Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin erklärt Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung von economiesuisse – der Dachorganisation der Schweizer Wirtschaft – , u.a. wie die Schweiz auf aktuelle geopolitische Krisen reagiert und in welchen Bereichen der Kapitalmarkt weiter gestärkt werden muss.

 GoingPublic: Frau Rühl, blickt man auf das letzte Jahr zurück zeigte sich dieses äußerst turbulent: BREXIT, Trump, geopolitische Krisen etc. pp. Sind bereits konkrete Auswirkungen davon in der Schweiz zu spüren?
Bislang sind noch keine direkten Auswirkungen bemerkbar, weil wir bis dato noch nicht wissen, was Trump als Präsident leisten und wie genau der Brexit umgesetzt wird. Es besteht jedoch das Risiko, dass sich Trump von Europa abkehren und auf andere Wirtschaftsräume konzentrieren wird. Für uns in der Schweiz sind gute wirtschaftliche Beziehungen zu den USA allerdings sehr wichtig, denn nach Deutschland ist die USA unser zweitwichtigster Handelspartner. Wir hatten deshalb gehofft, an einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA partizipieren zu können. Mittelweile befürchten wir aber, dass TTIP nicht mehr zustande kommt. Deshalb muss die Schweiz bilaterale Abkommen mit den USA anstreben.

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Noch ist unklar, welche Folgen der Brexit konkret für die Schweiz und den Rest der EU haben wird. Fotolia Nr.: 57596310

…und hinsichtlich des Brexits?
Großbritannien ist unser fünftwichtigster Absatzmarkt. In dem Moment, wo der formelle Austritt der Briten aus der EU eingeleitet wird, benötigen wir direkte Verträge, in denen die Wirtschaftsbeziehungen festgehalten werden, damit keine Lücken entstehen. Bisher verlaufen jegliche Verhandlungen über die EU.  Wenn wir dann schon direkt mit den Briten verhandeln, könnten wir allfällige Möglichkeiten nutzen, um bei den Finanzdienstleistungen einen besseren Deal auszuhandeln. Demnach könnte der Brexit also auch Chancen für uns bieten.

Am 12. Februar steht die Abstimmung zur Steuerreform in der Schweiz bevor: Wieso ist eine solche Reform nötig, um die Attraktivität des Unternehmensstandorts Schweiz zu sichern?
In der Schweiz gibt es gegenwärtig Sonderbeisteuerungs-Konstrukte, die international nicht mehr anerkannt sind. Deshalb brauchen wir eine Alternativen, um steuerlich attraktiv zu bleiben. In einem langen Prozess haben wir entsprechende Ersatzmaßnahmen identifiziert, die auch auf internationale Anerkennung stoßen. Diese geben in unserem föderalistischen System jedem einzelnen Kanton die Flexibilität, die Steuerreform so zu gestalten, dass sie zur jeweiligen Wirtschaftsstruktur passt. Nur so bleibt der Wirtschaftsstandort attraktiv.

Nun zeigt sich die Schweizer Aktienkultur – ähnlich wie in Deutschland – eher zurückhaltend. Wie könnte man den Schweizer Kapitalmarkt sowohl für Unternehmen als auch für Anleger attraktiver gestalten?
Ich glaube nicht, dass man Maßnahmen von außen treffen muss. Wir sind stark  abhängig von den internationalen Märkten und den geopolitischen Situationen. Der SMI hatte 2016 ein schwaches Jahr, aber einzelne Titel haben dennoch gut performt. Deshalb gibt es meiner Meinung nach keinen grundsätzlichen Handlungsbedarf. Wo wir aber definitiv bessere Rahmenbedingungen brauchen ist beim Venture Capital. Es stehen zwar grosse Mengen an Kapital in der Schweiz zur Verfügung, jedoch braucht es in unserem Land mehr Mut zum Scheitern. In den USA hat man da ein anderes Bewusstsein für den „Failure“. Dort ist es nicht gleich ein Riesenproblem, wenn eine Investition schief läuft. In der Schweiz hingegen wird das mit Versagen gleichgesetzt. Der unternehmerische Mut muss in den Köpfen der Menschen also noch stärker geschärft werden. Gerade für Start-ups müssten in dem Fall steuerliche Begünstigungen geschaffen werden, um diesen Mut zu belohnen. Trotz aller aktueller globalen Schwierigkeiten sollten die Unsicherheiten, die bei vielen derzeit herrschen, eliminiert werden.

Das Jahr ist noch jung: Was wird die Schweiz aus wirtschafts- und finanzpolitischer Sicht am stärksten 2017 beschäftigen und wird die Schweiz auch noch in den nächsten Jahren wirtschaftliche Stärke beweisen können?
Gegenwärtig beschäftigt die Schweiz sich aktuell mit den Abstimmungen zur Steuerreform. Zudem soll das gute Verhältnis zur EU weiterhin gestärkt werden. Außerdem haben wir dieses Jahr die Möglichkeit, die Altersvorsorge zu reformieren, so dass wir in den nächsten Jahren mit einer alternden Gesellschaft gut aufgestellt sind und die Renten sicher bezahlen können. Aktuell gibt es dann auch noch die Diskussion der Überregulierung: Wir fordern weniger Regulierungen und vor allem nicht ständig ändernde Regularien. Zu guter Letzt müssen wir unsere Innovationskraft erhalten, durch die sich die Stärke der Schweiz auszeichnet. Das hat mit Freiräumen für Unternehmen, aber auch sehr viel mit exzellenter Ausbildung zu tun. So haben wir in den letzten Jahren stark darauf hingearbeitet, dass die Schweiz vollumfänglich am europäischen Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 teilnehmen kann. Besonders der internationale Austausch zwischen den Forschern ist hier sehr wichtig für unsere wirtschaftliche Stärke. Wenn wir also in den nächsten zwei Jahren diese Weichen richtig stellen, sind wird für eine starke Zukunft der Schweiz bestens gerüstet.

GoingPublic: Frau Rühl, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Svenja Liebig

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