13 T I T E L T H E M A l d a w i r e B n o m S © i : o t o F Zudem rate ich den Unternehmen, den Ab- lauf vorher zu proben. Dabei sitze ich immer in der ersten Reihe, nahe am Vorstand. Es gibt Vorstände, die ich ein Jahr nicht gese- hen oder noch gar nicht kennengelernt habe. Da versuche ich, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Das ist eine Herausforderung, weil jeder anders ist. Ich muss herausfin- den: Wie ist das Gegenüber, was braucht es von mir? Am Ende kenne ich seine Vision und Wünsche. Damit beginnt für mich die zweite Herausforderung, denn ich muss all das in Technik übersetzen und das Technik- team führen. Dabei sind verschiedene Ele- mente zu steuern – Licht, Ton, Präsentatio- nen, Zuspielungen, Kameras. Bei Onlinever- anstaltungen ist zudem die aufwendigere Bildregie sehr wichtig. Der Regieaufwand ist hier noch einmal höher als bei Präsenzver- anstaltungen. Sind Proben vor HVs üblich? Absolut. Ein großer Autokonzern probt beispielsweise vor der HV mehrere Tage mit einem Regisseur. Da werden die Kamera- positionen und -wechsel einstudiert, und es wird exakt festgelegt, wo der Vorstands- vorsitzende z.B. vor einem neuen Lkw steht. Gleichzeitig läuft dann eventuell hinter ihm auf einer großen LED-Wand noch eine Animation ab. Wie lange proben Sie? Immer einen Tag. Erst studieren wir mit dem Kamerateam verschiedene Positionen ein. Am Nachmittag kommt dann der Vor- stand dazu. Bei Onlineübertragungen gibt es zudem eine Besonderheit im Vergleich zur Präsenz-HV. Am Probentag wuseln noch viele Leute herum. Wenn aber die Online- übertragung beginnt, herrscht in dem Raum plötzlich Totenstille. Das ist für je- manden, der ungeübt ist, eine seltsame und ungewohnte Situation. Der CEO sitzt dann allein mit seinen Vorstandskollegen da, alles ist hell erleuchtet, er schaut in eine Kamera hinein und erkennt andere Leute hinter den Bildschirmen nur schemenhaft. Was sind typische Fehler bei der Organi- sation und Durchführung von Hauptver- sammlungen, wo greifen Sie ein? Ich versuche, ein Gespür dafür zu ent- wickeln, wie eine lange fortlaufende Veran- staltung abläuft, ohne dass große Lücken entstehen, in der sich alle fragend anschau- en, wie sie jetzt weitermachen sollen – immerhin ist das Ganze live. Mir ist außer- dem wichtig, dass der Versammlungsleiter immer weiß, an welcher Stelle er gerade ist. Das gilt besonders für den Q&A-Bereich. Spannend ist z.B., wenn die Antworten noch nicht vorliegen und deshalb unterbrochen werden muss, oder wenn unvorhergesehe- ne Dinge passieren. Ich kann mich in sol- chen Situationen über das Studiokomman- do direkt zum Versammlungsleiter durch- schalten und z.B. sagen: „Wir machen jetzt weiter mit der nächsten Wortmeldung.“ Können Sie Beispiele nennen, in denen Sie sich eingeschaltet haben? Es gab mal einen Versammlungsleiter, der hat nach der Abstimmung die Ergebnisse nicht verkündet. Ich habe mich dann rein- geschaltet und gesagt: „Verzeihung, Sie müssten erst die Ergebnisse vorlesen.“ Ein andermal hatten wir einen renitenten Aktio- när, der in 15 Minuten über 100 Fragen abgefeuert hat. In solch einem Fall wird im Hintergrund besprochen, wie man damit umgeht. Können wir die Redezeit begren- zen? Was ist erlaubt? In Absprache mit allen wird dann an den Versammlungsleiter über- mittelt, wie weiter vorgegangen wird. Welchen eigenen Input versu- chen Sie, in Hauptversammlungen hineinzubringen? Im Grunde ist eine HV ja eine eher nüchter- ne Veranstaltung mit juristischem Rahmen. Innerhalb dessen versuche ich, eine Situa- tion herzustellen, in der es auch mal locker und unterhaltsam zugehen darf, wo ein Vorstandsvorsitzender nicht nur abliest, sondern auch mal frei eine zusätzliche Be- merkung machen kann. Das geht am bes- ten, wenn sich alle wohlfühlen. Außerdem versuche ich immer, zusätzliche Elemente einzubringen, z.B. beim Bühnendesign und besonders bei der Livekameraführung und -gestaltung. So kommt bei der einen oder anderen Gesellschaft und entsprechender Größe und Motiven auch mal ein Kamera- kran oder eine wackelfreie Steadycam zum Einsatz, mit der man nah an die Protagonis- ten rangehen kann. Das schafft Dynamik und Abwechslung. Während der Coronapan- demie habe ich vorgeschlagen, dass in vir- tuellen Hauptversammlungen jemand stell- vertretend für die Aktionäre die Fragen an den Vorstand und Aufsichtsrat stellt. Das war lebhafter, als alles trocken von densel- ben Personen vorlesen zu lassen. Warum ist ein Regisseur bei einer Hauptversammlung sinnvoll? Grundsätzlich lohnt es sich, mit einem Re- gisseur zu arbeiten, wenn man sich mit einem externen Fachmann austauschen möchte, wie man sich auf der HV präsentie- ren könnte. Ein weiterer Vorteil des Regis- seurs besteht darin, dass er zentraler- Ansprechpartner ist. Bei Gesellschaften, die ihre Hauptversammlung selbst organisie- ren, kommt der Lichtmann und stellt Fragen, dann kommt der Tonmann und stellt seine Fragen etc. Das sind Dinge, die ich zusam- menfasse. Die Gesellschaften geben das in meine Hände und können sich darauf verlas- sen, dass am Tag der HV alles vorbereitet ist. Unternehmen, die bereits mit einem Regis- seur zusammengearbeitet haben, wollen in der Regel nicht mehr darauf verzichten. Das Interview führte Thorsten Schüller. HV MAGAZIN 01/2025