07 D A T E N & F A K T E N HV-MAX DIE KOLUMNE Die eierlegende Wollmilchsau-HV Kennen Sie das, wenn man es allen recht machen will und der Schuss dann nach hinten losgeht ...? Die Verantwortlichen, die da im Justizministerium in Berlin sit- zen, waren bislang nicht dafür bekannt, es allen recht machen zu wollen. Meistens erkannte man in Gesetzesentwürfen doch ganz deutlich die Handschrift einer Kanz- lei, äh, nein, natürlich einer Lobbygruppe, äh, nein, natürlich eines Beamten, der sich mit einem Gesetzentwurf hehren Zielen nähern wollte. Aber was da jetzt bei dem Referentenent- wurf zur virtuellen HV rausgekommen ist, scheint klar der Linie „Ich mache es allen recht – und vergraule mir dadurch alle“ zu folgen. Ich habe mich mal umgehört: Die Verantwortlichen in den AGs jammern, dass es zu teuer und zu kompliziert sei, die Aktio- närsschützer sehen keine Wiederbelebung der Aktionärsdemokratie und die Dienstleis- ter halten einiges für schwierig umsetzbar, weil noch viel zu unklar geregelt. Und wir Privatanleger? An uns wurde gar nicht gedacht. Wenn schon die eierlegende Wollmilchsau, dann wollen auch wir Privataktionäre unsere Rechte ge- wahrt wissen. Und uns interessiert nicht das Reden und das Fragen, uns treibt was anderes um: Wie- so denn nicht auch gleich noch einen Anspruch auf Naturaldividende veran- kern? Also ein Ei, (einen Kaffee mit) Milch oder ein Stück Sau? Was?? Das halten Sie für übertrieben? Ich nicht. Ich habe fast zwei Jahre darauf verzichtet und jetzt, in der der Referentenentwurf dritten Saison, will ich einen Teil des Kuchens. Ich will meinen Teil vom Buffet, wie früher! Hallo, hört man das in Berlin? Was, das halten Sie für übertrieben? Na ja, aber die anderen haben doch auch ihren Willen bekommen. Halt, nein – das haben sie eben nicht, weil man es ja allen recht machen wollte. Ich kann nur hoffen, dass noch einmal von allen Seiten gründlich durch die Mangel genommen wird und dass letzt- endlich etwas raus- kommt, mit dem alle zu- frieden sind. Wobei, wenn es so bleibt, dann werden wahrschein- lich viele Emittenten zur guten alten Präsenz- HV zurückkehren. Eigent- lich gar nicht so schlecht, die eierlegende Woll- milchsau ... Schwankungen auf 9,7 Mio. im Jahr 2019 wieder leicht an. Der Sprung von 2019 auf 2020 war mit Abstand der stärkste der letz- ten zwanzig Jahre. Ende 2020 gab es dann fast wieder so viele Aktionäre in Deutschland wie zu den Rekordzeiten der Jahrtau- sendwende. Ein entscheidender Faktor für diese starke Zahl an Aktionären war sicherlich die gute Entwicklung der Weltbörsen. Niedrige Zinsen und hohe Immobilienpreise machten zudem Anlagealternativen relativ unattraktiv. Allerdings könnte eine neue Datengrundlage zum sprunghaften Anstieg beigetragen haben, denn seit 2020 werden in der DAI- Statistik auch ausländische Aktionäre mit Wohnsitz in Deutschland erfasst. Bortenlänger weiter. Für Vermögensaufbau und Altersvorsorge seien aber Aktienanlageformen angesichts niedriger Sparzinsen unverzichtbar, argumentiert das Aktieninstitut. „Damit noch mehr Menschen davon profitieren, muss die Bundesregierung der Rahmenbedingungen für die Aktienanlage weiter verbes- sern“, fordert Bortenlänger. „Veräußerungsgewinne bei Aktien sollten nach dem Ablauf einer Haltefrist steuerfrei gestellt und Aktien zu einem festen Baustein der Altersvorsorge gemacht wer- den“, appelliert Bortenlänger an die heimische Politik. Hier kann sich die Bundesregierung Schweden oder Australien als Vorbild nehmen. Dort wurden bereits erfolgreich aktienbasierte Modelle eingeführt, die eine tragende Säule des Altersvorsorgesystems bilden. „Nach dem starken Anstieg im Jahr 2020 haben sich die Aktionärszahlen auf hohem Niveau stabilisiert“, sagt Dr. Christine Borten- länger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts. Trotz der leicht gesunkenen Zahlen sei 2020 ein gutes Jahr für die deutsche Aktienkultur gewesen, so Dr. Christine Borten- länger, Deutsches Aktieninstitut Die Entwicklung der Aktionärszahlen in Deutschland geht in die richtige Richtung. Es ist gut vorstellbar, dass 2022 ein neuer Rekord erzielt wird. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die „neu- en“ Aktionäre auch bei der nächsten Börsenflaute dabeibleiben. Ein Modell der Aktienrente (siehe GoingPublic, Ausgabe Dezem- ber 2021, www.goingpublic.de/emagazine-archiv) nach schwedi- schem Vorbild wäre dazu ein erster großer Schritt. HV MAGAZIN 01/2022