sondern wir wollten dem Wunsch von Investoren nachkommen, dass der Free Float erhöht wird. Für 2021 planen wir den Ausbau unseres Immobilien- bestands um rund 160 Mio. EUR. Hierfür stehen uns, wie angedeutet, verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten inkl. der Mit- telrückflüsse bzw. Gewinnrealisierungen aus Objektverkäufen zur Verfügung. Zu- G A n e i l i b o m m I R C F © : o t o F Hotel & Spa Wasserschloss Westerburg Dezember 2020 45

Schwerpunktthema Immobilien I G A T E R m u s n o K e h c s t u e D © : o t o F in die Branche drängen. Dadurch werden attraktive Ankäufe perspektivisch etwas rarer – dennoch erzielen wir nach wie vor Anfangsrenditen im Bereich von 9% bis 10%. Und Kapitalmarktnotierung als Vorteil? Auf jeden Fall. Das ist ja der Grund für eine Börsennotierung, und den REIT-Status obendrein. Die Transparenz, die Gover- nance, der sichtbare Track Record – das erlaubt uns ja jederzeit – nun gut: prak- tisch jederzeit –, den Kapitalmarkt zu adressieren. Ohne Zweifel ist das ein Vor- teil im Wettbewerb. Und für Investoren gleichermaßen: Sie bekommen ein diversi- fiziertes Portfolio, eine schlanke Manage- mentstruktur und alle Vorzüge bei Trans- parenz, Kosten, Steuern etc. – und sind auch noch liquide im Börsenhandel. Es ist daher kein Zufall, dass unsere beiden REITs leicht über ihrem Substanzwert notieren. Herr Elgeti, einmal mehr besten Dank für Ihre Zeit und die interessanten Einblicke! ■ Das Interview führte Falko Bozicevic. ANZEIGE Wir hatten im Frühjahr bei beiden Real Estate Investments Trusts ja noch mal auf- getankt, sozusagen. Zu dem Zeitpunkt war das eine Vorsichtsmaßnahme, um die Bilanzen zu verstärken – man wusste ja nicht, was noch alles kommt. Vielleicht ergäbe sich eine Situation, wo mal jemand schnell verkaufen muss, und insofern wollten wir vorsorgen. Tatsächlich jedoch ergab sich dann kein akuter Handlungsbedarf. Bei beiden Gesellschaften setzen wir unsere Einkaufsstrategie wie geplant um. Sehen Sie das REIT-Thema hierzulande endlich ein wenig an Bedeutung gewin- nen, oder hat sich die vergangenen Jahre nichts getan? Da hat sich wirklich rein gar nichts getan. Ich bin unverändert der Meinung, dass der REIT eine gute Idee ist, wenn man heute eine börsennotierte Immobilien gesellschaft vom weißen Blatt Papier aus startet. So sind wir ja auch vor rund fünf Jahren entstanden – bewusst und nach intensiver Analyse. Der REIT ist nicht perfekt für jede Assetklasse, aber die eine oder andere Real Estate AG wäre heute sicherlich gerne ein REIT. Durch den Ausschluss von Wohnimmobilien ist nach wie vor die große Masse der infrage kommenden Unternehmen gar nicht davon betroffen. Die Vorteile finde ich heute noch relevanter als seine potenziellen strukturel- len Nachteile. Welche wären das? Früher wurden in der Immobilienbranche häufig Share Deals gemacht, u.a., um die Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Das darf der REIT nicht. Die Möglichkeiten dazu sind heute aber schon stark beschränkt, also viel weniger relevant. Die schlanken Strukturen eines REIT stechen diesen nicht mehr so wichtigen Malus längst aus. Die Deutsche Konsum REIT wird viele Standorte mit dem Partner EnBW mit modernen Schnellladestationen für Elektroautos ausstatten – mehr als ein „Green Labeling“? Das ist natürlich überhaupt kein „Green Labeling“, sondern etwas, das mehr und mehr gefordert wird. Die gesetzlichen Vor- schriften dazu werden in den nächsten Jahren ohnehin kommen. Unabhängig davon werden praktisch alle öffentlichen Anlaufstationen früher oder später in dieser Hinsicht aktiv werden müssen. Da waren wir also lediglich proaktiv früh dran: ein strategischer Schritt mit einem großen, namhaften und verlässlichen Partner, der uns nicht im Klein-Klein auf- hält, sondern gleich eine dreistellige An- zahl an Standorten auszurüsten vermag. Wo verorten Sie denn generell Wachs- tumspotenzial, sowohl bei der Deut- schen Konsum als auch der Deutschen Industrie REIT? Wir machen auch in diesem besonderen Jahr, was wir zuvor schon getan haben – wir kaufen jeweils im dreistelligen Millionen- bereich zu. Insofern gibt es bei uns derzeit keine besonderen News oder gar Maßnah- men. Bei der Deutschen Industrie REIT speziell sehen wir mehr und mehr Kapital RATIONAL. Immer eine gute Investition. Für Kunden und Aktionäre. › › › › Mehr unter: Wir bedanken uns bei unseren Kunden und Aktionären

richtig? Sie wollen doch sicherlich weiter expandieren. Natürlich. Diese Planung entspricht einer Fortschreibung unseres bisherigen Wachs tumstempos – insofern ist es eine Projektion auf die nächsten Jahre. Neu ist, dass wir öffentlich kundgetan haben, diese Wachstumsgeschwindigkeit auch die nächsten Jahre fortführen zu wollen, und uns dazu bekannt haben. Fünf bis acht Objekte mit etwa 15 Mio. bis 20 Mio. EUR Ankaufvolumen pro Jahr sind unsere grobe Linie – wobei das von Jahr zu Jahr variieren kann, denn die einzelnen Trans- aktionen ziehen sich oft sehr lange hin. Wir hatten mal ein Objekt, da dauerte es sage und schreibe 50 Monate, bis wir end- lich beim Notar saßen. Umgekehrt war letztes Jahr ein Objekt binnen drei Wochen durch. Gibt es denn weiterhin genügend Objekte, die infrage kommen? Wir werden überschüttet mit Objektange- boten – daran mangelt es nicht. In unse- rem Marktsegment kommen schätzungs- Schwerpunktthema Immobilien DEFAMA Deutsche Fachmarkt AG (ISIN: DE000A13SUL5) Quelle: Tai-Pan weise rund 1.000 Objekte pro Jahr auf den Markt, und am Ende stehen ganze fünf bis acht, bei denen wir einen Abschluss machen. Herr Schrade, ganz herzlichen Dank für die interessanten Hintergründe! ■ Das Interview führte Falko Bozicevic. ADVERTORIAL Medios AG: Spezialmedizin fürs Depot Breite Aufstellung im Wachstumsmarkt Spezialpharma Medios hat sich auf die Versorgung von Patienten mit hoch- preisigen Arzneimitteln für chronische und/oder seltene Erkran- kungen spezialisiert, deren Therapie meist sehr langwierig und teuer ist. Zudem stellt das Unternehmen patientenindividuelle Therapien (zum Beispiel in Form von Infusionen) her. Dadurch kann Medios überproportional vom ohnehin schon starken Wachstum des Specialty Pharma Marktes profitieren. Für das Jahr 2020 erwartet Medios eine Umsatzsteigerung von 18 bis 22 % auf 610 bis 630 Mio. €. Der Markt in Deutschland dürfte um 9 % auf bis zu 16 Mrd. € zulegen. Wachstumstreiber sind insbesondere die Zunahme chronischer Erkrankungen, die Entwicklung neuer Wirkstoffe und die Individualisierung von Therapien. Neue Wachstumschancen Dank einer Neuregelung kann Medios seit September auch Hämophilie-Präparate an seine Partnerapotheken ausliefern. Doch auch Übernahmen spielen eine wichtige strategische Rolle. Mit der Akquisition des pharmazeutischen Großhändlers Cranach Pharma, die vorbehaltlich der Zustimmung des Bundeskartellamtes im ersten Quartal vollzogen werden dürfte, würde sich der Konzernumsatz von Medios in 2021 deutlich auf über eine Mrd. € erhöhen. Und auch das Partnernetzwerk würde sich spürbar von rund 330 auf rund 500 spezialisierte Apotheken vergrößern. Darüber hinaus könnte Medios das dann erweiterte Produktangebot sowie Synergien in Einkauf, Vertrieb und Logistik nutzen. Für weitere Übernahmen ist Medios gut ausgestattet.

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Die virtuelle Hauptversammlung hilft uns gerade dabei, dass die Aktionäre ihre Rechte auch in der Corona-Zeit so gut wie möglich wahrnehmen können. Vieles läuft noch etwas holprig, was angesichts der kurzen Anlaufzeit niemanden verwundern kann – sowohl die Veranstalter als auch die Teilnehmer müssen sich erst in der neuen „Umgebung“ zurechtfinden. Vieles klappt aber auch überraschend gut. Vielen fällt positiv auf, dass die virtuelle Form für Berufstätige und Auslands- anleger die Teilnahmehürden senkt, was wiederum die Präsenzquote begünstigt. Wieder andere lesen aus ihren Auswertun- gen, dass sich auch andere Aktionäre mit ihren Fragen an das Unternehmen wenden – weil die mentale Hürde entfällt, vor dem Plenum sprechen zu müssen. Die bisherigen Auswertungen der letzten Veranstalter zeigen insgesamt, dass Quantität und Qualität der Fragen in etwa dem Vorjahr entsprechen. Bei allen positiven Erfahrungen mit der virtuellen Form hat auch die Präsenzver- anstaltung weiter ihre Stärken: Sie schafft für die Anleger die turnusmäßige Möglich- keit für einen unmittelbaren Austausch – mit dem Vorstand, aber auch untereinan- der. Dies ist vor allem für Kleinanleger ein großes Plus. Außer Zweifel steht zudem, dass sich in einer Präsenzveranstaltung eine besondere Diskussionskultur entfal- ten lässt: Die Unmittelbarkeit der Situation erlaubt direkte Nachfassfragen und er- möglicht das Aufnehmen von Stimmungen abseits des Podiums. Bei allen Vorteilen für das eine oder das andere: Welche der beiden Austra- gungsformen ist für die Zukunft nun die bessere Lösung: „virtuell 1.1“ oder „analog 2.0“? Theoretisch denkbar, in der Praxis aber eher schwierig wäre noch die Hybrid- form, also beides zugleich. Diese Option Bei allen positiven Erfahrungen mit der virtuellen Form hat auch die Präsenz- veranstaltung weiter ihre Stärken. würde wohl aber neben erhöhten Kosten auch erhöhte Risiken mit sich bringen, die niemand will. Denn ob analog oder virtuell: Die Hauptversammlung bleibt auf jedem Austragungsweg eine aufwendige und zugleich äußerst sensible Veranstal- tung. In dieser Entscheidungssituation könnte es eine Idee sein, einmal ganz neu zu den- ken: Was wäre, wenn die Unternehmen unter Einbindung der Aktionäre per Satzungsbeschluss selbst wählen würden, welche Form für sie die passende(re) ist? Die Wahl für die Austragungsform könnte eine grundsätzliche sein oder auch eine, die der Vorstand mit Ermächtigung durch den Aufsichtsrat von Jahr zu Jahr neu trifft – je nachdem, welche Form des Dialogs zwischen Unternehmensvertre- tern und Aktionariat sich in der jeweiligen Phase anbietet. Echte Aktionärsdemokratie Der Weg, über die Satzung die Aktionäre entscheiden zu lassen, entspräche einer echten Aktionärsdemokratie. Er würde den Unternehmen die Möglichkeit geben, das Format der Hauptversammlung flexi- bel an den Bedürfnissen der Aktionäre und des Unternehmens auszurichten. Wir sprechen in der Marktwirtschaft so gern davon, dass der Kunde König ist und wir unser Handeln daran ausrichten – warum wenden wir dieses Prinzip nicht einfach auch in der Hauptversammlungs- frage an? Ich kann mir gut vorstellen, dass der Aktionär dies sehr begrüßen würde. In diesem Sinne möchte ich anregen, einmal darüber nachzudenken, ob der Königsweg nicht auch hier eine gute Wahl wäre. Nur an Althergebrachtem festzuhal- ten, ist nicht zielführend und bringt uns nicht weiter, genauso wenig wie das Brechen mit bewährten Traditionen nur um des Neuen willen. Die Chance zum Dialog ist da und Bedingungen für eine Veränderung günstig. Lasst uns diese Chance gemeinsam nutzen. Weihnachten steht vor der Tür, und an vielen Orten wird man sich wieder fragen: „Wünsche ich mir ein Buch oder doch lieber den Kindle?“ Beides hat seine Vorteile, und im Kern erhalte ich in beiden Fällen das Gleiche. In diesem Wissen treffe ich meine Entscheidung auch in diesem Jahr wieder sehr entspannt. Vielleicht wähle ich ja im nächsten Jahr wieder die andere Variante. ■ Being Public Aus- und Weiterbildung: u CIRO – Certified Investor Relations Officer 2020, 4.9.2020–24.4.2021 (FFM) u Digitale IR-Trends, 21.1.2021 (virtuell) u CIRO – Mod. D: Rechtliche Rahmen bedingungen IR, 22./23.1.2021 (FFM) u CIRO – Modul E: Kommunikation, 12./13.2.2021, 19./20.2.2021, 26./27.2.2021 (FFM) u CIRO – Certified Investor Relations Officer 2021, 16.4.2021–8.1.2022 (FFM) u Kompaktkurs Investor Relations, 1./2.6.2021 (FFM) Sonstige Veranstaltungen: u Mitgliederversammlung Frühjahr, 5.3.2021 (virtuell) u 24. DIRK-Konferenz, 21./22.6.2021 (FFM) Interessenten erhalten weitere Infor- mationen unter www.dirk.org/termine Kontakt: DIRK – Deutscher Investor Relations Verband Reuterweg 81, 60323 Frankfurt T. +49 (0) 69.9590-9490, F. -94999 info@dirk.org www.dirk.org Dezember 2020 57

The Edge Consulting Group insgesamt 45 am Kapitalmarkt stattgefundene Carve-outs in sieben Ländern im Zeitraum von 2015 bis März 2020 genauer analysiert und u.a. folgende Erkenntnisse herausge arbeitet: in Die Aktienkursentwicklung von Carve-out- Unternehmen ist insgesamt vorteilhaft. Das Ziel, durch die Gründung eines unab- hängigen Unternehmens mit eigenen Zielen den Shareholder Value zu maximie- ren, scheint in vielen Fällen erreichbar zu sein. Die meisten Carve-out-Unternehmen übertreffen ihrer Performance ver- gleichbare Indizes (siehe Abb. 1 und 2). Interessant ist hierbei die Differenzie- rung zwischen Carve-outs von Teileinhei- ten mit und ohne Beherrschungsverlust des über geordneten Konzerns. Die empiri- sche Studie zeigt, dass die Aktienkursent- wicklung ins besondere in jenen Fällen vorteilhaft ist, bei denen der übergeordne- te Konzern die Beherrschung aufgibt. Dies könnte darin begründet liegen, dass ein tatsächlich entkoppelter, unabhängiger Konzern ohne die (dominierende) Ein- flussnahme des ehemaligen Mutterkon- zerns noch konsequenter eine strategi- sche Neuausrichtung forcieren kann. Daneben scheinen auch der Abschluss von lang laufenden Transitional Service Agreements (siehe auch unten) und ein angemessener Leverage (definiert als Netto verschuldung geteilt durch EBITDA; in unserer Analyse belief sich das typi- sche Leverage-Profil auf unter zwei) Treiber für eine positive Aktienkursent- wicklung zu sein. Being Public Abb. 3: Am häufigsten von TSAs abgedeckte Bereiche Quelle: KPMG in Deutschland, 2020 Abb. 4: TSA-Laufzeit und Aktienkursentwicklung Quelle: KPMG in Deutschland, 2020 Abb. 2: Aktienkursentwicklung und Beherrschungsmacht Quelle: KPMG in Deutschland, 2020 Carve-out-Prozesse sind zeitintensiv und erfordern eine vorausschauende Planung. Transitional Service Agreements (TSAs) spielen dabei eine entscheidende Rolle. TSAs können verschiedenste Bereiche abdecken. Insbesondere administrative Aufgaben wie z.B. IT, HR, Finance und Accounting werden häufig durch TSAs abgedeckt. Es scheint ein positiver Zusammenhang zwischen der Laufzeit von TSAs und der Performance des Carve- out-Unternehmens zu bestehen. Das liegt vor allem daran, dass TSAs zu einem reibungslosen Übergang im Rahmen der Entkopplung beitragen können. Allerdings ist entscheidend, dass alle relevanten Parameter und Konditionen eindeutig definiert und konkretisiert werden, um zukünftige Konflikte zwischen den beiden Parteien zu vermeiden (siehe Abb. 3 und 4). Dezember 2020 59

Planen Sie ein Investment in Schweizer Immobilien oder Immobilienprojekte? Wir unterstützen Sie bei allen rechtlichen Fragen entlang des gesamten Lebens zyklus einer Immobilie vom Erwerb bis zum Verkauf von Immobilien sowie von der Planung bis zum Bau und zur Nutzung von Gebäuden und Grundstücken. Als Legal500 Band 1 Kanzlei sind wir u.a. auf Detail fragen rund um die sog. Lex Koller im Zusammenhang mit Restriktionen bei Investments in Wohn immobilien und unbebaute Grundstücke spezialisiert. Wir decken die ganze Schweiz ab und beraten Sie unter Beizug unseres Genfer Büros in deutscher Sprache auch in der französischen Schweiz. Kontakte Dr. Wolfgang Müller, Partner Zürich wolfgang.muller@mll-legal.com Cosima Trabichet-Castan, Partnerin Genf cosima.trabichet-castan@mll-legal.com Meyerlustenberger Lachenal Rechtsanwälte – Attorneys at Law www.mll-legal.com | www.mll-news.com Zürich | Genève | Zug | Lausanne

Being Public und „Verbesserung des Umweltschutzes als Unternehmensziel“ von erheblicher Bedeutung (siehe Abb. 1). Ökologische Nachhaltigkeit Das Thema Umweltschutz spielt auch 2020 eine immer bedeutendere Rolle. Während noch vor drei Jahren fast 30% diesen Sektor als weniger wichtig oder gar unwichtig einstuften, ist er in diesem Jahr für nur noch lediglich 2% unwichtig. Die verbleibenden 98% teilen sich in „neutral“ (34%) und „wichtig“ (64%) auf. Eine CO2- Bilanz/Klimabilanz erstellen 38% der befragten Unternehmen und stellen diese überwiegend im Nachhaltigkeitsbericht zur Verfügung. Auf die Frage „Welchen Beitrag leistet Ihre Gesellschaft zusätzlich für den Um- weltschutz?“ finden sich die Antworten wie auch im letzten Jahr hauptsächlich in den Antworten Ökostrom und besondere Energieeffizienzsysteme. Elektroautos/ E-Bikes im Fuhrpark haben inzwischen 55% der befragten Unternehmen (Vj. 31%). Über ein Viertel führt hier sogar Mitarbei- terschulungen zum Umweltschutz durch. In den Corona-Zeiten mit erhöhter Digitali- sierung ist auch das „Papierlose Büro“ wieder stärker in den Fokus gerückt. (sie- he Abb. 2). Lediglich 4% leisten keinen Bei- trag zum Umweltschutz (Vj. 11%). Ethische und soziale Nachhaltigkeit – der Mensch im Mittelpunkt Bei fast 90% der befragten Unternehmen steht „der Mensch“ im Mittelpunkt (Vj. 79%). Abb. 2: Welchen Beitrag leistet Ihre Gesellschaft zusätzlich zum Umweltschutz? Ökostrom eigene Stromerzeugung papierloses Office 11% besondere Recyclingverfahren 38% 22% 27% 31% 25% Unterstützung von Umweltorganisationen 13% 17% 62% 56% Elektroautos/E-Bikes im Fuhrpark besondere Energieeffizienzsysteme besondere Müllentsorgungskonzepte 55% 31% 40% 36% 36% 48% Green-IT-Hardwareausstattung 16% Mitarbeiterschulungen zum Umweltschutz Andere Keine 0% 13% 4% 11% Quelle: GBC AG 22% 26% 25% 2020 2019 Ebenfalls bilden fast 90% der befragten Mittelständler aus, um z.B. junge Men- schen früh an das Unternehmen zu binden und sich den Nachwuchs in gewissen Bereichen frühzeitig zu sichern. Wie wichtig der Mensch im Unternehmen ist, spiegelt auch die Frage nach kostenfreien Trainings-/ Schulungsmöglichkeiten. 93% bieten solche an – 76% in Form von IT-Fortbildungen, 69% Sprachkurse, 49% duale Studienange- bote, 31% Ausbilderscheine und 27% andere (fachliche Fortbildungen, Soft-Skill-Fort- bildungen, Führungstrainings usw.) Erstmals haben wir nach der durch- schnittlichen Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter gefragt, wobei 27% eine Zuge- hörigkeit von drei bis fünf Jahren, 42% eine Zugehörigkeit von sechs bis neun Jahren und 31% sogar eine Zugehörigkeit von über zehn Jahren angaben – insge- samt aus unserer Sicht eine sehr erfolgreiche langfristige Mitarbeiterbindung in der sich immer schneller verändernden Arbeits- welt. Auf die Frage, ob es Maßnahmen für ein besonders nachhaltiges Arbeits- umfeld gibt, bejahten alle Gesellschaften. Insbesondere Homeoffice mit 87% (Vj. 81%), Gesundheitsangebote mit 67% (Vj. 69%) legen weiter zu oder bleiben auf hohem Niveau, und auch Teilzeitstellen ANZEIGE

Being Public Abb. 4: Welche Note geben Sie sich für die Umsetzung des Themas Nachhaltigkeit im Unternehmen? 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 39% 40% 37% 27% 20% 14% 7% 2% 7% 4% 3% 2% Note 1 Note 2 Note 3 Note 4 Note 5 Note 6 2019 2020 Quelle: GBC AG Nachhaltigkeitsberichte und deren Bedeutung Laut unserer Umfrage erstellen mittler- weile ähnlich zum Vorjahr fast 70% einen CSR-/Nachhaltigkeitsbericht, mit 47% überwiegend nach GRI-Standards, 38% nach dem Deutschen Nachhaltigkeits- kodex, davon über ein Drittel bereits seit drei bis fünf Jahren. Mittlerweile glauben nur noch 20% der Befragten, Nachhaltigkeitsberichte haben derzeit keinen oder wenig Einfluss auf die Attraktivität ihres Unternehmens (Vj. 30%). 64% der Unternehmen sind inzwischen der Meinung, dass diese künftig auch wichtig für Anleger sein werden (Vj. 43%) – ein deutlicher Sprung. Wir haben außerdem nach der Umset- zung des Themas Nachhaltigkeit im Unter- nehmen gefragt und diese einschätzen lassen (siehe Abb. 4). So geben sich die Unternehmen auch hier wieder zuneh- mend bessere Noten. Nachhaltigkeitsinvestoren zeigen weiterhin Interesse am Mittelstand In diesem Jahr hat uns erneut interessiert, ob es in der Vergangenheit bereits Interesse am Unternehmen seitens Nachhaltigkeits- investoren (z.B. von Stiftungen) gegeben hat. 50% der Befragten bejahten dies, was eine erneute Steigerung bedeutet (Vj. 40%). Hier zeigt sich die weiter steigende Bedeu- tung des Themas Nachhaltigkeit bei insti- tutionellen Investoren. In der Zukunft wird es besonders spannend, denn wir erwar- ten hier einen steilen Anstieg. Fazit Der deutsche Mittelstand hat das Thema Nachhaltigkeit deutlich im Fokus und nimmt sowohl die Teilbereiche ökologi- sche, ethische und soziale sowie natürlich auch die ökonomische Nachhaltigkeit sehr ernst. Die Corona-Krise ist hier eben- falls ein weiterer Katalysator für die stei- gende Bedeutung. So steht der „Mensch“ als Mitarbeiter besonders im Mittelpunkt und ist für den Mittelstand besonders wichtig. Der Nachhaltigkeitsbericht als Instrument und Dokument für Investoren hat sich mittlerweile fest etabliert, und seine Bedeutung steigt in Zukunft weiter. Zudem erstellen inzwischen über 70% der befrag- ten Unternehmen einen solchen Bericht, um sich transparent zu zeigen. Mittlerweile hat die Hälfte der Unternehmen bereits Interesse von Nachhaltigkeitsinvestoren erfahren. Vor dem Hintergrund der erwar- tungsgemäß stark steigenden Bedeutung des Themas ESG für alle Investoren ist der Mittelstand aus dieser Sicht somit gut gerüstet, um als „nachhaltiges Invest- ment“ attraktiv zu sein. ■ ANZEIGE PARTNERSCHAFT entwickeln. Das Hausbankprinzip für den Kapitalmarkt. BankM AG Mainzer Landstraße 61 D - 60329 Frankfurt am Main www.bankm.de Kontakt: Dirk Blumhoff / Ralf Hellfritsch T +49 (0)69-71 91 838-10 info@bankm.de

Abb. 1: Nationale Pläne zur Abschaltung von Kohle- und Atomkraftwerken Being Public *) Ersatz von 2/3 der Kapazität Quelle: ENCAVIS AG Klagen- und Gerichtsverfahren, vor allem aber auch strengere Abstandsregelungen zu Wohngebieten einen deutlichen Rückgang des Zubaus zur Folge. Im Jahr 2019 wurde lediglich 1 GW Windenergie an Land instal- liert. 2020 hat sich diese Flaute weiter fort- gesetzt. Nach Angaben der Bundesnetz- agentur wurden in mehreren Ausschrei- bungsrunden in diesem Jahr ausschließlich Solarprojekte und kein einziges Windener- gieprojekt vergeben. Die weitere Entwicklung der Windenergie ist nur schwer zu prog nos- tizieren. Sie hängt im Wesentlichen von den politischen Rahmenbedingungen ab. Anders sieht es zu Wasser bei den Offshore- Anlagen aus. Durch die Änderungen beim Windenergie-auf-See-Gesetz im Herbst 2019 dürften sich die Neuinstallationen bis 2030 auf 19 TWh verdoppeln und bis 2040 dann noch einmal auf 44 TWh. Hier stellt sich jedoch die Frage des Ausbaus der Netzkapa- zitäten, um den auf See produzierten Strom in die verbrauchsstarken Regionen des Südens zu transportieren. Der Stromimport ist das Ausgleichs- element in der Bilanz zwischen heimischer Stromproduktion und -nachfrage. War Deutschland viele Jahrzehnte lang Strom- exporteur, so wird sich die Bilanz sukzes- sive auf die Importseite verschieben. Spä- testens hier wird aber der klimapolitische Arm, egal welcher Bundesregierung, nur begrenzten Einfluss haben. versorgung wird also bestimmt u vom Ausstieg aus Kernenergie und Kohle, Fazit: Die Zukunft der deutschen Strom- u vom begrenzten Ausbau von Wind an Land, u von einer nahezu konstanten Stromer- zeugung aus Bioenergie und Wasserkraft sowie u von dem Ausbau der Netzkapazitäten für Offshore-Wind und Stromimport. Selbst dem laienhaften Betrachter fällt sofort auf, dass ein solches Szenario die Ver- sorgungssicherheit unserer Volkswirtschaft bei gleichzeitigem Einhalten der klimapoli- tischen Ziele nicht gewährleisten kann. Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit unseres Energiesystems und zum Erreichen der klimapolitischen Ziele wird die Fotovoltaik damit zu der entscheidenden Schlüsseltech- nologie mit dem größten Wachstumspoten- zial – und das auch noch innerhalb der kür- zesten Realisierungszeiten. ist Leistung der Fotovoltaik muss steigen Ein weiterer wesentlicher Treiber der erneu- erbaren Energien ihre zunehmende Wirtschaftlichkeit. Die aus Solarparks gewonnene Energie ist, gemessen an den Gesamtkosten, schon heute die mit Abstand günstigste Form der Stromerzeugung. Die Investitionskosten sind inzwischen deutlich gesunken, sodass die Preise für Solarstrom auf oder unter Marktpreisniveau liegen. Zum Schließen der oben beschriebenen Lücke muss die installierte Leistung der Fotovoltaik von heute 48 GW bis 2030 auf 162 GW steigen. Das heißt aber auch: Bei einem weiterhin nur moderaten Ausbau von derzeit lediglich 2,5 GW pro Jahr wird es bereits ein Jahr nach dem Ausstieg aus der Kernenergie 2022 dennoch eine Versor- gungslücke geben. Um das zu verhindern, müssten in den kommenden Jahren mindes- tens 12 GW Solar pro Jahr zugebaut werden. Das aber ist selbst bei einem noch so rasanten Wachstum noch nicht vorstellbar. Fazit Ein realistisches Szenario unterstellt, dürfte die Fotovoltaik gemessen an ihrer installier- ten Nettoleistung aber bereits in fünf Jahren der größte Energieträger in Deutschland sein. In zehn Jahren sollten Solaranlagen dann bereits für die Hälfte des deutschen Kraftwerkparks stehen. Ihr Anteil steigt bis 2040 auf 58%. Fotovoltaik und Windenergie decken dann gemeinsam 75% der deutschen Stromproduktion ab, wobei Solar am stärks- ten wachsen wird. Der volkswirtschaftliche Beitrag der Fotovoltaik ist ebenso beachtlich. Der weitere Ausbau wird begleitet von einem deutlichen Aufbau der Beschäftigung und einem star- ken Wachstum der Investitionen. Die Zahl der direkt in dieser Industrie beschäftigten Mitarbeiter wird sich von derzeit 29.000 auf rund 72.000 im Jahr 2040 mehr als ver- doppeln. Hinzuzuzählen sind dann noch die positiven Effekte bei den indirekten Arbeitsplätzen. Innerhalb des deutschen Energiesystems wird die Fotovoltaik in kommenden Jahren damit zusammen- gefasst zum Motor für Konjunktur, Klima und Beschäftigung. ■ Dezember 2020 67

um grünen Wasserstoff zu fördern und damit massentauglich zu machen? Der Markthochlauf der Wasserstofftechno- logien wird nicht ohne öffentliche Förde- rung auskommen, um zumindest in der Übergangsphase bestehende Kostennach- teile auszugleichen und beispielsweise die Umrüstung der Stahlproduktion zu unter- stützen. Wasserstoffunternehmen sind seit Mo- naten im Fokus der Investoren – setzen die Anleger Ihrer Meinung nach auf das richtige Pferd? Die Bewertungen der reinen Wasserstoff- aktien, etwa aus den Bereichen Brenn- stoffzellen und -erzeugung, sind teilweise schon sehr ambitioniert. Daher lohnt sich auch der Blick auf etablierte Player wie die Industriegasspezialisten Air Liquide und Linde oder auf die BASF als einen führen- den Player bei türkisem Wasserstoff. Als Marktführer bei Software für Strom- und Gasnetze und Enabler der Integration erneuerbarer Energien haben wir in der Vergangenheit erlebt, dass zwischen poli- tischen Ankündigungen und der konkreten Umsetzung oft viele Jahre vergehen. So erfordern notwendige Anpassungen des regulatorischen Rahmens oft komplexe politische Prozesse. Hier sehe ich im Hinblick auf die heutigen Bewertungen zumindest vorübergehend ein gewisses Potenzial für Enttäuschungen. Wo steht grüner Wasserstoff Ihrer Einschätzung nach in fünf Jahren? Derzeit erleben wir, dass unsere Kunden im Bereich Gasnetze ihre bestehende Netz-Management-Software um Funktio- nen für die Integration höherer Wasser- stoffanteile in das Gasnetz erweitern. Dies umfasst beispielsweise eine regelkonforme Lecküberwachung für Wasserstoff und eine angepasste Gasbeschaffenheitsver- folgung, durch die unter anderem der CO2- Footprint jeder Gaslieferung berechnet werden kann. Für die kommenden fünf Jahre erwarte ich daher einen steigenden Anteil grünen Wasserstoffs am Energiemix durch die bessere Nutzung der bestehenden Gas- Being Public m o c . e b o d a . k c o t s – n g i s e d l i . a e b © : o t o F infrastruktur und den schrittweisen Aus- bau der Produktionskapazität. Dabei wer- den die meisten Projekte zunächst noch einen Pilotcharakter haben, aber die Voraussetzungen für den breiteren Ein- satz schaffen. Die Ablösung der fossilen Energieträger und der Aufbau einer CO2- neutralen Wirtschaft werden aber meh- rere Jahrzehnte dauern und erhebliche Investitionen erfordern. Damit bleibt das Investment in Wasserstofftechnologie und ihre Enabler auch langfristig attraktiv. Herr Pierschke, vielen Dank für das Gespräch. ■ Das Interview führte Isabella-Alessa Bauer. ANZEIGE

Engere Abstimmung gefordert Der sich abzeichnende Trend zu einem Stakeholderbericht impliziert die Notwen- digkeit einer engeren Abstimmung zwischen Unternehmenskommunikation und Repor- ting. Die Unternehmenskommunikation arbeitet kontinuierlich an der Vermittlung relevanter Botschaften an diverse Stake- holder. Ein überzeugender Jahresbericht, der sich an ein ähnlich breites Publikum richtet und sich stärker auf Inhalte wie Geschäftsmodelle, Produkte und soziale sowie ökologische Auswirkungen konzen- triert, muss mit dem Messaging und Story- telling der Unternehmenskommunikation im Einklang stehen. Der Corporate Re- porting Monitor 2020 zeigt, dass zwar nur 30% der befragten Unternehmen den Un- ternehmensbericht formell in ihre Kom- munikationsstrategie integriert haben, aber weitere 58% zumindest versuchen, ein gewisses Maß an Kohärenz zwischen Kommunikation und Berichterstattung zu gewährleisten. „Nachhaltigkeit“ ist ein von Unterneh- men häufig genannter Grund, warum sie keine gedruckte Version ihres Jahres- berichts mehr anbieten. Der Corporate Reporting Monitor 2020 zeigt eine merk- liche Verschiebung von „Print-first-Ansät- zen“ (von 33% im Jahr 2019 auf 20%) hin zu „PDF first“ (59%; 2019: 51%) oder „online first“ (20%; 2019: 16%). Das European Single Electronic Format (ESEF) ist ein neues Format und eine neue Berichts- pflicht für Unternehmen in der Europä- m o c . e b o d a . k c o t s – t r e f l o w o e l © : o t o F Being Public Abb. 2: Rolle von Nachhaltigkeit in Strategie und Governance Nachhaltigkeit als Bestandteil der Geschäftsstrategie Nachhaltigkeit als Bestandteil der Vorstandsvergütung Weiß nicht 2% Nein 22% Andere 10% Keine Angabe 15% Ja 20% Weiß nicht 10% Ja 66% Quelle: Center for Research in Financial Communication ischen Union ab 2021. 23% der betroffenen Unternehmen sind noch unentschlossen, wie sie das erforderliche Berichtsformat erstellen wollen. Unter jenen, die sich für eine XBRL-Lösung entschieden haben, hat sich die Mehrheit für ein umfassendes internes Tool entschlossen („built-in“), anstatt sich auf Dienstleister zu verlassen („bolt-on“). Separat oder integriert Der Corporate Reporting Monitor 2020 be- inhaltete einen Schwerpunkt zur Nachhal- tigkeitsberichterstattung. Die Ergebnisse Nein 55% zeigen, dass die meisten Unternehmen (40%) einen separaten Nachhaltigkeits- bericht erstellen, der einige Zeit nach dem Unternehmensbericht veröffentlicht wird. Nur 14% veröffentlichen einen integrierten Bericht. Während die Unternehmen in der Regel ihre wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen definiert haben (71%), veröffentlichen nur 57% langfristige Nachhaltigkeitsziele, nur 55% einen Fortschrittsbericht, und noch weniger, nämlich nur 32%, bieten eine Prognose zur Nachhaltigkeitsperfor- mance an. Damit erweist sich die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung als sehr unterschiedlich – und bei vielen besteht noch Raum für Verbesserung. Und die Verankerung? Die Qualität der Berichterstattung hängt jedoch nicht zuletzt von der Verankerung der Nachhaltigkeit in Unternehmens- strategie und Governance ab (siehe Abb. 2). 66% der befragten Unternehmen geben an, dass die Nachhaltigkeit in ihre Unternehmensstrategie integriert wurde, während sie bei nur 20% auch ein Faktor bei der Vorstandsvergütung ist. Infolge- dessen wird die interne Verankerung als eines der Haupthindernisse für eine hoch- wertige Nachhaltigkeitsberichterstattung genannt. Eine solche Verankerung ist auch die Voraussetzung für eine glaubwürdige Vermittlung von Nachhaltigkeitsthemen an die Stakeholder, einschließlich der Financial Community. ■ Dezember 2020 71

erwarten wir, dass der Knoten endlich platzt. Die Automobilindustrie wird sich verändern müssen. Wir sind uns sicher, dass wir hier helfen können. Unsere Produkte sind kostengünstig, haltbar und innovativ. Der Markt ist also groß genug und noch lange nicht gesättigt? Richtig. Deshalb werden vor allem VW und Tesla sich in naher Zukunft, wenn es um die weitere Durchsetzung der E-Mobi- lität geht, in keinem Fall die Butter vom Brot nehmen lassen. Und die Treffen zwischen Herrn Musk und Herrn Diess werden weiterhin entspannt ablaufen – in diesem frühen Stadium der Entwicklung muss niemand dem anderen Marktanteile abjagen. Technisch gibt es aber einen entscheidenden Unterschied der Speicher- elemente zwischen Tesla und VW – aber auch zu Mercedes oder BMW. Tesla ver- baut Rundzellen, also kleinere Einheiten kompakt, während die deutschen Automo- bilhersteller auf die unflexibleren Prisma- zellen gesetzt haben. Für die großen Auto- bauer gibt es schon aus politischen Grün- den keinen Weg mehr an Elektrofahrzeugen vorbei. Bei wem sehen Sie aktuell die technische Marktführung – aber auch nach vorne gedacht, zukünftig? Das Ziel des Benutzers ist, möglichst schnell zu laden, eine hohe Nutzerfreund- lichkeit gepaart mit einer langen Laufzeit. Technologisch gesehen ist das ein ziem- licher Balanceakt. Fast alle europäischen Hersteller verwenden große sogenannte prismatische Zellen. Das führt schon oder zumindest bald zu einem Mangel dieses Batterietyps auf den Weltmärkten. Gleich- zeitig werden prismatische Zellen nämlich auch als industrielle Batteriespeicher- systeme oder für Heimspeicher verwendet. Tesla verwendet stattdessen Rundzellen. Tesla wie auch E-Stream Energy sehen bei Rundzellen unschlagbare Vorteile gegen- über prismatischen Zellen in Bereichen wie Energiedichte, thermisches Manage- ment, Sicherheit, Performance, Flexibilität, Nachhaltigkeit und Kosten. Die Autokäufer wollen eine möglichst hohe Reichweite, schnelle Ladung und möglichst kosten- günstig unterwegs sein. Das sind momen- tan die großen Pros von Tesla, aufgrund der Technologie, die E-Stream auch ver- wendet und sogar noch deutlich weiter- entwickelt hat. Was genau werden denn Ihre nächsten Schritte sein? Wir werden zukünftig unsere Module auf gezielten Plattformen für Automobilher- steller als auch Zulieferer präsentieren, um strategische Partnerschaften im Bereich der Industrialisierung zu knüpfen. Ebenfalls überlegen wir uns aktuell, mit einem ausländischen Automobilhersteller zu kooperieren und unsere Speicher- elemente in diese Fahrzeuge einbauen zu lassen. Bei den Festanlagen sinken die Einspeisevergütungen signifikant. Anbie- ter versuchen fast schon verzweifelt, ihre Anlagen noch wirtschaftlich zu betreiben. Wir sehen in Deutschland nach der zwan- zigjährigen Förderung erstmals Anlagen, die aus dem EEG herauskommen – die aber noch eine Restnutzungsdauer haben, wodurch sich Betreiber die Frage stellen, was sie nun damit tun sollen. Wir reden aber nicht nur von Deutschland, sondern mittelfristig von Europa und perspekti- visch vielleicht sogar von den USA. Der Trend zur CO2-Vermeidung oder -Reduzie- rung ist inzwischen überall erkennbar. Damit wird unser nächster Schritt bei den stationären Anwendungen der Eintritt in sowohl inländische als auch ausländische neue Märkte sein. Sie sehen, E-Stream ist in einem Wachstumsmarkt unterwegs, der noch in den Kinderschuhen steckt, sich aber sehr schnell entwickelt. Auf welchen Bereichen liegt derzeit Ihr Hauptaugenmerk? In unserem Kompetenzzentrum in Mönchen- gladbach können mögliche Kooperations- partner unsere Produkte und Prototypen auf Herz und Nieren prüfen. Durch diese Transparenz ist es uns gelungen, bereits mehrere Projektpartner für z.B. die Ent- wicklung eines Antriebs für ein Hybrid- Being Public fahrzeug zu gewinnen. Neben der geziel- ten Suche nach weiteren Projektpartnern und Kooperationen fokussieren wir uns jetzt nach der erfolgreichen Entwicklung auf den Vertrieb unserer Batteriezellen, Module und Speicherschränke. Natürlich ist die Steigerung unseres Bekanntheits- grads ein weiteres großes Thema, um uns in dem gehobenen Segment zu positionie- ren. Damit wäre es automatisch einfacher, Kooperationen mit Premium-Automobil- herstellern und deren unmittelbaren Zulieferern zu generieren. Momentan ist das Unternehmen leider noch zu wenig bekannt. Glauben Sie mir – wir arbeiten daran und wir sind von unserem Produkt absolut überzeugt. Dementsprechend werden wir auch unseren F&E-Bereich weiter stärken. Außerdem wären wir damit in der Lage, größere Anlagen im stationären Bereich selbst zu fertigen. Pro stationärem Energiespeicher für z.B. Windkraftparks kann man da von Kosten bis zu 4 Mio. EUR ausgehen, die eben vor- finanziert werden müssen. Wie sieht es denn mit der Wirtschaftlich- keit Ihres Geschäfts aus? Wir schreiben bereits schwarze Zahlen und haben in der Vergangenheit einen Jahresüberschuss von rund einer halben Million erzielt. In den nächsten Monaten planen wir, nach der abgeschlossenen Zertifizierung den Vertrieb hochzufahren und in neue Projekte einzutauchen, so dann also auch den Umsatz zu steigern. Aktuell ist unsere Bilanz noch recht über- schaubar. Gibt es Pläne bzgl. des Kapitalmarkts, der ja die notwendigen Ressourcen für Investitionen bringen könnte? Wir stehen dem Kapitalmarkt offen gegen- über: Das haben wir im Blick. Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir uns allerdings noch nicht sicher, in welcher Form wir den Kapi- talmarkt in der Zukunft nutzen möchten. Das hängt von unserer Entwicklung ab, ob wir Eigen- oder Fremdkapital über den Kapitalmarkt aufnehmen wollen. Aber eines ist gewiss: E-Stream ist kapitalmarktfähig. Herr Krämer, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und erläuternden Einblicke in die Materie. ■ Das Interview führten Falko Bozicevic und Timothy Veigel. Dezember 2020 73

chemische Industrie. Die Gewerkschaft hat heuer eine mutige Entscheidung getroffen und in die Tarifverhandlungen die Forde- rung nach einer arbeitgeberfinanzierten Pflegezusatzversicherung für alle Mitarbei- ter der chemischen Industrie eingebracht. Dieser Forderung ist entsprochen worden. Wir setzen das Projekt gemeinsam mit R+V sowie der Barmenia um und verantworten als Co-Konsortialführer Produkt und Ver- waltung. Es geht um 500.000 Kunden. Das lässt mich 2021 relativ entspannt entgegen- blicken. Damit allein ist die DFV ja gut ausgelastet. Nicht ganz: Wir planen außerdem die Expansion ins europäische Ausland. Unser Produkt internationalisieren, Europa ist der größte Binnenmarkt der Welt – warum sollte ich mich also auf Deutsch- land beschränken? lässt sich Immerhin haben Sie sich Unterstützung geholt: Im Februar 2021 beginnt Ihr neuer CFO Dr. Karsten Paetzmann bei der DFV. Ich habe die Position heuer interimistisch übernommen, meine Leidenschaften liegen aber woanders. Insofern bin ich zufrieden, diese Aufgabe in fähige Hände abgeben zu können. Gänzlich leidenschaftslos sind Sie aber nicht hinsichtlich des Themas Geld und Finanzierung. Sie haben als Gründer und CEO vor zwei Jahren den Börsengang umgesetzt – dabei hätten Sie sich ja auch um eine Finanzierung abseits des Kapi- talmarkts bemühen können. Natürlich waren andere Finanzierungs- formen denkbar, aber ich war die damit ein- hergehende Diskussion leid. Ich habe immer nur gehört: „Wir wissen nicht, ob Sie so viel wert sind, wir wissen nicht, ob Ihre Zukunftsprognose verlässlich ist.“ Dieses ganze Gerede der in Langweiligkeit erstarr- ten Ansprechpartner ging mir unglaublich auf die Nerven. Ich wollte mich von nicht- unternehmerischen Bewertungen lösen und dem Markt stellen. Der Markt entscheidet objektiv, wie viel mein Unternehmen wert ist. Ich muss mich niemandem gegenüber rechtfertigen. Das empfinde ich als wahn- sinnig angenehm. Sie haben im Sommer die letzte Kapital- erhöhung extrem erfolgreich abgeschlossen. Haben Sie mit einer derartig positiven Resonanz gerechnet? Being Public DFV Deutsche Familienversicherung AG (ISIN: DE000A2NBVD5) Quelle: Tai-Pan Die Erhöhung im Juli war ein Husarenritt: Auslöser war das IPO von Lemonade in den USA. Wir haben den Investoren mit Erfolg vor Augen führen können, dass der einzige Unterschied zwischen Lemonade und der DFV in der Bewertung liegt. Lemonade ist zehnmal so hoch bewertet, hat aber auch zehnmal so viele Schulden und wächst keinesfalls zehnmal so stark wie die DFV. Dieses Missverhältnis haben wir kommuni- ziert, und das Verständnis der Investoren hat sich in einer erhöhten Nachfrage nach unseren Aktien niedergeschlagen. Das Momentum haben wir genutzt: Inner - halb eines Tages haben wir den Vorstands- beschluss zur Kapitalerhöhung gefasst, die Zustimmung des Aufsichtsrats eingeholt und die Ad-hoc-Meldung herausgegeben. Noch am selben Abend war das Buch dreifach über- zeichnet. Wir hatten den richtigen Riecher. Wir können sehr schnell sein, wenn wir etwas wirklich wollen. Das klingt nach kurz entschlossen – überraschen Sie uns vielleicht bald mit der nächsten Kapitalerhöhung? Wir können sehr schnell sein, wenn wir etwas wirklich wollen. Aber für die nächste Kapitalerhöhung strebe ich schon etwas mehr Planung an. Das Wachstum durch CareFlex ist bereits weitgehend eingepreist. Die nächste Wachstumsgeschichte ist aber nur eine Frage der Zeit, dann kann ich mir eine weitere Kapitalerhöhung gut vorstel- len. Aktuell ist nichts spruchreif, aber es ist auch klar: Mit der jetzigen Kapitalaus- stattung kommen wir die nächsten fünf bis zehn Jahre kaum zurecht. Bei allen Plänen und Zielen und trotz Corona – haben Sie ein wenig Gelegen- heit, das Jubiläum zu zelebrieren? Zumindest werde ich die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, meinen Mitarbeitern zu danken. Sie haben zum Teil Übermensch- liches geleistet. Trotz Homeoffice ist die Pro- duktivität nicht zurückgegangen – das geht nur mit motivierten und loyalen Angestellten. Dafür kann man schon mal „Danke“ sagen. Ich selbst nehme Ihre Frage vielleicht als Anregung zum Innehalten: Seit ich selbst- ständig bin, habe ich mir das nicht gegönnt. Ich weiß auch schon wo: Wir haben bis Weihnachten wöchentlich vier Blechbläser zu Gast, die ich mit Auftritten auf unserer Dachterrasse in diesen für Künstler schwie- rigen Zeiten unterstützen will, sie bringen hoffentlich die Nachbarschaft und mein verbliebenes Office-Team in Weihnachts- stimmung. Vielleicht höre ich auch einmal in Ruhe zu. Man muss der Dankbarkeit manchmal einen Rahmen geben. Herr Dr. Knoll, vielen Dank für das Gespräch. ■ Das Interview führte Isabella-Alessa Bauer. Dezember 2020 75

wachstum verzeichnen. Der Trend der Null- Order-Gebühren entstand vor einiger Zeit in den USA mit Robinhood und schwappte dann über den großen Teich. Trade Republic, an der die w:o AG bis vor Kurzem eine Betei- ligung von 3,30% hielt, aber auch justTrade und Gratisbroker sind hier zu nennen. Die Neo-Broker erhalten pro Trade eine Abwick- lungsvergütung von Plattformen wie gettex oder Brokern wie Lang & Schwarz. Smartbroker sticht nochmals hervor, da er einerseits die niedrigen Konditionen offeriert, aber zusätzlich ein breites Produktspektrum bietet. „Man kann grund- sätzlich sagen, dass wir ein Produkt geschaffen haben, das es in Deutschland bisher nicht gab“, bringt es Thomas Soltau, Vorstand von wallstreet:online Capital, im Gespräch mit GoingPublic auf den Punkt. In vielen Anbietervergleichen steht Smart- broker ganz oben auf dem Treppchen. „Weiter entwicklungen werden auf Basis von Kundenwünschen und durch den Input der Community realisiert, sowohl techno- logisch als auch kondi tionell“, so Soltau. Smartbroker Ein positives Kapitalmarktumfeld und steigende Börsen spielen den Berlinern in die Karten. Kostenbewusste Anleger handeln über die Plattform gettex ab einem Ordervolumen von 500 EUR gebührenfrei, über Lang & Schwarz müssen Trader 1 EUR pro Transaktion berappen. Für Smartbroker-Kunden ist das ein gutes Geschäft. Aber auch für Smartbroker und die Plattformen bzw. Wertpapierhandels- banken: Diese erhalten eine Vergütung von ihren Handelspartnern. Die Kostenseite ist allerdings nur die Hälfte der Erfolgsformel. Einzigartig wird das Angebot durch ein um- fangreiches Sortiment u.a. aus Fonds, ETFs, Spar plänen und Fremdwährungskonten. Zahlenwerk In den ersten sechs Monaten erzielte die Gruppe Umsatzerlöse von 11,9 Mio. EUR, das ist nahezu schon das Umsatzniveau des kompletten Vorjahres. Das operative Ergeb- nis (EBITDA) lag bei 4,7 Mio. EUR. In diesem Wert sind jedoch drei Komponenten nicht enthalten. Erstens der außer ordentliche Ertrag, der durch die Ver äußerung der Anteile am Neo-Broker Trade Republic in Höhe von 3 Mio. EUR entstand, und zwei- tens die Abwertung beim einem ICO-(Initial Coin Offering) Projekt von 0,3 Mio. EUR sowie die Wachstumsinvestitionen für den Aufbau von Smartbroker. Um diese Fakto- ren bereinigt lag das EBITDA bei 4,2 Mio. EUR und der Gewinn vor Steuern (EBT) bei 3,6 Mio. EUR. Ebenso sind die Ergebnisbei- träge der Beteiligung wallstreet:online Abb. 2: Profitables Wachstum – Monetarisierung der Leserschaft, Portalumsätze (Angaben in Tsd. EUR) *) wallstreet:online AG and MIM GmbH; **) inkl. Finanznachrichten, exkl. wo:capital AG, Ariva.de, Smart Investor ***Konzern, EBITDA inkl. 2,7 Mio. EUR a.o. Ertrag durch Verkauf Trade-Republic-Anteil, exkl. wo:capital AG, inklusive 6,2 Mio. EUR Anlaufverluste Smartbroker Quelle: wallstreet:online AG Being Public wallstreet:online AG (ISIN DE000A2GS609) Euro 10,00 5,00 2,00 1,00 0,50 LOG 2015 22.10.2015 Quelle: Tai-Pan 2017 2018 2019 1302 Kurse Kurs:14,90 2020 (c) Tai-Pan (0,40 / 2,76%) 16.12.2020 Capital AG nicht enthalten. Die Prognose für das Gesamtjahr erhöhten die Berliner aufgrund der anhaltend positiven Entwick- lungen im Portalgeschäft und des Kunden- wachstums von Smartbroker. „Vision 2024“ Mit „Vision 2024“ hat der w:o-Konzern aufgezeigt, wohin die Reise in den kom- menden Jahren gehen könnte. In 2024 seien Erlöse von 75 Mio. EUR und ein Vor- steuerergebnis von 39 Mio. EUR möglich. Kern dieses dynamischen Wachstums- szenarios ist das stark skalierbare Geschäft von Smartbroker. Mit seinem ein- zigartigen Produktangebot könnten bis 2024 mehr als 400.000 Kunden gewonnen werden, was über 8% der aktiven Anleger in Deutschland entspricht. Die reich- weitenstarken Portale dienen als Marke- tingelement zur Neu kundengewinnung. Somit verliert das margenstarke Portal- geschäft in der Gesamtbetrachtung auf mittlere Sicht an Bedeutung. Smartbroker könnte 2024 gemäß der Vision gut die Hälfte zum Umsatz bzw. 70 % zum Vorsteu- erergebnis (EBT) beitragen. Fazit Mit der Kombination aus reichweiten- starken Portalen und einem starken Differenzierungsmerkmal von Smartbroker (Null-Trading-Gebühren + großes Produkt- angebot) besitzt der Konzern exzellente Wachstumsperspektiven. Die Vision ist ambitioniert, aber zugleich realistisch. Legt man eine Bewertung je Smartbroker Kunde von rund 1.000 EUR an die „Vision 2024“ an und addiert das hochmargige Portalgeschäft dazu, dann scheint die Aktie trotz der ohnehin schon sehr guten Entwicklung beim aktuellen Kurs von rund 14 Euro äußerst aussichtsreich. ■ Dezember 2020 77

führen in Kombination dazu, dass sich deutlich mehr Menschen für Online- Trading interessieren und Aktien oder Fonds für sich entdecken. Bekommt Deutschland etwa ausgerech- net in Folge der Krise die lang ersehnte Aktienkultur? Auf jeden Fall merken die Leute, dass es der Realwirtschaft nicht gut geht, der Kapitalmarkt aber ordentlich performt und in einigen Bereichen massiv zugelegt hat. Mangelnde Anlagealternativen auf- grund des negativen Zinsumfelds tun ihr Übriges. Ja, es interessieren sich mehr Menschen für Börse und Aktien. Es kommen zahlreiche Einsteiger hinzu und die Zahl der Menschen, die ihre Geld- anlagen selbst in die Hand nehmen, steigt erfreulicherweise. Und davon wiederum profitieren Sie. Wir haben im Dezember 2019 unsere Ziele für 2020 ausgegeben: 30 Millionen Trades und eine Million betreuter Kunden. Im Laufe des Jahres konnten wir diese Ziele dann sogar mehrfach anheben: zuletzt auf 70 Millionen Trades und 1,2 Millionen Kunden – und auch da sind wir sehr zuver- sichtlich. Ihren Neukunden bieten Sie mit flatex-next auch ein frisches Produkt an – womit wir wieder bei den Wachstums- schritten wären. Wie eingangs erwähnt haben wir mit unse- rem erprobten Angebot, man könnte es flatex-classic nennen, jene kapitalmarkt- affinen Trader angesprochen, die sich auskennen. Jetzt adressieren wir gezielt die Menschen, die gerade erst ihre Lust auf Kapitalmarkt entdecken. Um sie als Kunden zu gewinnen, brauchen wir ein niedrigschwelliges Produkt, das den Ein- stieg an der Börse erleichtert. Das haben wir mit flatex-next geschaffen. Hinzu kommen eine starke Marketing-Kampagne, Jetzt adressieren wir gezielt die Menschen, die gerade erst ihre Lust auf Kapitalmarkt entdecken. Being Public flatexDEGIRO (ISIN: DE000FTG1111) Quelle: Tai-Pan die diesen Monat angelaufen ist, und ein Neukundenangebot: komplett gebühren- frei handeln in den ersten sechs Monaten. Was heißt niedrigschwellig? Die App ist einfach und selbsterklärend, die Anmeldung gelingt ohne Medienbruch in wenigen Minuten. Unsere oberste Prämisse bei der Konzeption war es, intuitives Bedienen zu ermöglichen. Wenn der Kunde ein neues Tool ausprobiert und den ersten Prozess als schwierig und mühsam empfindet, macht das ärgerlich. Das wollten wir mit einem positiven Erleb- nis umdrehen und damit Spaß am Investieren ermöglichen. Wer sich mit flatex-next ein Depot zu- sammenstellen will, kann das in äußerst kurzer Zeit. Wir clustern verschiedene Themen und bieten mit Kategorien wie „Tops und Flops“ oder „Meistgekaufte“ Orientierung. Kunden können festlegen, welche Investmentthemen sie interessie- ren – und erhalten dann Aktien und Fonds, die dazu passen. Nachhaltiges Investieren ermöglichen wir so beispielsweise beson- ders einfach unter der Rubrik flatex green. Diese Orientierungshilfen erleichtern den Einstieg. Damit setzen Sie ein Produkt auf, das gezielt die Neueinsteiger adressiert. Sie glauben also, die Orderflut und der Boom in Sachen Depoteröffnung halten an? Die Menschen haben in der Krise Freude daran gefunden, sich mit ihrem Vermögen zu beschäftigen. Wir sind sicher, dass Wer sich mit flatex-next ein Depot zusammen- stellen will, kann das in äußerst kurzer Zeit. dieser Trend anhält, und bieten mit flatex- next eine App für jedermann. Wir wollen die Berührungsangst nehmen, die es in Zusammenhang mit der Börse oft noch gibt. Sie sind seit Oktober im Prime-Standard gelistet – unter dem neuen Namen flatexDEGIRO. Die Notierung im SDAX folgt noch in diesem Monat. Genießen Sie jetzt erst einmal den Erfolg? Nein, wir haben noch viel vor. Aktuell haben wir eine Market Cap von 1,5 Mrd. EUR; unsere Aktie steht heute bei 56 EUR, mehr als eine Verdoppelung seit März. Aber das ist erst der Anfang. Mit der Umfirmierung machen wir deutlich, dass wir jetzt eine internationale Gruppe sind und was wir planen – bis spätestens 2025 wollen wir auf mindestens 100 Millionen Trades und drei Millionen Kunden kom- men. Wir werden der Volks-Broker sein. Herr Niehage, danke für das Gespräch. ■ Das Interview führte Isabella-Alessa Bauer. Dezember 2020 79

Der mit 80% der Umsätze wichtigste europäische Markt erwies sich dabei mit nur 8% unter 2019 noch als am stabilsten. In der DACH-Region konnte der Umsatz sogar konstant gehalten werden. In Amerika dagegen brachen die Erlöse um 43% ein, in Asien stiegen sie indes vor allem dank China minimal um 1% auf 15 Mio. EUR. Auf Neunmonatssicht ergab sich ein EBIT von 73 Mio. EUR; 2019 noch waren es 127 Mio. EUR. Da das Ende der Pandemie mit ihren nicht abschätzbaren Auswirkungen auf Absatzmärkte und Lieferketten noch nicht absehbar ist, hat der Vorstand seine im März 2018 gesetzte mittelfristige Strategie- planung 2022 um ein bis zwei Jahre ver- schoben. Ursprünglich sollte der Umsatz auf über 2 Mrd. EUR steigen und eine EBIT- Marge von über 11% erreicht werden. Fokus auf Digitalisierung und Emissionsreduktion Hoffnung macht dem Management der digitale Wandel in der Baubranche. Rund 10% der Beschäftigten arbeiten im F&E- Bereich, um sich für digitale Dienste und Vernetzung entsprechend aufzustellen. Zudem rücken umweltfreundliche Lösun- gen und alternative Antriebe zunehmend in den Fokus. Seit 2014 elektrifiziert Wacker Neuson seine Baumaschinen ins- besondere im Bereich Light Equipment unter der Prämisse, dass sie die gleiche Leistungsfähigkeit wie die Verbrennerver- sion aufweisen. Die großen Geräte aus dem Compact Equipment werden zwar noch fossil bleiben – aber auch hier geht die Entwicklung hin zur Elektrifizierung oder zumindest zum Betrieb durch alter- native Kraftstoffe. So wirbt das Unterneh- men damit, als einziger Hersteller eine n o s u e N r e k c a W © : o t o F Being Public Wacker Neuson (ISIN DE000WACK012) Quelle: Tai-Pan komplette Baustelle in der Stadt völlig ohne Feinstaub- und Stickoxidbelastung bearbeiten zu können, was ein Projekt im Januar 2020 in Kopenhagen auch bestä- tigte. Der Umsatz der emissionsfreien Baumaschinen verdoppelt sich seit 2015 jährlich. Personalquerelen Neben den Belastungen durch Corona sorgte Mitte November die Meldung über einen Wechsel im Top-Management für Unruhe unter Aktionären: CEO Martin Lehner und CFO Wilfried Trepels scheiden aus. Letzterer schon am 30. November, Ersterer zum Jahresende. Beide waren die Antreiber hinter den 2017 begonnenen Strukturreformen. Lehner – Vorstandsmit- glied seit 2007 – hat sich dazu nachdrück- lich für die Transformation in ein Clean- techunternehmen starkgemacht. Auf- sichtsratsmitglied Kurt Helletzgruber übernimmt nun mit sofortiger Wirkung die Position des CFOs und zum Jahreswechsel auch die als CEO. Dies allerdings nur vorü- bergehend: Eigentümer und Aufsichtsrat wollen diese – zumindest für Außenste- hende – unerwartet aufgetretene Baustelle rasch wieder schließen. Der Aktienkurs brach um 11% ein, erholte sich seither aber davon. Wertentwicklung Da der Wachstumseinbruch sich als nicht so gravierend herausstellte wie noch bei Ausbruch der Pandemie befürchtet, hat sich die Aktie von ihrem Vieljahrestief Mitte März wieder lösen können. Dennoch befindet sich der Kurs seit Anfang 2018 im Abwärtstrend. Während 2017 für die Aktionäre noch das erfolgreichste Jahr überhaupt darstellte und ein Allzeithoch von über 33 EUR erreicht wurde, hat das 2017 ausgerufene Restrukturierungspro- gramm bei im Nachhinein offenbar nicht den gewünschten Anklang gefunden. Insgesamt ist die Aktie im Zehnjahres- vergleich unter Renditeaspekten sicher nicht im vordersten Feld zu finden. Der eingeschlagene Weg hin zu einem Cleantech-Baumaschinenproduzenten benötigt eben Zeit. ■ Investoren Die bisher in dieser Rubrik erschie- nenen Portraits auf dem Portal: www.goingpublic.de Dezember 2020 81

verarbeitet. Das flüssige Glas wird in Tropfen portioniert und während des Erkaltungsprozesses in Form gebracht – zu Stielen gepresst, als Kelch geblasen, per Laser geschnitten, zusammengesetzt und verschmolzen. Zusammenarbeit mit Designern Das fertige Glas, das innerhalb von Minu- ten in zahlreichen Arbeitsgängen aus dem glühenden Glastropfen geformt und bearbeitet wird, muss die Vorgaben bis auf den Zehntel Millimeter treffen. Das heißt: Es bestehen erhebliche Marktein- trittsbarrieren, zumal sich Ritzenhoff im gehobenen Marktsegment bewegt. Tech- niken wie etwa die Mundrandbearbeitung durch Laser oder durch das traditionel- lere „Sprengen und Schleifen“ komplettie- ren die Leistungen der automatischen Produktion. Die verlässliche Qualitäts- sicherung ist in diesen Prozess integriert. So muss das Füllvolumen von Schank- gläsern, ausgewiesen durch die Eich- marke, mit maximal dreiprozentiger Abweichung exakt sein. Steht die Produktion und Veredelung von Trinkgläsern für die Getränkeindus- trie im Vordergrund, hat sich der Vertrieb von Produkten mit dem Markennamen Ritzenhoff an den Facheinzelhandel als zweites Standbein der AG etabliert. In diesem Bereich werden Produkte unter dem Markennamen weltweit in mehr als 100 Ländern vertrieben. Das Unter nehmen arbeitet eng mit vielzähligen international renommierten Designern zusammen. Diese Marke existiert bereits seit 1992. Den Durchbruch auf dem Designmarkt erzielte die „Jahrhundertidee“ des Milch- glases. Hier erwuchsen völlig neue Erfolgsstrategien in einem Marktbereich, der von Ritzenhoff dominiert wird. Design- gläser sind Liebhaber- und Sammler- objekte, und gerade „Sammlermarken“ sind ein wichtiges Asset und Kennzeichen erfolgreicher Hidden Champions. Auf die Milchgläser farbig dekorierte Bierkelche, Weizenbiergläser, Bierseidel, Schnaps-, Champagner-, Wein- und Wassergläser. Allesamt eignen sie sich vorzüglich als Geschenke. folgten Marktführer bei Stilgläsern Im Bereich der Stilgläser (Exklusivgläser) für die Getränkeindustrie hat die Ritzen- hoff AG ihre Stellung als Marktführer seit Jahren behauptet. Der Marktanteil dürfte hier nach Unternehmensschätzung bei deutlich über 50% in Deutschland liegen. Das Unternehmen versucht, unter dem Motto „der exklusiv gedeckte Tisch“ in angrenzende Märkte zu expandieren. Über die Tochter Designer Homeware m o c . e b o d a . k c o t s – v o k e s i o M © j : o t o F Being Public m o c . e b o d a . k c o t s – a v E © : o t o F Distribution GmbH wird seit 2005 die Marke „Maxwell & Williams“ vertrieben, die chinesisches Porzellan anbietet. Ein weiteres Standbein stellen die Promo- tions- und B2B-Geschäfte dar, die von einem eigenen Vertriebsteam betreut werden und kundenindividuelle Wünsche umsetzen – auch dies im One-Stop- Shopping von der Produktfindung, über die Produktgestaltung samt Verpackungs- entwicklung bis hin zur Warenaus- lieferung. Das alles übersetzt sich in einen Jahresumsatz (2018) von 67 Mio. EUR. Die Eigenkapitalquote des Unternehmens belief sich am Jahresende 2018 auf 55,6% (Vorjahr 53,5%). Das Eigenkapital konnte das Anlagevermögen zu 98,3% abdecken. Die Eigenkapitalrentabilität (nach Steuern) belief sich auf 0,9%. Fragen zur bisherigen Finanzierung oder etwaigen Plänen, den Kapitalmarkt zum Beispiel über eine Anleihe zu adressieren, ließ das Unter- nehmen unbeantwortet. Fazit Ritzenhoff ist eine starke Marke mit eigenem Sammlermarkt, die Einnahmen kommen aber überwiegend aus dem B2B-Geschäft. Die hohe technologische Kompetenz, die Verbindung zu bekannten Designern und die hohen Markteintrittsbarrieren für Nach- attraktives ahmer determinieren ein Geschäftsmodell. Kurzfristig leidet das Unternehmen durch die Schließung der Gastronomie unter der Pandemie – langfris- tig ist es aber aussichtsreich positioniert. ■ Die bisher in dieser Rubrik erschie- nenen Portraits auf dem Portal: www.goingpublic.de Dezember 2020 83

Abb. 2: Monatliche Zeichnungsgewinne in %* 60,0% 50,0% 40,0% 37,8% 50,0% 42,4% 40,1% 39,0% 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% -10,0% 32,4% 28,6% 21,8% 18,4% 22,3% 15,2% -4,5% Dez 19 Jan 20 Feb 20 Mä r 20 Apr 20 Ma i 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 Okt 20 Nov 20 *) definiert als Differenz zwischen Schlusskurs des ersten Handelstages und Emissionspreis Vier Unternehmen generierten dabei ein EV von jeweils über 1 Mrd. USD. Mit knapp 3,4 Mrd. USD war der rasant wach- sende (+174% y/y) US-Anbieter von cloud- basierten Datenplattformen Snowflake bislang der größte Börsengang des Jahres und das größte Software-IPO überhaupt zugleich. Es folgten der Datenanalysean- bieter Palantir (1,9 Mrd. USD), das als Direktlisting mit einem ZG von 30% aber weit unter den Erwartungen blieb (ähnlich wie Spotify 2018 und Slack 2019). Aller- dings hat Palantir seitdem stark aufgeholt und seinen Kurs mehr als vervierfacht. Hinzu kamen noch der 3D-Videospiele-An- bieter Unity Software (1,3 Mrd. USD) und das Vergleichsportal für Medikamenten- preise GoodRx Holdings (1,1 Mrd. USD). Mit einem durchschnittlichen ZG von 22% konnte der September angesichts einiger IPOs mit Startverlusten – wie z.B. bei VIA optronics (-32%), einem deut- schen Hersteller von Displaysystemen – mit dem August nicht Schritt halten. Drei IPOs erzielten dafür aber einen ZG jenseits 100%. Das auf Nierenkrankheiten speziali- sierte Outset Medical kam auf 122%. Das in der Onkologie operierende PMV Phar- maceuticals konzentriert sich auf die Ent- wicklung kleinmolekularer, tumordiagnos- tischer Therapien und erreichte einen ZG von 108%. Pulmonx, ein Anbieter minimal- invasiver Instrumente für Lungenerkran- kungen, erzielte immerhin 107%. Leichte Entschleunigung im Oktober 32 IPOs sind immer noch ein hoher Monatswert, nur 2004 waren es sogar 33. Das EV von rund 10 Mrd. USD wurde eben- falls lediglich 2013 und 2007 mit je ca. 11 Mrd. USD knapp übertroffen. Der Okto- berdurchschnitt liegt bei 4,8 Mrd. USD. Größtes IPO des Monats – und zugleich das zweitgrößte des Jahres – war der chinesische Vermögensmanager Lufax mit 2,4 Mrd. USD. Lufax startete aber mit einem Verlust von 5%. Der Hersteller mo- biler Solarpanels Array Technologies emittierte über 1 Mrd. USD und verfügt mit seiner bislang installierten Kapazität m o c . e b o d a . k c o t s – t n a c a v © : o t o F Going Abroad von 21 GW über 60% des US-Markts an mobilen Panels. Die nächstgrößeren De- bütanten waren der Antivirensoftwareent- wickler McAfee – der von Intel 2011 von der Börse genommen wurde – mit 740 Mio. USD und der exorbitant wachsende (570% y/y), jedoch hoch verschuldete Kfz-Versi- cherer Root mit 720 Mio. USD. Beide liegen aktuell allerdings weit hinter ihrem Ausga- bepreis zurück. Die ZGs lagen mit 15% schon weitaus niedriger als in den Vormonaten. Hervor- heben konnten sich aber z.B. der Hörge- rätehersteller Eargo sowie der chinesi- sche Anbieter von Bildungsprogrammen für Kinder iHuman mit jeweils 87%. Novemberrekord bei den Zeichnungsgewinnen Die US-Wahl und vier Feiertage drosselten die Rally auf zehn IPOs, was unter dem langjährigen Durchschnitt von knapp 17 liegt. Das EV von 4,9 Mrd. USD liegt dage- gen leicht über dem Monatsschnitt von 4,1 Mrd. USD. Maßgeblich dafür verantwort- lich waren die Börsengänge des Medika- mentenentwicklers Maravai LifeSciences mit 1,6 Mrd. USD, der dank seiner mRNA- Produktpalette zuletzt einen starken Nachfragezuwachs erfahren hat. Der La- borbedarfhersteller Sotera Health erzielte 1,1 Mrd. USD und das russische E-Com- merce-Unternehmen Ozon Holdings knapp 1 Mrd. USD. Ozon ist ein First Mover im noch unausgeprägten russischen E-Com- merce-Markt. Mit durchschnittlichen ZGs von 39% ist aber erneut ein absoluter Bestwert aufge- stellt worden. Der diesbezüglich stets schwächelnde Monat hatte bislang sein bestes Ergebnis 2004 mit 16% erzielt. Ins- besondere hervorgehoben hat diesen Wert das IPO des auf Brustkrebs speziali- sierten Biotechs Olema Pharmaceuticals mit 158%. Dezemberblitz Es sieht bislang so aus, als würde auch der sonst ruhige Dezember nochmals aufhorchen lassen. Allein drei Einhörner – Airbnb, DoorDash und Instacart – streben aufs Parkett, um ein Rekordjahr ausklingen zu lassen. Nach Angaben von Datenanbieter Dealogic könnte sogar das Dotcom-Boomjahr 1999 über- troffen werden (inkl. SPACs). Wir berich- IPO- ten abschließend Bericht. ■ im nächsten Dezember 2020 85

Netzwerk Schnappschüsse Investora, CIRA-Jahreskonferenz 2020, M&A Insurance Summer Forum 2020, Finance Day, HV DIALOG d a g r a B i e n d a N / e c i v r e s o t o F - / I A P A A R C © Die Investora 2020 in Zürich konnte auch im Ausnahmejahr 2021 als Präsenzveranstaltung umgesetzt werden. Gunter Deuber, Andreas Wosol, Fritz Mostböck und Harald Hagenauer (v.l.) nutzen auf der CIRA-Jahreskonferenz die Gelegenheit zum Austausch. : o t o F Robert Engels, Willis Towers Watson, Markus Rieger, GoingPublic Media AG, und Dr. Michael Drill, Lincoln, im perfekten Selfie-Licht auf dem M&A Insurance Summer Forum 2020. Virtuelles Neuland: Markus Rieger, Vorstand, und Dr. Bernd Jäger, Auf- sichtsratsvorsitzender der GoingPublic Media AG, auf der erstmalig rein virtuellen Hauptversammlung der Gesellschaft. Teilnehmer der Finance Days der GoingPublic Media AG (v.l.): Markus Groß, FAS, Marc L. Holtorf, Pinsent Masons, Sebastian Grabert, EURONEXT, Dr. Hella Kohlhof, Immunic Therapeutics, Dr. Georg Kääb, BioM „Alles neu macht … Corona! Hauptversammlung 2.0 – was bleibt und was wird anders?“ Dieser und vielen weiteren Fragen widmete sich der Experten-Roundtable im Rahmen von „HV DIALOG“ am 27. Oktober. Eventberichte und Schnappschüsse finden Sie auch auf Twitter: www.twitter.com/goingpublic_de Dezember 2020 87

„GELDRICHTIG“ Bekanntlich spricht man über Geld nicht. Da macht auch nicht besser, dass man weder in der Schule noch während der Ausbildungszeit in dieser Beziehung etwas auf den Weg mitgegeben bekommt. Wer nach viel Geld strebt, wird genauso bekanntlich als gierig gebrand- markt. GELDRICHTIG wurde nicht überra- schend zu einem der SPIEGEL-Beststeller 2020. Unserer Meinung nach etwas stark autobiografisch angehaucht, aber mit guten und lobenswerten Vorsätzen: Die Entwicklung der Brieftasche folgt der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Philipp J. Müller ist Finanzmentor sowie Inhaber und Geschäftsführer der europaweit größten Finanzakademie, nämlich der PJM Investment Akademie GmbH, des einzigen staatlich anerkann- ten Bildungsinstituts dieser Branche. Der Unternehmer beschäftigt sich seit seiner Jugend leidenschaftlich mit dem Thema Geld, ist nach eigenen Angaben viel- facher Einkommens- und Vermögensmil- lionär aus eigener Kraft und spendet hohe Summen. [fb] „GELDRICHTIG: Einkommen erhöhen, mo- ralisch handeln, persönliche Freiheit leben“ von Philipp J. Müller; GABAL 2020; 288 Sei- ten, 25 EUR „Das Gesetz der Ansteckung“ Epidemiologe Adam Kucharski geht mit interessanten, wenn nicht gar faszinierenden Ansätzen an ein heikles Thema, obgleich nicht unbekannt: Herdentrieb und Ansteckungsgefahr durch weltweite Vernetzung. Nicht nur ein Virus breitet sich anno 2020 global aus, sondern auch abstruse Ideen und Fake News. Kucharski versucht, Durchblick in diesem Dickicht zu schaffen, und das gelingt ihm hervorragend: keine Folter mit mathe- matischen Berechnungen, sondern an- schaulich dargelegt mit Grafiken und Fallbeispielen. So macht Verstehen Spaß! Adam Kucharski ist Assistenzprofessor an der London School of Hygiene & Tropical Medicine, wo er Seuchen wie Ebola, das Denguefieber und das Zikavirus erforscht. Er ist Gewinner des Rosalind Franklin Award 2016 und des Wellcome Trust Science Writing Prize 2012. [fb] „Das Gesetz der Ansteckung – was Pande- mien, Börsencrashs und Fake News gemein- sam haben“ von Adam Kucharski; Hirzel Verlag 2020; 344 Seiten, 26 EUR „Unfuck the Economy“ Ist ein Wirtschaftssystem, das auf unbe- grenztem Wachstum und Ausbeutung der Natur basiert, eigentlich würdig, gerettet zu werden? Diese Frage kam in diesem Jahr auf, wenn auch nicht zum ersten Male. Der Schlüssel zu einem echten Regime Change sei ein Wirtschaftssystem, das nicht mehr auf Kriegskapitalismus baue, sondern ein radikal anderes „New Normal“ einführe, so Waldemar Zeiler. Zusammen mit Co- Autorin Katharina Höftmann Ciobotaru sieht er das Buch als Streitschrift, die für eine radikal geänderte Sichtweise plädiert. Zweifellos lesenswert – aber das Buch/die Streitschrift möchte etwas viel auf einmal. Waldemar Zeiler ist Purpose-Unterneh- mer, Serienscheiterer und Möchtegern- Speaker, so seine Eigenbeschreibung. Studiert hat er International Business in Maastricht und Manila, später folgte eine weltliche Karriere bei Rocket Internet. [fb] „Unfuck the Economy – eine neue Wirt- schaft und ein besseres Leben für alle“ von Waldemar Zeiler; Goldmann 2020; 224 Seiten, 15 EUR Service Dezember 2020 89

CORPORATE FINANCE MEZZANINE, EQUITY, DEBT MMMMMMMEEEEEZZZZZZZZZZZZAAAAAANNNNNIIIIINNNNNNEEEEE,, EEEEEEQQQQQQUUUUUUIIIIIITTTTTTYYYYYY,, DDDDDDEEEEEBBBBBTTTTT Wir begleiten mittelständische Unternehmen und Konzerne bei Wachstums- und Expansionsvorhaben, Working Capital, Refinanzierung von Anlage- und Umlaufvermögen, Umschuldung, Bilanzoptimierung, Eigenkapitalstärkung und Gesellschafter-Restrukturierung. Tel. +49 69 50 50 45 050 E-Mail anfrageyoumex.de www.youmex.de – Corporate Finance youmex AG www.youmex.de Taunusanlage 19 60325 Frankfurt am Main